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Bewertungsreserven: Wie Lebensversicherer bei der Auszahlung tricksen

von Annina Reimann

Die niedrigen Zinsen belasten Lebensversicherer. Im Berliner Vermittlungsausschuss wird weiter darum gerungen, ob Lebensversicherer ihren Kunden künftig weniger Geld ausschütten dürfen. Im Kern geht es um die Frage, ob einige wenige, deren Vertrag aktuell zur Auszahlung kommt, das Kollektiv weiter schröpfen dürfen. Koalition und Länder wollen Entlastungen - doch Rot-Grün stellt sich quer. Richten soll es nun eine Arbeitsgruppe.

Wegen der aktuellen Zinslage diskutieren die Lebensversicherer, ihre Überschussbeteiligungen zu senken. Anders als der Garantiezins stehen die Überschussbeteiligungen nämlich nicht fest, sondern sind variabel. Je besser der Versicherer wirtschaftet, desto mehr Geld gibt es - und umgekehrt. Die Überschussbeteiligungen entsprechen Gewinnbeteiligungen und werden zumindest zu einem Teil an die Versicherungsnehmer ausbezahlt. Werden die Beteiligungen gesenkt, bekommt der Kunde also weniger Geld.

Da die Unternehmen wegen des herrschenden Zinsniveaus über festverzinsliche Wertpapiere nur geringe Erträge erzielen können, senken die folgenden Unternehmen ihre Beteiligungen:

Bild: dpa

Die Zinsen sind niedrig – und das ist für Lebensversicherer gleich ein doppeltes Problem. Auf der einen Seite haben sie ihren Kunden hohe Zinsen vertraglich zugesagt – im Schnitt garantieren Versicherer ihnen jedes Jahr 3,2 Prozent Zins. Doch für sichere Kapitalanlagen gibt es derzeit weniger als zwei Prozent Rendite.

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Bliebe der Zins langfristig so weit unten, könnten einige Lebensversicherer in den nächsten Jahren ernsthafte Probleme bekommen. Sie könnten die ihren Kunden versprochenen Garantien dann womöglich nicht mehr erwirtschaften.

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Soweit die Theorie. Auf der anderen Seite nämlich legen Versicherer das Kapital langfristig an. Sie kaufen Anleihen mit langen Laufzeiten, denn da gibt es höhere Zinsen, den Kupon. Doch je höher der Kupon, desto größer das Problem. Denn je niedriger die Rendite einer Anleihe sinkt, desto höher steigt ihr Kurs.

Die Differenz zwischen dem aktuellen Kurs (Marktwert, zum Beispiel 130 Prozent) und dem Buchwert (etwa 100 Prozent), nennen Fachleute stille Reserven, oder auch Bewertungsreserven. Läuft der Vertrag eines Kunden heute aus oder kündigt er, muss sein Versicherer ihn zur Hälfte an diesen Reserven beteiligen. Diese Regel gilt seit dem Jahr 2008.

Die zehn größten Lebensversicherer im Bilanzcheck

  • Allianz

    Bewertungsreserven (gibt an, wie stark der aktuelle Marktwert der Kapitalanlagen den Buchwert übersteigt): 16,004 Milliarden Euro (absolut), 11,1 Prozent aller Kapitalanlagen

    Bilanzpuffer (freie Rückstellung für Beitragsrückerstattung): 4,799 Milliarden Euro, 259 Prozent der Überschussbeteiligung

  • Bayern-Versicherung

    Bewertungsreserven (gibt an, wie stark der aktuelle Marktwert der Kapitalanlagen den Buchwert übersteigt): 1,986 Milliarden Euro (absolut), 9,5 Prozent aller Kapitalanlagen

    Bilanzpuffer (freie Rückstellung für Beitragsrückerstattung): 561 Millionen Euro (absolut), 268 Prozent der Überschussbeteiligung

  • R+V AG

    Bewertungsreserven (gibt an, wie stark der aktuelle Marktwert der Kapitalanlagen den Buchwert übersteigt): 2,694 Milliarden Euro (absolut), 7,1 Prozent aller Kapitalanlagen

    Bilanzpuffer (freie Rückstellung für Beitragsrückerstattung): 1,951 Milliarden Euro (absolut), 318 Prozent der Überschussbeteiligung

  • Württembergische

    Bewertungsreserven (gibt an, wie stark der aktuelle Marktwert der Kapitalanlagen den Buchwert übersteigt): 1,652 Milliarden Euro (absolut), 6,6 Prozent aller Kapitalanlagen

    Bilanzpuffer (freie Rückstellung für Beitragsrückerstattung): 609 Millionen Euro (absolut), 285 Prozent der Überschussbeteiligung

  • Axa

    Bewertungsreserven (gibt an, wie stark der aktuelle Marktwert der Kapitalanlagen den Buchwert übersteigt): 1,218 Milliarden Euro (absolut), 6,1 Prozent aller Kapitalanlagen

    Bilanzpuffer (freie Rückstellung für Beitragsrückerstattung): 424 Millionen Euro (absolut), 209 Prozent der Überschussbeteiligung

