Am 7. Mai, dem Tag nach der wahrscheinlichen Stichwahl der Praesidentschaftswahlen, wird "La Grande Nation" angegriffen - von ausländischen Hedgefonds. Davon sind mehrere Finanzexperten überzeugt. "Frankreich wird attackiert und in die Knie gezwungen werden, prophezeit Marc Fiorentino, Ex-Trader und jetzt Chef des Vermögensverwaltungs-Portals Monfinancier.com. Auch Philippe Dessertine vom Institut der Hochfinanz (Institut de la Haute Finance) sieht konkrete Spekulationsrisiken.
Angst vor den Ratingagenturen
An solche Verschwörungstheorien scheinen gar die beiden aussichtsreichsten Kandidaten der Wahlen zu glauben. Moodys werde eine Woche nach den Wahlen ein neues Urteil über Frankreich fällen, sagte der Sozialist Francois Hollande voraus. Als Vorbote sieht Hollande einen am Montag gestarteten Terminkontrakt (Future) auf französische Staatsanleihen - und forderte die deutsche Bundesregierung auf, diesen zurückzunehmen.
Die Angst vor einer Kontrolle durch die Finanzmärkte sitzt tief, spätestens seit die Ratingagentur S&P Frankreich das "AAA" entzogen hat. "Mein wirklicher Feind sind die Finanzmärkte", klagt Hollande. Die Politiker starren auf die Finanzmärkte - als wären sie das neue Feindbild wie einst "les boches" (die Deutschen) oder dann die Russen.
Das Mitterrand-Trauma
Als der Sozialist Francois Mitterrand vor 31 Jahren 1981 triumphierte, brachen die Kurse an der Pariser Börse dramatisch ein. Manche fürchteten schon, die russischen Panzer würden auf die Champs-Elysées rollen. Tatsächlich entzauberte Mitterrand die Kommunisten und schwächte sie so sehr, dass sie kurze Zeit später aus der Regierung verschwanden.
Inzwischen hat sich die politische Landschaft normalisiert. Ein sozialistischer Präsident würde nicht mehr als Revolution oder gar Untergang der "Grande Nation" gesehen. "Der Name des künftigen Präsidenten dürfte keine Auswirkungen auf die Börse haben, da die französischen Cac 40-Firmen 80 Prozent ihrer Gewinne im Ausland machen", erklärt der populäre Ökonom Marc Touati. Und auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer hält die Spekulationen um eine Attacke der Investoren auf Frankreich für eine "typische Rhetorik, um abzulenken von eigenen Problemen".
Sozialistischer Sieg würde Unsicherheit befördern
Ein Machtwechsel würde aber sicherlich für neue Unsicherheit an den Märkten sorgen. Schließlich hat Hollande bisher nicht deutlich gemacht, wie er das Land aus der Schuldenmisere führen will. Seine Pläne, die Reichen steuerlich stärker zu belasten, halten Experten für wenig zielführend. "Dann wandern die Leute ab", prophezeit Commerzbank-Chefvolkswirt Krämer.
Aber auch wenn Nicolas Sarkozy in seinem Amt bestätigt werden und weitere fünf Jahre das Land regieren würde, sind die Zukunftsperspektiven Frankreichs düster. Sarkozy hat bisher keine umfassenden Reformen angekündigt.
Frankreich ist dringend reformbedürftig
Diese wären nach Einschätzung vieler Beobachter aber nötig. Die EU-Kommission kritisierte im Februar die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs und die niedrige Profitabilität der Unternehmen. Die Fokussierung auf die Binnennachfrage (konsumgetriebenes Wachstumsmodell) habe lange den Blick auf die eigentlichen Probleme des Landes verstellt, moniert die Deutsche Bank. Diese sind "steigende Lohnstückkosten, hohe Haushaltsdefizite und ein geringes Potenzialwachstum". "Wird Frankreich das nächste Italien?", fragen schon die Volkswirte der Commerzbank. Nach Beobachtung von Chefvolkswirt Krämer produziert die französische Industrie inzwischen weniger als noch 1999. "Das Land hat eine hohe Jugendarbeitslosigkeit, einen verkrusteten Arbeitsmarkt und einen aufgeblähten Staatsapparat." Krämers Fazit: "Frankreich ist nicht mehr Teil des harten Kerns des Euroraums."
Sarkozy und Hollande haben versprochen, das Haushaltsdefizit von 5,3 Prozent im nächsten Jahr auf drei Prozent zu drücken. 2016 will Sarkozy gar einen ausgeglichenen Haushalt schaffen, Hollande peilt ihn für 2017 an. Ihre hehren Ziele fußen freilich auf viel zu optimistischen Annahmen: die beiden Kandidaten rechnen für 2013 mit einem Wachstum von 1,7 Prozent, für die Zeit danach träumt Sarkozy gar von einem Plus von über zwei Prozent.
Rückschritte beim Reform- und Sanierungskurs Frankreichs würden auch dem Euro schaden. Beobachter sehen besonders die Ankündigung des Sozialisten Hollande mit Sorge, den europäischen Fiskalpakt neu aufrollen zu wollen.
Cac 40 hinkt Dax hinterher
Immer wieder schwärmte "Sarko" im Wahlkampf vom "deutschen Modell". Kein Wunder, die exportgetriebene deutsche Wirtschaft wuchs in letzter Zeit deutlich stärker als die binnenmarktorientierte französische Wirtschaft. An den Börsen lässt sich der Rückstand Frankreichs gegenüber Deutschland ablesen. Der Cac 40 büßte seit einem Jahr fast 20 Prozent ein, der Dax dagegen nur fünf Prozent. Auf Zwei-Jahres-Sicht hat der deutsche Leitindex gut ein Viertel zugelegt, der Cac 40 dagegen ist auf der Stelle getreten.
Nur Konsumgüter wie Pernod Ricard und Danone sowie Industrietitel wie Technip, EADS oder Air Liquide liefen zuletzt ganz gut. Dagegen waren Energie-, Bau- und Bankaktien die ganz großen Verlierer.
Wer kein Risiko scheut und sich mit Branchen und französischen Unternehmen auskennt, kann durchaus in Einzelaktien investieren. Eine Alternative sind Frankreich-Fonds. Davon gibt es aber nur noch eine Hand voll, darunter mehrere ETFs auf den Cac 40. Einzig Fidelity und Pioneer bieten noch große breit gestreute Frankreich-Fonds an. Die DWS hat ihren Frankreich-Fonds dicht gemacht. Relativ unbekannt sind kleine Frankreich-Fonds wie der Nestor France Fonds B. Er investiert in Nebenwerte - und erzielte damit eine Performance von 67 Prozent in den letzten drei Jahren.
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