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30.04.2012 15:13
"Gelddrucken ist die teuerste aller Antworten"
Die Angst vor der Inflation treibt auch die Fachwelt um. Thorsten Polleit ist Chefökonom der Degussa Goldhandel und betrachtet die Politik der EZB mit großer Sorge.
Bild zum Artikel vergrößernThorsten Polleit, Chefökonom der Degussa Goldhandel 

boerse.ARD.de: Sie sagen, dass die Europäische Zentralbank auf Inflationskurs ist. Bis jetzt ist davon noch nicht viel zu sehen – im Euro-Raum lag die Inflation im Jahr 2011 bei 2,7 Prozent. Übertreiben Sie nicht etwas?

Thorsten Polleit: Natürlich sind die Zahlen im Moment in Ordnung. Geldpolitik wirkt aber immer zeitverzögert. Es wäre also kurzsichtig, die heutige Politik der EZB mit der aktuellen Teuerungsrate in Verbindung zu bringen. Die Inflationsgefahr droht vor allem in der Zukunft. Das Problem ist: Die EZB hat sich auf den Kurs eingelassen, Banken und Staaten über Wasser zu halten. Wenn sie nicht von diesem Kurs abkehrt, wird sie immer mehr Geld drucken müssen. Die EZB hat bisher "nur" die Basisgeldmenge ausgeweitet, also Geld in Umlauf gebracht, so dass die Banken mittlerweile über Überschussreserven in Höhe von 1.000 Milliarden Euro verfügen. Bald wird sie jedoch Staaten und Unternehmen finanzieren müssen, und dann steigt die Geldmenge unmittelbar an.

boerse.ARD.de: Die Fachleute der EZB rechnen für dieses Jahr mit einer Inflation von 2,1 bis 2,7 Prozent, damit würden sie ihr eigenes Inflationsziel von zwei Prozent verletzen. Sind das schon die Vorboten?

Polleit: Ja, im Euro-Raum und anderen Volkswirtschaften wird die Inflation steigen. Das sind die Folgen einer Geldpolitik, die sich zur Aufgabe gemacht hat, Staaten und Banken zu retten. Selbst dann, wenn das bedeutet, Geld zu drucken. Die Rohstoffmärkte beobachten das alles sehr genau. An der Börse steigen die Preise für Rohstoffe und Nahrungsmittel ja schon. Dieser Kostenschub wälzt sich über in allgemeine Preissteigerungen. Das bekommt der Verbraucher zu spüren, zum Beispiel an der Tankstelle oder wenn die Bahn-Tickets teurer werden.

boerse.ARD.de: Wann könnte es denn kritisch werden?

Polleit: Zeitlich kann ich das nicht genau festmachen. Die Inflation wird weiter steigen und sich vermutlich zunächst in Richtung fünf Prozent schieben. Das ist bitter für Sparer, denn die Zinsen für Sicht- und Termineinlagen liegen ja im Moment quasi bei null. Das heißt: Wer spart, vermehrt sein Geld nicht, sondern er wird ärmer, weil die Realzinsen negativ sind.

boerse.ARD.de: Wir werden für unsere Inflationsangst ja oft verlacht von unseren Nachbarn. Ist das die "deutsche Angst" oder ist diese Furcht berechtigt?

Polleit: Die Amerikaner sind traumatisiert von der Deflation Ende der 1920er und 1930er Jahre. Die Deutschen sind traumatisiert von der Hyperinflation. Darüber sollte man jedoch nicht spotten. Inflation ist ein gesellschaftliches Übel, sie untergräbt die Grundfesten einer freien Marktgesellschaft. Da gibt es nichts zu beschönigen.

boerse.ARD.de: Und was muss jetzt passieren, um das Inflationsgespenst zu verscheuchen?

Polleit: Die EZB muss sofort aufhören, die Geldmenge weiter zu erhöhen. Unsolide Staaten und Banken gehen Pleite und wir müssen es dann eben hinnehmen, dass einige Staat oder Banken zahlungsunfähig werden. Die würden entsprechend abgewickelt. Technisch wäre das möglich, es ist allein eine rein politische Entscheidung. Aus meiner Sicht ist das Drucken von immer mehr Geld die teuerste aller Antworten auf die Schuldenkrise.

Das Gespräch führte Daniel Pflug

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