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Wikipedia-Manipulation: IP-Adresse gehört zum Düsseldorfer Landtag

Wikipedia-Manipulation: Der perfekte Internet-Lebenslauf für Lindner

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IP-Adresse gehört zum Düsseldorfer Landtag

Fehler bei Wikipedia

Kurz vor der Ernennung Karl-Theodor zu Guttenbergs zum Bundeswirtschaftsminister im Februar 2009 trug jemand seine zehn Vornamen bei Wikipedia ein - und fügte einen Wilhelm dazu. Ein anonymer Nutzer bekannte sich später im Bildblog dazu: "Ich fragte mich, ob es jemand merken würde, wenn ich zu der langen Namensliste einfach einen weiteren hinzufügen würde."

 

"Es stellte sich heraus: Niemand merkte es", berichtet der Manipulator über sein Vorgehen. Etliche Online-Medien, Zeitungen und Fernsehsender übernahmen dann die Erfindung ungeprüft: Süddeutsche Zeitung, Spiegel Online, taz, Rheinische Post samt Internetseite, das RTL-Nachtjournal. Der erfundene Name schaffte es sogar auf die Titelseite der Bild-Zeitung. Der komplette, richtige Name des Verteidigungsministers lautet übrigens: Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg
Foto: dapd

 

Er könnte recht haben, denn die Adresse lässt sich dem Düsseldorfer Landtag zuordnen. Und damit nicht genug: Im Herbst 2011, Lindner war noch Generalsekretär der Partei in Berlin, beteiligten sich sieben verschiedene Nutzer in mehr als 20 Beiträgen am Artikel, sie alle entstammen dem technischen Kosmos der Bundestagsverwaltung. Ein Sprecher Lindners mag darin kein Fehlverhalten erkennen: „Wenn es sachlich falsche Tatsachendarstellungen gibt, senden wir Korrekturvorschläge an Wikipedia.“ Dass es in den Einträgen selten um die Wahrheit, sondern meist um die Deutung derselben geht, kommentiert er nicht. Er verweist zudem auf einen einzelnen Eintrag, in dem sich Christian Lindner mit Klarnamen zu erkennen gegeben hatte, dies belege, dass Lindner „der direkte Austausch mit Bürgern und Bürgerinnen wichtig ist“.

"Artikel aus technischen Gründen offline"

Und auch der Redaktionskontakt hat offenbar Methode: Ein Artikel des „Tagesspiegel“ aus dem Jahr 2004 mit dem Titel „Pleite mit der Firma – Glück in der Partei“, in dem es um Lindners unternehmerisches Scheitern geht, dient lange als Quelle in der Biografie. Im März 2012 aber ist er plötzlich verschwunden, wundert sich ein Wikipedia-Schreiber. Der Autor vom „Tagesspiegel“ erinnert sich, dass Lindners Mitarbeiter mitten im NRW-Wahlkampf bei ihm interveniert hatte, um den Artikel löschen zu lassen. Er habe sich darauf nicht eingelassen. Verschwunden ist der Artikel trotzdem, bei Wikipedia taucht er als Quelle nicht mehr auf. Beim Tagesspiegel heißt es zunächst, der Text sei „aus technischen Gründen“ offline, wenig später ist er wieder da.

Der Niedergang der FDP

Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg: Die FDP kassiert im Frühjahr drei krachende Wahlniederlagen. In Mainz fliegen die Liberalen nicht nur aus der Regierung, sondern auch aus dem Landtag. Sie bekommen nur noch 4,2 Prozent der Stimmen, 3,8 Prozent weniger als fünf Jahre zuvor. Auch in Sachsen-Anhalt ist für die FDP kein Platz im Parlament, die Partei scheiterte mit 3,8 Prozent klar an der Fünf-Prozent-Hürde. In Baden-Württemberg fällt die FDP von 10,7 auf 5,3 Prozent. Grün-Rot übernimmt die Macht. Das Ende von…

Bild: dapd

All das ist kein Verbrechen, aber irgendwie bedenklich ist es schon. Denn die Geschehnisse werfen ein Schlaglicht auf einen Graubereich zwischen Imagepflege und Manipulation, der in der digitalen Welt erst möglich geworden ist und mit dem wir bis heute nicht richtig umzugehen gelernt haben. Auf der einen Seite ist es nachvollziehbar, dass einer eingreifen will, der sich im Internet verunglimpft fühlt. Bloß inwieweit verändert er damit den Charakter der Quelle selbst? Studiert man die Wikipedia-Einträge, die vermutlich aus dem Lindner-Umfeld stammen, so zeigt sich: Selten geht es darum, relevante Fakten hinzuzufügen, stattdessen wird die Deutung von Ereignissen verschoben. Einmal fügt die Landtags-IP den Satz hinzu: „Hans-Dietrich Genscher sagte, Lindner sei es ,gegeben, in die Fußstapfen von Karl-Hermann Flach zu treten‘. “ Ein anderes Mal wird ein Zusatz gelöscht, in dem es über eine Aussage Lindners heißt, sie sei „quer durch alle Parteien auf Ablehnung gestoßen“.

