"Nach der Feierlaune wird wohl Katerstimmung einziehen", prognostiziert Marktstratege Jörg Rahn vom Vermögensverwalter Marcard, Stein & Co. Dank eines beachtlichen Schlussspurts hatte der Dax in der vergangenen Woche noch den Sprung in die Gewinnzone geschafft. Am Ende verzeichnete der Leitindex am Freitag ein Plus von 4,3 Prozent auf 6.416,28 Punkte. Der Wochengewinn betrug damit 2,2 Prozent.
Grund für die Feierstimmung war die Entscheidung der Staats- und Regierungschefs der Eurozone, den hoch verschuldeten Staaten Italien und Spanien unter die Arme zu greifen und den Banken direkte Hilfen zu gewähren.
Konjunktursorgen belasten
Allerdings ist es nicht nur die Situation einiger Banken, die wie so oft in den vergangenen Jahren für Unsicherheit sorgt. Die näher rückende Bilanzsaison zwingt die Investoren dazu, neben der Schuldenkrise auch die konjunkturelle Lage wieder in den Blick zu nehmen.
"Aktuell mehren sich die Anzeichen für eine leichte Abschwächung der erwarteten Wachstumsdynamik in vielen Regionen der Welt", schreiben die Fachleute der DZ Bank in ihrem Wochenausblick. Es sei unwahrscheinlich, dass die Dax-Unternehmen das hohe Gewinnmomentum der vergangenen Monate aufrechterhalten könnten: "In einem derartigen Umfeld wäre eine Seitwärtsprognose für die Aktienmärkte ein eher optimistisches Szenario", lautet ihre Einschätzung.
"Interessantes Potenzial"
Etwas weniger skeptisch betrachtet Helaba-Experte Markus Reinwand das aktuelle Szenario. Übertriebene Wachstumserwartungen seien inzwischen korrigiert und Aktien sehr niedrig bewertet: "Sofern größere Konjunkturenttäuschungen und Anspannungen im Finanzsystem ausbleiben, besteht somit wieder interessantes Potenzial."
Für Reinwand ist notwendige Bedingungen für mittelfristig steigende Kurse allerdings eine Entschärfung der Euro-Staatsschuldenkrise sowie eine Verbesserung der weltweiten Konjunkturerwartungen. Hier würden unter anderem ultraniedrige Zinsen und unkonventioneller Maßnahmen weiterhelfen, unterstreicht der Fachmann.
Experten erwarten Zinssenkung
Und die EZB wird diesen Ruf nach weiteren Zinssenkungen am Donnerstag der kommenden Woche möglicherweise erhören. Verglichen mit dem Niveau des Leitzinses in den USA, Japan und Großbritannien hat die Europäische Notenbank mit dem aktuellen Zinssatz von einem Prozent auch noch Luft nach unten.
Der Chef-Volkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, stellt dazu fest: "Der Markt geht fest von einer Leitzinssenkung aus." Eine Zinssenkung sei wegen der Konjunkturschwäche sehr wahrscheinlich geworden, schreiben die Experten der LBBW. "Die lockere Geldpolitik rund um den Globus ist auch die größte Chance für die Märkte: Eine positive Überraschung von der Politik oder der Konjunktur könnte daher für eine (kurzzeitige) Liquiditätsrally sorgen", prognostizieren sie.
Die Postbank-Analysten rechnen damit, dass die Notenbank den Leitzins auf 0,75 Prozent senkt: "Auf der vorangegangenen Sitzung des EZB-Rates hatten angeblich bereits einige Mitglieder für eine sofortige Zinssenkung plädiert. Dies werten wir als deutliches Zeichen für einen weiteren Lockerungsschritt der EZB."
US-Konjunktur im Blick
In der kommenden Woche steht bereits am Montag ein wichtiger Konjunkturtermin auf der Agenda, der ISM-Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe. Die meisten Ökonomen erwarten zwar einen moderaten Rückgang, dennoch sollte der Index über der Expansionsschwelle von 50 Punkten bleiben, so die herrschende Ansicht.
Am Freitag wird der vielbeachtete US-Arbeitsmarktbericht für den Monat Juni veröffentlicht. Der Arbeitsmarktbericht dürfte in das Bild einer schwachen Erholung passen, die weiter an Dynamik verliert, schreiben die Experten der Dekabank. "Seit Anfang des Jahres ist der Stellenaufbau in den USA ins Stocken geraten", stellen die Fachleute der Postbank fest. "Auch für Juni erwarten wir keine sprunghafte Verbesserung."
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