boerse.ARD.de: "Seid gierig, wenn andere ängstlich sind, und seid ängstlich, wenn andere gierig sind" hat diese Aussage Buffetts noch ihre Gültigkeit?
Chris Zwermann: Diese Aussage hat auf jeden Fall noch ihre Gültigkeit. Die Kurse an den Aktienmärkten sind aber noch nicht auf den hohen Ebenen angekommen, dass man daraus ableiten könnte, dass die Leute gierig sind. Das sieht man auch daran, dass noch nicht alle investiert sind.
boerse.ARD.de: Bedeutet die Aussage Buffetts, dass die Anleger nach den Kursanstiegen der vergangenen Monate vorsichtiger werden sollten?
Zwermann: Nein, ich würde sagen, sie können vorerst weitermachen. Die Zentralbanken werden auf absehbare Zeit ihre Politik nicht ändert und kein Geld einsammeln. Die volkswirtschaftliche Erholung weltweit hat noch Potential nach oben. Und auch die Unternehmen haben noch Potential. Vor diesem Hintergrund müssen die Anleger noch nicht aussteigen.
boerse.ARD.de: Seit Wochen wird über die Kurskorrektur spekuliert, wird sie denn in absehbarer Zeit kommen?
Zwermann: Aufgrund dessen, dass viele auf diese Korrektur warten, wird sie eher nicht zeitnah kommen. Ich erwarte sie erst für den Sommer. Noch haben wir an den Aktienmärkten kein Niveau erreicht, das übertrieben erscheint. Wenn der Dax bis Juli/August auf 7.600 bis 8.000 Punkte steigen sollte, dann wäre das ein Punkt, über einen Verkauf nachzudenken.
boerse.ARD.de: Ist es weiterhin das billige Geld, das die Kurse treibt?
Zwermann: Nur zum Teil, weil das billige Geld dazu geführt hat, dass weltweit keine Kreditklemme entstanden ist, dass die Unternehmen weiterhin mit Krediten versorgt werden, dass es zu keinem Krisenszenario gekommen ist. Das volkswirtschaftliche Niveau ist noch so niedrig, dass es Potenzial nach oben gibt. Das billige Geld der Notenbanken hat ohne Zweifel realwirtschaftlich eine positive Wirkung.
boerse.ARD.de: Werden die Kurse auch dadurch angefeuert, dass viele Marktteilnehmer noch nicht investiert sind?
Zwermann: Ganz richtig! Nur ein kleiner Teil der Investoren ist schon eingestiegen. Das zeigen auch die Beispiele Gold oder deutsche Staatsanleihen. Dadurch, dass jetzt viele umsteigen von den "sicheren Häfen" in Aktien, werden die Kurse weiter steigen.
boerse.ARD.de: Wann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem die Notenbanken die Flut an billigem Geld zurückfahren sollten?
Zwermann: Pläne dazu haben die Notenbanken ja schon in den Schubladen. Ich glaube, sie werden an der Stelle ihre Politik verändern, an der das Wachstum in den Volkswirtschaften deutlicher sichtbar wird als heute. Das dürfte ungefähr in einem Jahr der Fall sein. Dann dürfte die Entscheidung anstehen.
boerse.ARD.de: US-Notenbankchef Bernanke versucht derzeit, die robuste Konjunkturentwicklung in den USA herunterzuspielen und wird nicht müde insbesondere die hohe Arbeitslosenquote hervorzuheben schürt er mit dieser Erwartung auf immer neue Programme der Notenbank nicht auch das Feuer?
Zwermann: Ich glaube, seine Taktik ist, kein zusätzliches Geld für die Konjunktur locker zu machen, aber gleichzeitig durch das Herunterreden der US-Konjunktur die Inflation so niedrig wie möglich zu halten. Denn eine höhere Inflation würde ihn dazu zwingen, früher zu handeln als ihm lieb wäre. Er hat den Märkten ja versprochen, bis 2014 die Zinsen niedrig zu halten. Ob er das durchhalten wird, ist offen. Da sehe ich eindeutig Fragezeichen!
boerse.ARD.de: Ist es denn sinnvoll, dass Bernanke quasi auf Jahre hinaus historisch niedrige Zinsen festschreibt?
Zwermann: Es ist sinnvoll, denn Bernanke hat ja noch andere Werkzeuge im Keller. Er kann beispielsweise den großen Bestand an Staatsanleihen, den die US-Notenbank hat, verkaufen, um den Finanzmärkten Liquidität zu entziehen. Wahrscheinlich wird das auch seine erste Maßnahme sein.
boerse.ARD.de: Billiges Geld treibt die Kurse, gibt es vor diesem Hintergrund derzeit denn überhaupt eine Alternative zu den Aktien?
Zwermann: Es gibt relativ wenige Alternativen! Es sei denn, man gibt sich mit den niedrigen Zinsen des Anleihemarktes zufrieden. Auch Rohstoffe halte ich nur bedingt für eine Alternative.
Mit den Aktien kann ich ja auch auf die Entwicklung ganzer Länder setzen. Mexiko wäre da ein Beispiel. Die dortige Börse ist noch nicht so gut gelaufen. So etwas kann man über die Aktienmärkte kaufen.
Das Gespräch führte Alexander Schmitt.
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