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Analyse & Strategie: Regionen


02.03.2012 09:44
Russlands Börse zwischen Rohstoff-Fantasie und Risiko
Die russische Börse steht und fällt mit dem Ölpreis. Im vergangenen Jahr belasteten aber politische Unsicherheiten den Markt. Anleger zogen Geld ab. Inzwischen geht es wieder aufwärts. Ob der Höhenflug anhält, hängt auch vom Ausgang der Präsidentschaftswahlen am Sonntag ab.
Handelssaal mit Glocke an der Moskauer Börse (Quelle: pa/dpa) vergrößernDie Moskauer Börse von innen. 

Kaum eine große Börse war in den letzten zehn Jahren so volatil wie Russland. Erst kletterte der russische Leitindex RTS von 300 Punkten im Jahr 2002 bis auf 2.500 Zähler Mitte 2008. Dann sackten die Kurse rasant auf bis 500 Punkte ab. Ab 2009 erholte sich der RTS wieder und stieg auf bis über 2.000 Punkte im vergangenen Jahr, bevor er wieder abrutschte.

2012 besser als der Dax
Seit Jahresanfang hat sich der Leitindex nun wieder etwas gefangen und über 20 Prozent zugelegt. Damit zählt Moskau zu den besten Börsen der Welt in diesem Jahr. Der RTS hat sogar den Dax abgehängt, der "nur" gut 16 Prozent gewann. Auch im Vergleich zu anderen Schwellenländer-Börsen schnitt Russland besser ab. Der MSCI-EM-Index, der die Emerging Markets umfasst, schaffte ebenfalls nur ein Plus von rund 16 Prozent.

Ist das schon der "Putin 2.0"-Effekt? Wohl kaum. "Wir erleben einen Nachholeffekt" in bezug auf den Ölpreis, erklärt Fondsmanagerin Simone Beer vom Bankhaus Metzler. So hat sich der Brent-Ölpreis im vergangenen Jahr knapp 20 Prozent verteuert, während der RTS gut 20 Prozent nachgab. "Es gab eine große Diskrepanz zwischen der Ölpreisentwicklung und dem Kursverlauf an der russischen Börse", meint auch Ekaterina Iliouchenko, Osteuropa-Fondsmanagerin von Union Investment. Dieser Discount hebe sich allmählich auf.

Entkopplung vom Ölpreis
Seit Jahren gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Ölpreis- und der Kursentwicklung. Steigt der Ölpreis, geht es an der Börse nach oben. Fällt der Ölpreis, fallen die Kurse. Die politische Börse hat diese Logik ausgehebelt. Nach den Parlamentswahlen im Dezember sackten trotz steigender Ölpreise die Kurse in Moskau ab, weil Investoren ein Übergreifen des "arabischen Frühlings" auf Russland fürchteten.

Nun könnte erneut die Politik die Kurse beeinflussen. Gewinnt Putin die Wahl mit einer nicht allzu erdrückenden Mehrheit im ersten Wahlgang, dürften die Kurse weiter anziehen. Holt er über 80 Prozent der Stimmen, dürfte es an der Börse nach unten gehen, weil die Investoren solch einem "stalinistischen" Ergebnis nicht trauen. Manche Analysten fänden es sogar besser, wenn Putin erst im zweiten Wahlgang gewinnen würde. Dies wäre ein klares Zeichen dafür, dass die Wahl nicht manipuliert worden sei.

Hoffen auf Putins Reformkraft
Am Sieg Putins gibt es freilich keine Zweifel. Entscheidend werde eher die Frage sein, ob Putin die erhofften Reformen voranbringt. So hoffen die Börsianer darauf, dass er eine umfassende Rentenreform durchführen, die Korruption effektiver bekämpfen und ein gigantisches Infrastrukturprogramm vorantreiben wird zur Erneuerung der maroden Landstraßen und Häfen. Zudem sollen offenbar die Rentenmärkte für langfristige Kapitalanlagen ausländischen Investoren geöffnet werden. Putin selbst träumt von einem neuen Wirtschaftsmodell. Er wünsche sich eine "neue Wirtschaft mit einer wettbewerbsfähigen Industrie und Infrastruktur, einem entwickelten Dienstleistungssektor und einer effizienten Landwirtschaft", schreibt er.

Trotz des jüngsten Kursanstiegs sehen Experten noch weiter Luft nach oben für die Moskauer Börse. "Im historischen Kontext sind russische Aktien weiter billig", meint Fondsmanagerin Iliouchenko von Union Investment. Fondsmanagerin Beer von Metzler hält gar russische Aktien für "extrem günstig".

Union Investment-Portfoliomanagerin Ekaterina Iliouchenko (Quelle: Unternehmen) vergrößernFondsmanagerin Ekaterina Iliouchenko von Union Investment 

Aktien günstig bewertet
Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 5 zählt Moskau zu den am günstigsten bewerteten Schwellenländer-Börsen derzeit. Das läge daran, dass viele russische Titel aus der Rohstoffbranche sind, erklärt Fondsmanagerin Beer. Und da liegen die Bewertungen oft noch auf sehr günstigem Niveau.

