Die Nachfrage nach Mittelstandsanleihen sei regelrecht eingebrochen, hat der Chef der Börse Stuttgart, Christoph Lammersdorf, beobachtet. Es gebe derzeit kaum mehr Neuemissionen. Gleichzeitig würden die Privatanleger hochprozentige Anleihen verschmähen, aber auch die Finger lassen von sicheren Anleihen, die weniger Rendite abwerfen, sagte Lammersdorf gegenüber boerse.ARD.de am Rande der Global Business Week in Frankfurt.
Erste Pleite
Neben des schwachen Marktumfelds hat die vor zwei Monaten erfolgte Pleite des Windkraftzulieferers Siag Schaaf für Verunsicherung gesorgt. Mitte 2011 hatte die Siag noch Anleger mit einer Rendite von neun Prozent angelockt. Diese müssen nun auf einen Großteil ihres Gelds verzichten.
Reinfall mit Öko-Mittelstandsanleihen
Im Sog der Siag-Pleite stürzten auch die Anleihekurse von anderen Ökostrom-Firmen wie Payom Solar, Solarwatt und Windreich ab. Der angekündigte Rückzug der Photovoltaikfirma Payom Solar aus dem Segment Bondm der Börse Stuttgart zerstörte weiteres Vertrauen. Um Kosten zu sparen, wechselt Payom in den kaum regulierten Freiverkehr der Stuttgarter Börse. Dort müssen keine halbjährlichen Konzernabschlüsse und Ratings veröffentlicht werden. Jürgen Kurz, Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) sieht den Segmentwechsel von Payom Solar als schlechtes Zeichen.
Anleger- und Verbraucherschützer sowie Anleiheexperten haben immer wieder vor hohen Risiken gewarnt. "Einige hätten niemals eine Anleihe begehen dürfen", moniert René Parmantier, Chef von Close Brothers Seydler. Viele der Emissionen seien keine Mittelstands-, sondern Hochrisiko-Anleihen. Viele Emittenten hätten erst ihre Eigenkapitalprobleme lösen sollen, bevor sie Fremdkapital aufnehmen. "Eine Mittelstandsanleihe ist nur so sicher wie das Unternehmen, das sie begibt", meint DSW-Experte Klaus Nieding.
Fehlende Orientierung
Die Ratings der Unternehmen, die eine Mittelstandsanleihe aufgelegt haben, liegen oft im spekulativen Bereich. In Zukunft wollen einige Anbieter auch noch auf eine Note verzichten. Dadurch fehlt Anlegern die Orientierung.
An deutschen Börsen, insbesondere Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf werden derzeit knapp 50 Mittelstandsanleihen gehandelt. Die Bandbreite reicht von einem Personaldienstleister mit einem jährlichen Umsatz von knapp drei Millionen Euro bis hin zur Fluggesellschaft Air Berlin, die Erlöse von über vier Milliarden Euro erwirtschaftet.
7,5 Prozent Zinsen
Auf der Suche nach attraktiven Renditen und Alternativen zu Festgeld und Bundesschatzbriefen waren diese Anleihen heiß begehrt. Sie boten durchschnittlich Kupons von 7,5 Prozent und eine Stückelung von 1.000 Euro. Mehrere der Neuemissionen waren deutlich überzeichnet. Die Nachfrage war so groß, dass die Börsen Stuttgart, Düsseldorf, Frankfurt, München, Hamburg und Hannover eigene Segmente für Mittelstandsanleihen auflegten. Die Stuttgarter schufen Bondm, die Deutsche Börse kreierte den Entry Standard für Mittelstandsanleihen.
Einige Anleihen haben sich durchaus bewährt. Die Papiere von Dürr, KTG Agrar oder Bastei-Lübbe notieren klar "über pari", also über 100 Prozent. Sie zehren wahrscheinlich auch von ihrem guten Markennamen.
Transparenz soll verbessert werden
Um das Vertrauen der Anleger wieder herzustellen, haben die Börsenbetreiber strengere Transparenz-Regeln verordnet. So müssen Emittenten im Entry Standard der Deutschen Börse wichtige Kennzahlen wie Kapitalstruktur, Kapitaldienstdeckung, Verschuldungsgrad und Zinsdeckung veröffentlichen und permanent über eine Einschätzung durch eine Ratingagentur verfügen. Die Börse Stuttgart plant gar ein neues Qualitätssegment mit erhöhten Transparenzanforderungen.
In den nächsten Jahren "muss der Mittelstandsanleihe-Markt seine Feuertaufe bestehen", schreibt die IR-Agentur Cometis in einem Kommentar zur Bondkommunikation. Ob die neue Anlageform erfolgreich ist, entscheidet sich, wenn die ersten Anleihen 2015 zur Tilgung anstehen.
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