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Wikipedia-Manipulation: Der perfekte Internet-Lebenslauf für Lindner

von Konrad Fischer

Der Wikipedia-Eintrag über Christian Lindner wurde 2012 auffallend oft zum Positiven verändert. Die Spuren führen in den NRW-Landtag. Versucht jemand seinen Lebenslauf aufzuhübschen?

Der FDP-Landesvorsitzende in NRW, Christian Lindner Quelle: dpa
Auffallend oft wurde der Wikipedia-Eintrag des FDP-Landesvorsitzenden in NRW, Christian Lindner, aufgehübscht. Quelle: dpa

Manchen gilt Christian Lindner als größte Nachwuchshoffnung der FDP, anderen als Hobbyphilosoph mit dem Hang zum Belehren und wieder anderen bloß als taktisch versierter Machtmensch. Auf jeden Fall ist er ein Politiker, der in seinen 34 Lebensjahren schon erstaunlich viel auf die Beine gestellt hat. Er hat drei Unternehmen gegründet, zog als jüngster Abgeordneter in den NRW-Landtag ein und könnte wohl schon in wenigen Wochen FDP-Chef sein, wenn er es denn wollte. Doch nicht alles an diesem Leben auf der Überholspur scheint Lindner rückblickend so gut zu gefallen. Recherchen der WirtschaftsWoche zeigen, dass Lindner oder sein Umfeld die machtpolitische Verschnaufpause im NRW-Landtag offenbar auch dazu nutzt, die Deutungshoheit über die Biografie des Liberalen zu erreichen.

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Ende November wendet sich der Pressesprecher der NRW-FDP an die WirtschaftsWoche. „Außergewöhnliches Anliegen“ – schon der Betreff der E-Mail lässt einiges erwarten. Doch auf den ersten Blick ist es vor allem ein ziemlich nebensächliches Anliegen, das ihn da umtreibt. So war im Handelsblatt Verlag vor rund drei Jahren ein Porträt von Christian Lindner zu lesen, in dem es auch um dessen berufliche Vergangenheit ging.

Die Politkarriere des „Wunderkinds“ beginnt rasant. 1979 in Wuppertal geboren, studiert er Politikwissenschaften, Öffentliches Recht und Philosophie in Bonn.

Bild: dapd

Mit der Moomax GmbH wollte Lindner 2000 animierte digitale Persönlichkeiten, sogenannte Avatare, als Instrument zur Kundenkommunikation für den Internet-Handel verkaufen. Die Idee scheiterte, am Ende waren 1,4 Millionen Euro KfW-Fördergelder futsch. Nicht gerade ein Ruhmesblatt. In dem Porträt hieß es, Lindner habe die Idee dafür aus Science-Fiction-Büchern bezogen. Das aber sei falsch, bemerkte der Sprecher. Man möge den Artikel doch bitte nachträglich entsprechend korrigieren. Das Problem: Seinerzeit hatte es keinerlei Einwände gegen den Text gegeben. Schließlich enthüllt der Sprecher die tatsächlichen Motive: In Lindners Wikipedia-Eintrag wird auf den Text Bezug genommen, und solange die Quelle nicht verschwunden ist, lassen die Wikipedianer eine Veränderung des Eintrages nicht zu.

40 Änderungen von einer Adresse

Für sich genommen wäre der Vorfall eine Petitesse, hätte sie sich bei genauerem Hinsehen nicht als Verhaltensmuster erwiesen. So ist der Wikipedia-Eintrag von Christian Lindner in diesem Jahr einer der am häufigsten geänderten Artikel aller aktiven deutschen Politiker. Rund 500 Mal wurde er im vergangenen Jahr geändert. Der Eintrag über NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft kommt zwar auf die gleiche Anzahl von Änderungen, das aber im Verlauf von acht Jahren. Das Pikante daran: Ein bedeutender Teil der Beiträge scheint aus Lindners Umfeld selbst zu stammen.

Zu den eifrigsten Schreibern zählt die IP-Adresse mit dem nicht gerade einprägsamen, aber unverwechselbaren Namen 93.184.129.133. Im Sommer 2012 wurden von dieser Adresse aus mehr als 40 Änderungen vorgenommen. Ein misstrauischer Wikipedia-Autor mutmaßt im Diskussionsteil zum Artikel, ob dahinter wohl ein Lindner-Mitarbeiter stecke.

3 KommentareAlle Kommentare lesen
  • 07.01.2013, 12:42 UhrNowhereman

    Ich bin seit über sieben Jahren Wikipedia-Autor und Frage mich beim Lesen dieses Artikels, worin denn jetzt konkret die angebliche "Manipulation" bestehen soll. Jeder kann Wikipedia-Artikel bearbeiten, das ist das Prinzip der Wikipedia. Dass Personen den Artikel zu ihrer Person bearbeiten ist absolut nichts Ungewöhnliches und dass sie dabei an einer eher positiven Darstellung interessiert sind, ist es ebenfalls völlig normal. Mit "Manipulation" hat dies rein gar nichts zu tun.

  • 07.01.2013, 06:11 UhrJoselyn

    Unternehmer Lindner: Know How im Klüngeln und Geldverbrennen?

    Existenzgründer staunen: Wie in aller Welt gelangt man mit 30.000 € Eigenkapital und einer grotesken „Geschäftsidee“ an einen 1,4 Millionen-Kredit – und das auch noch ohne persönliche Haftung?

    Könnte es daran gelegen haben, daß Lindner zum Zeitpunkt der Kreditvergabe Mitglied des NRW-Landesvorstandes der FDP war, und die Kreditvergabe durch die von den Regierungsparteien gesteuerte Bankengruppe KfW erfolgte? Gibt es eine andere Erklärung als politischen Klüngel für solche nicht nachvollziehbaren finanziellen Vorteile?

    Erstaunlich ist auch Lindners Geschäftsidee: Er wollte Avatare, also Bilder als Stellvertreter für reale Personen, für Bezahlsysteme verkaufen. Preisfrage an die Kredit-vergebenden Herrschaften bei der KfW: Wozu benötigt man denn bitteschön Avatare zum Einkaufen/Bezahlen? Wenig überraschend sah niemand einen Nutzen in Herrn Lindners Idee. Bevor seine Firma Moomax mangels Kunden Insolvenz anmelden mußte, warf ihn ein neuer Investor hinaus. Das Geld wurde übrigens nie zurückgezahlt.

    Und dieser Mann will tatsächlich, dass die Leute glauben, er sei ein "Saubermann" ? Das da einiges nicht mit rechten Dingen zugegangen ist, um es einmal vorsichtig auszudrücken, dürfte jedem klar sein.

  • 05.01.2013, 18:16 Uhrnks

    „Denn anders als in klassischen Lexika gibt es bei Wikipedia keine echte Relevanzkontrolle für Inhalte. Was drin ist, wird genau so groß, wie die Fans eines Themas es für richtig halten.“

    Mit Verlaub - das ist großer Unsinn. Mir klingeln heute noch die Ohren von diversen Relevanzdebatten in der WP. Und die wurden mitnichten immer von den „Fans eines Themas“ bestimmt oder gewonnen.

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