Heute ist der Tag der Entscheidung: Der sechs Milliarden Euro schwere SEB Immoinvest versucht über eine "Testöffnung" den Befreiungsschlag. Das Besondere daran: Nicht das Management, sondern die Anleger entscheiden über das weitere Schicksal des seit nunmehr zwei Jahre geschlossenen Offenen Immobilienfonds.
Worum geht es genau?
Bis 13 Uhr werden heute alle zuvor erteilten Verkaufsorders gesammelt. Sollten die Rückgabewünsche die verfügbare Liquidität übersteigen, wird der Fonds abgewickelt. In diesem Fall werden gar keine Fondsanteile zurückgenommen, also auch die vorliegenden Rückgabewünsche werden nicht erfüllt.
Können hingegen alle Verkaufsorders bedient werden, soll der Immoinvest frühzeitig auf das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz (AnsFuG) umgestellt werden. Anleger können ihre Anteile dann bis auf Weiteres nur noch einmal jährlich zurückgeben.
Beide Entscheidungsmöglichkeiten Verkaufen oder Halten bergen vielfältige, teils nur schwer abschätzbare Konsequenzen. Es ist absolut keine leichte Entscheidung, vor die der SEB Immoinvest seine Anteilseigner stellt. Betroffen sind dabei vor allem die mehr als 320.000 investierten Privatanleger. Laut SEB Asset Management wird der Immoinvest nämlich zu 92 Prozent aus Geldern von Privatanlegern gespeist.
boerse.ARD.de hat das Für und Wider ausführlich analysiert. Was für ein
Verkaufen aus Perspektive der Privatanleger spricht, lesen Sie hier.
Die Argumente, die hingegen für ein Halten des SEB Immoinivest sprechen, haben wir hier aufgelistet.
Was raten Anlegerschützer?
Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) rät Anlegern ganz klar zum Verkauf ihrer Anteile. "Anleger sollten die hauchdünne Chance, die sie haben, unbedingt nutzen", erklärte DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler im Gespräch mit boerse.ARD.de.
Mehr dazu lesen Sie in unserem Interview
"Wahl zwischen Pest und Cholera".
Im Netz sind darüber hinaus auch vereinzelte Stimmen von Anlegeranwälten zu finden, die in die gleiche Richtung gehen. So rät etwa der Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Ralf Stoll Privatanlegern, "Verkaufsorder zu erteilen und zu hoffen, dass der Verkauf gelingt, anstatt sich weiteren Unsicherheiten auszusetzen".
Wie werden sich die Profis verhalten?
Bei den Fonds scheint die Sache ohnehin klar, glaubt man der jüngsten Kolumne der Fondsratingagentur Morningstar: Die Fonds "dürften aller Voraussicht nach auf der Verkäuferseite stehen. Denn sie stehen als treuhänderischer Verwalter des Anlegergeldes unter großem Verkaufsdruck".
Pikanterweise könnten sich auch zahlreiche von der SEB selber gemanagte Fonds vom SEB Immoinvest abwenden: Zahlreiche Fonds der SEB und der Santander halten hohe Anteile am Immoinvest. Für die Experten von Morningstar sind auch diese Fonds "Wackelkandidaten, da sie möglicherweise gar keine andere Wahl haben werden, als den Fonds zu verkaufen, um aus ihrer eigenen Liquiditätsklemme zu kommen".
Das Gemeine daran
Doch egal, wie sich die Investoren, allen voran die zahlreichen Privatanleger, entscheiden werden: Einen Abschlag von fünf Prozent müssen sie alle hinnehmen. Diesen hat das SEB Asset Management im Vorfeld der Blitzöffnung noch schnell umgesetzt und dies mit der "Gleichbehandlung" der Anleger begründet.
Die SEB selbst ist nach außen hin nach dem 7. Mai derweil fein raus. Egal, wie es laufen wird: Das Management kann immer sagen, "Es war der Wille der Anleger". "Die Geschäftsführung der SEB Asset Management will mit diesem taktischen Schachzug den Anlegern die alleinige Verantwortung für ein mögliches Scheitern aufbürden", kritisiert denn auch der Hamburger Fachanwalt Peter Hahn.
Dass es zum Scheitern, sprich zur Abwicklung des Offenen Immobilienfonds kommen wird, scheint für viele Experten ohnehin kaum abwendbar. "Aller Wahrscheinlichkeit nach werden Anleger das Worst-Case-Szenario erleben ganz egal wie sie sich individuell entscheiden. Der Fonds wird nicht geöffnet, sondern abgewickelt", prognostiziert DSW-Fachmann Tüngler.
In der Tat spricht vieles für dieses Szenario. Denn im Falle SEB Immoinvest klaffen individuelle und kollektive Rationalität weit auseinander. So scheint aus individueller Perspektive vieles für einen Verkauf der Anteile zu sprechen.
Doch das, was individuell rational im Sinne der Nutzenmaximierung scheint, ist auf kollektiver Ebene nicht zielführend. Denn entscheiden sich alle oder zumindest ein Großteil der Privatanleger, ihre Anteile zurückzugeben, so wird der Fonds abgewickelt. Anlegern droht dann eine jahrelange Hängepartie mit ungewissem Ausgang. Verluste sind aus Sicht von Branchenkennern programmiert.
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