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Analyse & Strategie: Branchen


09.03.2012 16:15
"Der Anfang vom Ende der Solarindustrie"
Die deutsche Solarindustrie steckt in der Krise, die Aktien haben dieser Tage einen schweren Stand. Mancher wittert günstige Einstiegschancen. Doch Analystin Katharina Cholewa von der WestLB rät davon ab. Versorgeraktien sind aber einen Blick wert.
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boerse.ARD.de: Trotz des Atomausstiegs steht so mancher deutsche Solarkonzern am Abgrund. Man sollte doch meinen, die Aussichten der Unternehmen hätten sich durch die Energiewende verbessert, oder?

Katharina Cholewa: Nein, keineswegs. Die ganze Branche leidet an hohen Überkapazitäten, was vor allem durch die Solarsubventionen angefacht wurde. Es gibt daher einen enormen Preiskampf. Was den deutschen Solarzellen- und Modulherstellern vor allem das Leben schwer macht, ist die Konkurrenz aus China.

boerse.ARD.de: Nach der Atomkatastrophe in Fukushima wurden die Solarkonzerne noch als die großen Gewinner der Energiewende gepriesen. Das alles soll jetzt nicht mehr gelten, nur weil die Regierung ein bisschen die Förderung kürzt?

Cholewa: Erstens haben nicht alle sie als Gewinner gepriesen – die WestLB jedenfalls nicht. Zweitens kann man nicht von einem "bisschen" Kürzen sprechen. Die Subventionen werden erheblich gekappt. Selbst bei den derzeitigen Marktpreisen machen die Unternehmen Verluste bei der Produktion von Solarmodulen. Die angekündigten Kürzungen dürften weiteren Preisverfall nach sich ziehen. Der Anfang vom Ende der Modulproduktion in Deutschland ist damit besiegelt.

boerse.ARD.de: Aber die Zukunft gehört doch den Erneuerbaren Energien. Bis 2050 soll der Anteil neuer Energien von derzeit 20 Prozent auf 80 Prozent ausgebaut werden. Davon müssten doch enorme Wachstumsimpulse ausgehen?

Cholewa: Grundsätzlich sollen Erneuerbare Energien weiterhin ausgebaut werden. Kurzfristig möchte die derzeitige Regierung jedoch den Kostenanstieg der EEG-Umlage, mit der die Verbraucher die Energiewende bezahlen, abbremsen. Die Förderung der Photovoltaik wird also gekürzt, da sie auch die kostspieligere der beiden derzeit bevorzugten Technologien ist: Wind auf Land und Solar. Wachstumsimpulse durch eine großzügige Unterstützung wird es damit in Zukunft nicht mehr geben. Alleine der technische Fortschritt und die damit einhergehende Senkung der Kosten können das Wachstum beschleunigen. Dabei wird der Solarstrom zusätzlich verteuert, dass er auf Speicher angewiesen ist.

boerse.ARD.de: Es würde sich aus Verbrauchersicht also nicht lohnen, zum Beispiel eine Solaranlage plus Batterie zu installieren?

Cholewa: Bisher jedenfalls noch nicht. Derzeit liegen die so genannten Stromgestehungskosten der Photovoltaik bei bestenfalls 17 Eurocent pro Kilowattstunde. Das kostet es, Strom mit einer Solaranlage zu produzieren. Wenn der Hausbesitzer Strom aus der Steckdose bezieht, zahlt er 20 bis 23 Cent. Er stellt sich also theoretisch besser mit Solarstrom.

boerse.ARD.de: Praktisch aber nicht?

Cholewa: Nein. Denn er kann im Schnitt nur 30 Prozent des selbst produzierten Stroms nutzen, weil er seinen Verbrauch nicht danach ausrichten kann, wann die Sonne scheint. Wenn er 100 Prozent nutzen würde, dann ginge das. Dazu braucht er aber eine Batterie – und das Speichern ist im Moment noch sehr teuer.

boerse.ARD.de: Was kostet es?

Cholewa: Manche Hersteller wie zum Beispiel Solarworld behaupten, dass die zusätzlichen Kosten bei 10 Cent je Kilowattstunde liegen. Mal abgesehen davon, dass auch dies schon unwirtschaftlich ist aus Verbrauchersicht. Aber als realistisch würde ich eher 30 bis 40 Cent Zusatzkosten je Kilowattstunde ansetzen. Bei Batterien sind wir also noch lange davon entfernt, dass sie sich für Haushalte auszahlen.

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Solarbranche vor Kürzungen - ein Bericht von Dorothee Holz

boerse.ARD.de: Insgesamt also düstere Aussichten für die deutsche Solarbranche. Würden Sie daher auch sagen: Finger weg von Solaraktien?