Makroökonomisch steht Russland freilich auch gut da. Das Land spürt bislang die europäische Schuldenkrise kaum. Im vergangenen Jahr lag das reale Wirtschaftswachstum bei 4,3 Prozent. Die Inflation sank auf 6,1 Prozent, das niedrigste Niveau seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion. "Das ist sehr positiv", sagt Fondsmanagerin Iliouchenko.

Wachstum von über drei Prozent 2012
Für 2012 sind die Aussichten etwas schlechter. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet inzwischen nur noch mit einem Wirtschaftswachstum von 3,3 Prozent. Damit würde Russland freilich den Rest Europas weiter klar abhängen. In der Eurozone droht eine Rezession.

Einen zusätzlichen Schub könnte der lang ersehnte Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO auslösen. Expertenschätzungen zufolge könnte dadurch das BIP um rund zwei Prozent zulegen.

Größter Ölproduzent, zweitgrößter Gasproduzent
Russland ist der größte Rohstoffproduzent der Welt. Mit einem täglichen Ausstoß von über zehn Millionen Fass hat das Land Saudi-Arabien als größten Erdölförderer abgelöst. Bei der Erdgasproduktion liegt Russland weltweit an Nummer zwei hinter den USA. Auch noch wertvollere Rohstoffe schlummern unter der russischen Muttererde. Russland hat nach Südafrika und Australien die drittgrößten Goldreserven der Welt.

Diese Abhängigkeit von den Rohstoffen ist einerseits ein Trumpf, kann aber auch in Wirtschaftskrisen zur Belastung werden. So riss der Verfall der Rohstoffpreise nach der Lehman-Pleite auch die Wirtschaft Russlands nach unten. "Russland muss seine Wirtschaft diversifizieren und die Wertschöpfungskette erweitern", fordert Berenberg-Fondsmanager und Russland-Spezialist Peter Reichel.

Marode Infrastruktur, Vergreisung der Bevölkerung
Manche Experten zweifeln denn auch an der Zukunftsfähigkeit Russlands und verlangen den Ausschluss aus dem BRIC-Quartett der aussichtsreichsten Schwellenländer mit Brasilien, Indien und China. Russlands Unternehmen seien hochverschuldet, die Infrastruktur sei marode, die demografische Entwicklung werde bald zum Problem, kritisierte einst US-Ökonom Nouriel Rubini. Eigentumsrechte würden mit Füßen getreten, und ausländische Investoren müssten immer wieder eine Enteignung fürchten, meint er. Tatsächlich wirkt bis heute der "Fall Yukos" als Menetekel. Der Chef wurde hinter Gittern gesteckt, das Unternehmen zerschlagen.

Fondsmanager wie Metzler-Frau Beer halten solche Ängste für übertrieben. Mit einem zweiten "Fall Yukos" rechnet sie nicht.

Nur als Beimischung fürs Depot
Als größeres Problem sehen Experten die extrem hohe Volatilität. Deshalb sollten Anleger nicht alles auf die Russland-Karte setzen. Russische Aktien, so Fondsmanagerin Iliochenko von Union Investment, seien als Beimischung fürs Depot geeignet. Bei Korrekturen sollte man nachkaufen, empfiehlt sie. Wenn zum Beispiel der Ölpreis stark zurückgeht, böte sich die Chance, einzusteigen.

Anleger haben die Qual der Wahl zwischen reinen Russland-Fonds, Osteuropa-Fonds und Emerging-Market-Fonds. "Bei Russland hat der Anleger konzentrierte Rohstoff- und ein Stück Weltwirtschaftsdynamik im Depot", meint Fondsmanagerin Beer von Metzler. Wer in einen Emerging-Market-Fonds oder einen Osteuropa-Fonds investiert, kaufe eine weitere Story hinzu. Beer verweist darauf, dass sich der russische Leitindex RTS in den letzten zehn Jahren versiebenfacht hat.

Wer lieber das Risiko sucht, kann auch in russische Einzelaktien investieren. Viele sind in Frankfurt notiert. Metzler-Fondsmanagerin Beer sieht derzeit noch großes Potenzial für Öl- und Gas-Aktien. Fondsmanagerin Iliouchenko von Union Investment setzt dagegen bevorzugt auf Bank-Aktien und Konsumtitel. Russlands Banken seien extrem profitabel, meint sie. Sie profitierten von hohen Geldzuflüssen der Kunden und schnell wachsender Kreditnachfrage. Sie hätten auch keine Probleme mit Kreditausfällen wegen der europäischen Schuldenkrise. Winkt mutigen Anlegern also in Zukunft vielleicht doch ein russisches Börsenmärchen?

nb
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