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Der letztendliche Wikipedia-Artikel ist dann aus beiderlei Sicht unbefriedigend. Lindners anonyme Unterstützer stellen ihre Aktionen umgehend ein, nachdem ein Wikipedia-Benutzer ihre Herkunft in die Nähe des Landtags rückt. Die plumperen Versuche, biografische Details sprachlich aufzuhübschen, fliegen sofort aus der Biografie heraus. Eines jedoch kann die effiziente Selbstkontrolle des Lexikon-Netzwerks nicht verhindern: dass sich der Artikel zunehmend aufbläht. Denn anders als in klassischen Lexika gibt es bei Wikipedia keine echte Relevanzkontrolle für Inhalte. Was drin ist, wird genau so groß, wie die Fans eines Themas es für richtig halten. So umfasst die Biografie des 34-jährigen FDP-Landesvorsitzenden bereits acht gedruckte Seiten – der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel, 53, kommt auf gerade einmal vier Seiten.

3 KommentareAlle Kommentare lesen
  • 07.01.2013, 12:42 UhrNowhereman

    Ich bin seit über sieben Jahren Wikipedia-Autor und Frage mich beim Lesen dieses Artikels, worin denn jetzt konkret die angebliche "Manipulation" bestehen soll. Jeder kann Wikipedia-Artikel bearbeiten, das ist das Prinzip der Wikipedia. Dass Personen den Artikel zu ihrer Person bearbeiten ist absolut nichts Ungewöhnliches und dass sie dabei an einer eher positiven Darstellung interessiert sind, ist es ebenfalls völlig normal. Mit "Manipulation" hat dies rein gar nichts zu tun.

  • 07.01.2013, 06:11 UhrJoselyn

    Unternehmer Lindner: Know How im Klüngeln und Geldverbrennen?

    Existenzgründer staunen: Wie in aller Welt gelangt man mit 30.000 € Eigenkapital und einer grotesken „Geschäftsidee“ an einen 1,4 Millionen-Kredit – und das auch noch ohne persönliche Haftung?

    Könnte es daran gelegen haben, daß Lindner zum Zeitpunkt der Kreditvergabe Mitglied des NRW-Landesvorstandes der FDP war, und die Kreditvergabe durch die von den Regierungsparteien gesteuerte Bankengruppe KfW erfolgte? Gibt es eine andere Erklärung als politischen Klüngel für solche nicht nachvollziehbaren finanziellen Vorteile?

    Erstaunlich ist auch Lindners Geschäftsidee: Er wollte Avatare, also Bilder als Stellvertreter für reale Personen, für Bezahlsysteme verkaufen. Preisfrage an die Kredit-vergebenden Herrschaften bei der KfW: Wozu benötigt man denn bitteschön Avatare zum Einkaufen/Bezahlen? Wenig überraschend sah niemand einen Nutzen in Herrn Lindners Idee. Bevor seine Firma Moomax mangels Kunden Insolvenz anmelden mußte, warf ihn ein neuer Investor hinaus. Das Geld wurde übrigens nie zurückgezahlt.

    Und dieser Mann will tatsächlich, dass die Leute glauben, er sei ein "Saubermann" ? Das da einiges nicht mit rechten Dingen zugegangen ist, um es einmal vorsichtig auszudrücken, dürfte jedem klar sein.

  • 05.01.2013, 18:16 Uhrnks

    „Denn anders als in klassischen Lexika gibt es bei Wikipedia keine echte Relevanzkontrolle für Inhalte. Was drin ist, wird genau so groß, wie die Fans eines Themas es für richtig halten.“

    Mit Verlaub - das ist großer Unsinn. Mir klingeln heute noch die Ohren von diversen Relevanzdebatten in der WP. Und die wurden mitnichten immer von den „Fans eines Themas“ bestimmt oder gewonnen.

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