Möglicherweise ist gerade die Wahl von François Hollande zum Präsidenten Frankreichs der richtige Moment, um sich die Börsenweisheit "Politische Börsen haben kurze Beine" ins Bewusstsein zu rufen. Börsenweisheiten sollen dem Anleger dabei helfen, sich an den Finanzmärkten zu orientieren. In ihnen kristallisieren sich jahrzehntelange Erfahrungen der Marktteilnehmer zu prägnanten Sprüchen heraus.
Anleger können sie wie Weisheiten der Stoiker jederzeit parat haben, um sich im rechten Moment daran zu erinnern: "Aller Besitz ist vom Schicksal geborgt", wie der römische Philosoph und Erzieher Neros, Seneca, feststellt. Diese Lehre zu verinnerlichen wäre ein taugliches Sedativum angesichts der europäischen Schuldenkrise. Aber Anleger suchen an der Börse nicht Seelenruhe, sie wünschen eine Antwort auf die Frage: Was tun? Soll ich kaufen, halten, verkaufen?
Kausalität, Prognose und Analyse
Schließlich sind Investoren angesichts der Masse an tagesaktuellen Nachrichten, Analysemethoden, Markttechnik, Gerüchten, Stimmen, sogenannter Psychologie und Deutungen tendenziell überfordert, wenn es darum geht die aktuelle Lage zutreffend einzuschätzen - wie so mancher Experte natürlich auch.
Anders ist das auch gar nicht möglich, denn die Unsicherheit über die Zukunft ist die größte Sorge der Märkte. Prognosen, Einschätzungen, Analysen, Expertenstimmen, Vollkasko-Versicherungen oder clevere Finanzinstrumente sollen dabei helfen, diese Grundtatsache irdischen Lebens beherrschbar zu machen oder zumindest abzufedern.
Der Mensch ist Sorge
Aus dieser allgegenwärtigen Sorge, das "Sich-vorweg-sein" wie der Philosoph Martin Heideggers sagen würde, lässt sich auch das latente Panikpotenzial der Märkte erklären, das sich durch ein aktuelles politisches Ereignis gelegentlich entfaltet: Etwas passiert, das die Börsen-Zukunft eventuell trüber aussehen lässt als gedacht, der Markt reagiert hysterisch, beruhigt sich aber relativ schnell wieder und kehrt zur Tagesordnung zurück.
Das sind die "kurzen Beine" der politischen Börse: ein Flächenbrand, der sich häufig als Strohfeuer erweist. Sobald die Urteilsfähigkeit zurückkehrt, pendeln sich demzufolge die Aktienmärkte auch wieder ein. Deshalb müsse der Anleger immer das große Bild im Blick behalten, erklärt Christoph Schmidt, Marktstratege bei der N.M.F. AG. Es gebe viele unterschiedliche Faktoren, die die Kurse beeinflussen: "Die Wirtschaft läuft nach eigenen Regeln."
Unberechenbare Politik – berechenbare Märkte?
Damit ist natürlich nicht gemeint, dass die Politik nur einen marginalen Einfluss auf die Märkte hat. Schließlich schafft sie über Gesetze und Verordnungen den Rahmen, in dem sich die Finanzmärkte bewegen müssen. Gerade während Finanz- und Schuldenkrise war regelmäßig die Politik als Retter oder Spender von Milliardennachschub in Form von Rettungsschirmen gefordert.
Deshalb klagt derzeit eine ganze Reihe von Experten darüber, dass politische Entscheidungen das Börsengeschehen permanent überschatten würden. Kursentwicklungen seien von politischen Entscheidungen dominiert, die prinzipiell unvorhersehbar, populistisch und nicht immer pragmatisch im Sinne funktionierender Märkte und einer bestmöglichen Lösung seien.
Wo der Stein der Weisen liegt, wissen allerdings selbst Experten nicht allzu genau. Diese Information können die Anleger seit Monaten zwanglos der Tagespresse entnehmen.
Im weiteren Sinne beinhaltet die Börsenweisheit über politische Börsen letztlich nichts anderes als einen allgemeinen Rat, der sich im Leben, also auch an der Börse, üblicherweise bewährt: Erst denken, dann handeln. So gut es eben geht.
Lesen sie im zweiten Teil prägnante Beispiele für einige "Politische Ereignisse mit Knalleffekt".
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