  • Ergo

    Bewertungsreserven (gibt an, wie stark der aktuelle Marktwert der Kapitalanlagen den Buchwert übersteigt): 1,995 Milliarden Euro (absolut), 5,1 Prozent aller Kapitalanlagen

    Bilanzpuffer (freie Rückstellung für Beitragsrückerstattung): 593 Millionen Euro, 152 Prozent der Überschussbeteiligung

  • Zurich Deutscher Herold

    Bewertungsreserven (gibt an, wie stark der aktuelle Marktwert der Kapitalanlagen den Buchwert übersteigt): 1,466 Milliarden Euro (absolut), 5,0 Prozent aller Kapitalanlagen

    Bilanzpuffer (freie Rückstellung für Beitragsrückerstattung): 373 Millionen Euro (absolut), 146 Prozent der Überschussbeteiligung

  • Debeka

    Bewertungsreserven (gibt an, wie stark der aktuelle Marktwert der Kapitalanlagen den Buchwert übersteigt): 319 Millionen Euro (absolut), 0,9 Prozent aller Kapitalanlagen

    Bilanzpuffer (freie Rückstellung für Beitragsrückerstattung): 825 Millionen Euro (absolut), 142 Prozent der Überschussbeteiligung

  • AachenMünchener

    Bewertungsreserven (gibt an, wie stark der aktuelle Marktwert der Kapitalanlagen den Buchwert übersteigt): 139 Millionen Euro (absolut), 0,7 Prozent aller Kapitalanlagen

    Bilanzpuffer (freie Rückstellung für Beitragsrückerstattung): 229 Millionen Euro (absolut), 91 Prozent der Überschussbeteiligung

  • Generali

    Bewertungsreserven (gibt an, wie stark der aktuelle Marktwert der Kapitalanlagen den Buchwert übersteigt): -160 Millionen Euro (absolut), -0,4 Prozent aller Kapitalanlagen

    Bilanzpuffer (freie Rückstellung für Beitragsrückerstattung): 462 Millionen Euro (absolut), 97 Prozent der Überschussbeteiligung

Je niedriger die Zinsen, desto höher können die Bewertungsreserven ausfallen. Genau das sei das Problem, verbreiteten Lobbyisten in Berlin. Für sie geht es um viel Geld: Die deutschen Lebensversicherer legen etwa 750 Milliarden Euro an. Der Bund der Versicherten hat ausgerechnet, dass Lebensversicherer aktuell Bewertungsreserven in Höhe von rund 41 Milliarden Euro in den Büchern stehen haben.

4 KommentareAlle Kommentare lesen
  • 30.01.2013, 19:49 Uhrgunter

    § 153 Abs. 3 VVG schreibt eine verurachungsorientiete Beteiligung an den Bewertungsreserven vor. Es kann also keine Rede davon sein, dass jemand geschröpft wird, denn eine Beteiligung findet nur bezüglich jener Bewertungsreserven statt, die aus dem Kapital der Beitragszahlungen dieses Versicherten gebildet wurden. Wäre dieser konkrete Vertrag nicht vorhanden, gäbe es die entsprechenden Bewertungsreserven überhaupt nicht. Es wird also niemandem etwas genommen.

  • 30.01.2013, 15:21 Uhrpedro

    ""Wie Lebensversicherer bei der Auszahlung tricksen""
    Von wegen nur bei der Auszahlung, das geht schon vor dem Abschluss los.Wie kann eine Kapitalaufsicht so ein vorgehen genehmigen, Verträge die eine klare Betrugsabsicht erkennen lassen.
    Gibt es in der gesamten Kapitalwirtschaft auch nur noch einen einzigen ehrlichen Menschen ?.
    Meine Meinung NEIN NEIN und nochmals NEIN

  • 29.01.2013, 18:16 UhrMazi

    Ich kann mir die Entscheidung, an die Sie offensichtlich denken, nicht vorstellen. Wenn dies so käme, könnte man auch von den Unternehmen erwarten, dass Sie die Hälfte ihrer Gewinne auch in einen Sozialfonds einzahlen, über den unsere Politiker verfügen.

    Dieser Fonds wäre doch geradezu perfekt, die ungedeckten Pensionen (u.a. auch Politikerpensionen) zu finanzieren. Schmeckt dieser Gedanke nicht nach Honig.

    Ich kann es mir nicht vorstellen, dass der Gewinn einem anderen gehören soll als dem, mit dessen Einlage dieser Gewinn erwirtschaftet wurde. Selbst der Gedanke, dass diesem "Eigner" nur die Hälfte und die andere Hälfte anderen, also nicht dem Eigentümer, gehören könnte, ist für mich nicht nachvollziehbar.

    Das Steuermonopol steht dem Staat, nicht dem Versicherungsunternehmen zu. Wenn es zu einer "Steuererhebung" kommen sollte, so wären die einbehaltenen Gelder ans Finanzamt abzuführen. Da dies erst gar nicht zur Diskussion steht, steht dem Versicherten der ganze Gewinn zu. Eine Diskussion kann es dazu erst gar nicht geben. Das ist eine Perversion des Systems.

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