Schon lange haben Statistiker festgestellt, dass Wahlen einen eminenten Einfluss auf die Kursentwicklung an den Aktienmärkten haben. Laut dem technischen Analysten Robert Rethfeld von Wellenreiter-Invest kann der US-Präsidentschaftszyklus sogar als "einer der wenigen funktionierenden regelmäßigen Zyklen in der Finanzwelt" bezeichnet werden.
Das herrliche (Vor-)Wahljahr
Das Muster ist in der Tat recht markant: Ist ein neuer Präsident gewählt, lassen die US-Aktienmärkte zunächst Luft ab oder tendieren seitwärts. Diese Phase hält das ganze Nachwahljahr hindurch an bis zum Sommer des zweiten Jahres. Von dort startet üblicherweise eine starke Aufwärtsphase bei Dow Jones & Co. Dieser Aufwärtsimpuls hält bis zur Wahl an.
Die Zahlen sprechen eine überraschend klare Sprache. Demnach ist das Vorwahljahr historisch das mit Abstand beste für US-Aktien. Der S&P 500, das wichtigste Kursbarometer für Börsenprofis, klettert dann im Schnitt um mehr elf Prozent. Doch Papiere der 500 größten US-Firmen glänzen in der Regel auch im Wahljahr selbst, im Schnitt legen sie rund neun Prozent zu.
Beim Dow-Jones-Index fallen die entsprechenden Zugewinne mit rund neun Prozent in Vorwahl- und gut sieben Prozent in Wahljahren nur leicht niedriger aus.
Zufall oder Methode?
Das kann doch alles kein Zufall sein?! Ist es auch nicht: Der Präsidentschaftszyklus hat einen ganz klaren fundamentalen Hintergrund: In den ersten zwei Jahren eines Wahlzyklus verabreichen Politiker die bittere Medizin in Form von Ausgabenkürzungen. An der Börse herrscht dann logischerweise Saure-Gurken-Zeit.
Doch kurz vor den Wahlen will sich der amtierende Präsident stets gut verkaufen. Er tut daher alles, um die Wirtschaft brummen zu lassen und das Vertrauen der Konsumenten/Wähler zu gewinnen. Das spricht dann klar für steigende Kurse.
Alles eine Frage
Bleibt noch die Frage des richtigen Timings auch hier gibt die Geschichte eindeutige Ratschläge. Diese können natürlich auch Anleger für sich nutzen. Als Beispiel sei der Kursverlauf im Wahljahr herangezogen.
Bei einem Blick auf den Chart zum Präsidentschaftszyklus sticht sofort ins Auge, dass die Performance des Aktienmarkts bis Ende Mai äußerst schwach ist, gegen Ende des zweiten Quartals wird ein zyklischer Tiefpunkt ausgeprägt. "Ganz im Unterschied zur Performance des Aktienmarktes über alle Jahre des Jahrhunderts", wie Dimitri Speck von Seasonal Charts unterstreicht.
Auch der weitere Kursverlauf ist außergewöhnlich. Normalerweise heißt es, Investoren sollten die mauen Sommermonate an der Börse besser meiden. Nicht so in Wahljahren! Denn werde ein Präsident gewählt, setze in der zweiten Jahreshälfte eine regelrechte Sommerrally ein, sagt Jörg Scherer, Leiter Technische Analyse bei HSBC Trinkaus. "Die Börse beendet das Jahr tendenziell auf Jahreshoch."
des richtigen Timings
Für den Privatanleger wie den institutionellen Investor bedeutet dies: Die erste Jahreshälfte kann er getrost vergessen, ein Einstieg an den US-Börsen lohnt sich erst zur Jahresmitte dann aber richtig: Laut Statistik beträgt der durchschnittliche Gewinn zwischen Ende Mai und Anfang November im Wahljahr gut neun Prozent.
Normalerweise lege der Markt in dieser Phase gerade einmal ein Prozent zu, so Speck. Ein Ausstieg aus dem Markt empfiehlt sich schließlich relativ rasch nach der Wahl, wenn die Zeit der bitteren Pillen beginnt.
Nicht der Weisheit letzter Schluss
In den Finanzwissenschaften herrscht keineswegs Einigkeit darüber, ob man lange Zeitreihen wirklich dazu benutzen kann, um Rückschlüsse auf künftige Renditen zu ziehen. Fakt ist sicherlich: Es gibt immer Ausnahmen von der Regel.
Insofern wäre es in der Tat fahrlässig, sich in seinen Anlageentscheidungen einzig und allein vom US-Präsidentschaftszyklus leiten zu lassen. Um ein schlüssiges Gesamtbild zu erhalten, ist es unabdinglich, das ganze Repertoire der technischen wie fundamentalen Analyse zu berücksichtigen.
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