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Der unterschätzte Nachbar: In Polen gibt's noch was zu holen

von Florian Willershausen

Das östliche Nachbarland wird von vielen Unternehmen noch immer unterschätzt - trotz wachsender Kaufkraft. Erfolgsgeschichten aus Polen.

Solange Olszewska Quelle: Götz Schleser für WirtschaftsWoche
Gut unterwegs: Solaris-Chefin Olszewska leitet eines der erfolgreichsten Unternehmen im neuen Polen Quelle: Götz Schleser für WirtschaftsWoche

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Höchste Zeit, dass die Stadtwerke von Bochum, Düsseldorf und Frankfurt ihre Busse abholen lassen. Es wird eng auf dem Hof von Solaris, Polens Omnibushersteller, der sich anschickt, die Branchenriesen MAN und Daimler in Deutschland zu überholen. In den Hallen des Stammwerks in Bolechowo nahe Posen kleben Arbeiter dem achten von zwölf Bussen für die Stadt Troisdorf bei Bonn Scheiben ein. Nebenan erhalten Fahrzeuge für den Flughafen Madrid gerade den Motor eingebaut.

Die Spätschicht hat begonnen, Solaris-Chefin Solange Olszewska posiert in einem halb fertigen Bus für den Fotografen. Sie mag das Blitzlicht nicht, zumal sich die Fototermine in jüngster Zeit häufen. Die 62-Jährige hält sich lieber im Hintergrund und stapelt tief, wenn sie nach Gründen für den Erfolg von Solaris gefragt wird. „Ich weiß es nicht“, sagt sie fast kokett. Qualität könnten Wettbewerber auch liefern. Billiger sei Solaris schon deshalb nicht, weil alle Wettbewerber ebenfalls in Polen oder der Türkei fertigten. Und das Servicenetz musste erst aufgebaut werden. „Aber vielleicht sind wir genauso gut wie die großen Wettbewerber, aber als Familienbetrieb einfach sympathischer.“

Tops und Flops

  • Top - Nähe zu Deutschland

    Seit der Fußball-EM verfügt Polen über ein vorbildliches Autobahnnetz. Die Nähe macht das Land zur Top-Adresse für deutsche Firmen.

  • Flop - Viele sind schon da

    Zwar ist Polen noch ein unterschätzter Markt – aber viele deutsche Unternehmen sind schon da. Für Neulinge kann es schwierig werden, die noch unbesetzte Nische zu finden.

  • Top - Effiziente Verwaltung

    Die Regierung um Ministerpräsident Donald Tusk gilt politisch als blass – aber Investoren schätzen ihre Effizienz. Polens Beamten helfen Unternehmern schnell und lautlos bei der Ansiedlung, egal, ob einheimischen oder ausländischen.

  • Flop - Höhere Löhne

    Polen ist kein Billiglohnland mehr. Zwar liegt das mittlere Salär im Monat noch unter 1000 Euro. Aber bei teils zweistelligen Zuwächsen pro Jahr verliert die Beschaffung aus Polen für deutsche Unternehmen an Attraktivität – zugunsten des Absatzes.

  • Top - Großer Absatzmarkt

    Mit 39 Millionen Einwohnern ist Polen das sechstbevölkerungsreichste Land der EU. Der anhaltende Aufschwung macht Polen als Absatzmarkt immer interessanter.

Mag sein. Fest steht jedenfalls, dass polnische Unternehmen keinen Grund haben, sich vor etablierten Konkurrenten zu verstecken. Jüngst hat Polens Zughersteller Pesa mit der Deutschen Bahn einen Milliardenvertrag über die Lieferung von Dieseltriebzügen unterschrieben – und dabei Siemens ausgestochen. Ölmulti PKN Orlen rollt den deutschen Tankstellenmarkt mit auf. Und während der Fußball-EM im Juni konnten Zehntausende deutscher Besucher mit eigenen Augen sehen: Das neue Polen ist ein anderes als das vermeintliche Autoknackerland, das als Stereotyp in den Köpfen mancher Deutschen fortlebt.

Nicht neu, aber immer noch attraktiv

Polen steigerte im Krisenjahr 2009 als einziger EU-Staat sein Bruttoinlandsprodukt, um 1,6 Prozent. Der Import wächst und auch die Kaufkraft der 39 Millionen Einwohner. So ist es kein Wunder, dass Polen in der WirtschaftsWoche-Serie „Märkte von morgen“ als Absatzmarkt (siehe Grafik in der linken Spalte) Spitzenreiter in der EU ist. Zwar ist Polen für 6000 deutsche Unternehmen mit Niederlassungen im Land kein ganz neuer Markt. Doch dass es trotz der Nachbarschaft kaum mehr sind als die 7000 deutschen Firmen im fernen Moskau, legt nahe, dass deutsche Manager Polen noch immer unterschätzen.

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Wer früh nach Polen ging, kann heute demonstrieren, was sich östlich der Neiße unternehmerisch reißen lässt. Beispiel: Dagmar und Hans Jörg Otto. Der Ingenieur war 1995 Werksleiter beim schwäbischen Bushersteller Neoplan in Berlin-Spandau, sein Chef war der spätere Solaris-Gründer Krzysztof Olszewski. Der wollte Otto zum technischen Leiter des polnischen Werks machen.

Passgenaue Kabelsätze

Doch der Berliner winkte ab und machte sich mit einer Harley-Davidson-Vertretung auf Sylt selbstständig. Ehefrau Dagmar war gegen die Ortsveränderung. „Ich war noch nicht bereit für einen Umzug in den fremden Osten“, erzählt sie heute. Zwei Jahre später war sie es – beide gründeten in Polen das Unternehmen El-Cab.

Heute ist Dagmar Otto Vizechefin von El-Cab und allein im Werk, ihr Mann besucht in Hamburg Kunden. El-Cab liefert passgenaue Kabelsätze für Solaris-Busse und Straßenbahnen. Zudem kauft das Unternehmen mit Sitz gegenüber dem Areal des Busriesen in Deutschland Komponenten, die polnische Fahrzeughersteller aller Art brauchen, vom Monitor bis hin zur Klimaanlage. „Wir sind die Schnittstelle zwischen polnischen und deutschen Unternehmen, die sich gegenseitig nicht immer trauen“, sagt Co-Chefin Otto.

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