Cholewa: Vorsichtigen Anlegern würde ich auf jeden Fall von Solaraktien abraten. Es ist ein technologiegetriebener Sektor mit sehr hoher Volatilität und tendenziell sehr geringer Vorhersehbarkeit. Das ist nichts für Investoren mit langem Anlagehorizont, denn es besteht das Risiko, dass heutige Marktführer durch neue Technologien in Zukunft komplett aus dem Markt verdrängt werden. Aber für kurzfristige Investments kann sich die eine oder andere Aktie lohnen, sofern sie stark genug gefallen ist, um auf Dreimonatssicht Chancen zu bieten. Auch Werte mit sehr ungewissen Aussichten können sich – zumindest vorübergehend – erholen.

boerse.ARD.de: Man liest von Übernahmen im Solarsektor. Bieten einzelne Aktien in dieser Hinsicht Fantasie? Hätten vielleicht auch Versorger Interesse?

Cholewa: Übernahmen sind durchaus möglich, wobei Versorger als Übernehmer meines Erachtens ausfallen. Das ist generell unüblich. Die Versorger beteiligen sich ja auch nicht an Siemens, nur weil Siemens Turbinen baut. In der Vergangenheit gab es vereinzelte Käufe: Eon hat eine kleinere Modulproduktion aufgebaut, Enel ebenso. Aber in Zukunft wird es keine Übernahmen durch Versorger geben.

boerse.ARD.de: Wer käme denn als Übernehmer dann in Frage?

Cholewa: Mögliche Käufer sind meiner Meinung nach Unternehmen, die bereits Lösungen für den Wärme- und Strombereich von Häusern in irgendeiner Form anbieten, und die ihre Portfolien vielleicht ausweiten möchten. Aber die Liste der Unternehmen, die als Käufer überhaupt in Frage kommen, ist extrem kurz.

boerse.ARD.de: In letzter Zeit gab es einige Übernahmen. Es klingt doch ganz danach, als hätten arabische und chinesische Konzerne ein enormes Interesse an deutschen Konzernen.

Cholewa: Ja, das stimmt. Solon zum Beispiel wurde von einem arabischen, Sunways on einem chinesischen Solarunternehmen gekauft. Aber sie haben mit dem Kauf gewartet, bis die deutschen Wettbewerber insolvent sind oder deren Preis sehr stark gesunken ist. Für einen Aktienanleger ist das also keine Strategie, auf die er setzen sollte. Eine Ausnahme sind Unternehmen mit einem guten Markennamen – da werden Übernahmeinteressenten nicht bis zur Pleite warten, um die Marke nicht zu ruinieren.

boerse.ARD.de: Solarworld hat einen entsprechenden Markennamen, spätestens seit der Werbung mit Larry Hagman dürfte das Unternehmen einer breiten Masse bekannt sein. Wäre Solarworld ein solcher Übernahmekandidat?

Cholewa: Generell schon. Aber die Frage ist, ob Konzernchef Asbeck sein Unternehmen verkaufen würde. Vielleicht steigt seine Bereitschaft ja, je schlechter es dem Unternehmen geht. Aber umgekehrt würden auch die Asiaten Solarworld nicht kaufen, dafür ist Solarworld zu groß und zu deutsch-mittelständisch geprägt. Generell ist es für Anleger aber zu riskant, eine Solar-Aktie nur wegen der Übernahmespekulation zu kaufen. Ein Kauf kommt bei fundamental stark unterbewerteten Aktien in Frage. Und angesichts des schnellen Verfalls kann es gut sein, dass man die Aktie noch zu teuer kauft.

boerse.ARD.de: Gehört dann eher den Windaktien die Zukunft? Profitieren sie vielleicht sogar von dem Niedergang der Solarindustrie?

Cholewa: Nein, die Winderzeuger würden allenfalls profitieren, wenn man komplett auf Solarenergie verzichten würde. Die Windbranche ist wie die Solarindustrie sehr wettbewerbsintensiv. In Asien kommt der Ausbau der Marktanteile europäischer Hersteller nicht voran, die Kapazitäten dort sind zu groß und folglich nicht ausgelastet. Die Branche leidet zudem darunter, dass der US-Markt mit so großen Unsicherheiten behaftet ist. Dort wird die Branche nicht durch Einspeisevergütungen subventioniert wie bei uns, sondern durch Steueranreize. Aber die Branche weiß nie, wie lange diese Unterstützung läuft, der Staat verlängert die Programme immer nur sehr kurzfristig.

boerse.ARD.de: Stehen jetzt Versorgeraktien vor einem Comeback?

Cholewa: Momentan geht es den Versorgern so schlecht wie nie. Die Konzerne leiden an den hohen Gaspreisen. Sie müssen zu höheren Preisen einkaufen, als sie verkaufen können.

boerse.ARD.de: Also würden Sie auch dort Anlegern von einem Aktienkauf abraten?

Cholewa: Nicht unbedingt. Für langfristig denkende Investoren könnten Eon oder RWE durchaus interessant sein. Das Risiko, dass das Ergebnis wegbricht, ist in den nächsten fünf Jahren nicht mehr hoch. Es ist bereits um ein Drittel gesunken. In den Aktienkursen ist das bereits enthalten. Zudem bieten die Aktien eine hohe Dividendenrendite von fünfeinhalb Prozent und mehr. Aber auch dort sollten Anleger auf das Timing achten – in den letzten Wochen sind die Versorgeraktien bereits sehr gut gelaufen und nicht mehr ganz so günstig.

Das Interview führte Bettina Seidl.

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