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App mit Barcode-Scanner: Zalando wird zum Angstgegner

von Henryk Hielscher

Der Berliner Online-Anbieter Zalando bringt Schuh- und Modefilialisten zum Schreien - doch nicht vor Glück, sondern vor Wut. Muss bald jeder dritte Laden dichtmachen?

Sie sind längst nicht mehr nur für Supermärkte und Discounter, sondern auch für Fashion-Händler wie den Berliner Kult-Shop Zalando das Salz in der Suppe: Eigenmarken. Der Vorteil im extrem wettbewerbsintensiven E-Commerce: Mit den eigenen Labels, die bei Zalando als Eigenmarke gar nicht zu erkennen sind, ist die Marge viel höher als bei externen Markenprodukten. Auch die Abhängigkeit von Markenherstellern lässt sich reduzieren. Der Berliner haben mindestens zwölf Eigenmarken in ihrem Portfolio. Ein Überblick.

Bild: Presse

Die neueste Attacke kommt auf den ersten Blick harmlos daher: Beim Berliner Schuh- und Modeportal Zalando – Werbeslogan „Schrei vor Glück“ – können die Kunden jetzt mit einer neuen App auch via Smartphone Handtaschen, Winterstiefel oder Wanderrucksäcke ordern.

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Das allein wäre für die klassischen Modeläden noch keine Aufregung wert. Aber die App bietet nebst allerlei Fashion-Schnickschnack auch einen integrierten Barcode-Scanner an. „Artikel aus dem stationären Handel lassen sich damit kinderleicht scannen und bei Zalando online suchen“, heißt es in der Pressemitteilung zur App.

Soll heißen: Die Läden der Konkurrenz werden zum Showroom degradiert. Schrei vor Wut, dürften Verkäufer bei Breuninger, Kaufhof oder Karstadt den Vorstoß kommentieren – wenn allzu dreiste Interessenten nach Beratung und Anprobe die komplette Garnitur tatsächlich mit ihren Handys scannen und bei Zalando bestellen.

Zalando auf einen Blick

  • Die Gründer

    Die Berliner Robert Gentz und David Schneider starteten im Oktober 2008 mit dem kleinen Online-Schuhshop Zalando. Ihr Büro diente als Warenlager, der Service lief über ihre Mobiltelefone.

  • Die Investoren

    Zu den Investoren zählen die Tengelmann-Gruppe, der Facebook-Investor Digital Sky Technologies des russischen Dotcom-Finanziers Yuri Milner, Holtzbrinck Ventures sowie die Samwer-Brüder Marc, Oliver und Alexander mit ihrem Berliner Startup-Entwickler Rocket Internet. Im Oktober 2012 hat die schwedische Investment AB Kinnevik sein Engagement um 10 Prozent aufgestockt und hält nur 26 Prozent an Zalando direkt und weiter 9 Prozent indirekt via Rocket Internet. Damit sind die Schweden die größten Gesellschafter des E-Commerce Unternehmens.

  • Die Strategie

    Zalando expandierte in den vergangenen vier Jahren extrem schnell und aggressiv in ganz Europa und ist mittlerweile in 15 Ländern aktiv. Dafür setzte das Unternehmen große Summen für das Marketing, vor allem TV-Spots ein. Das Marktforschungsunternehmen Nielsen berechnete die Ausgaben für die Spots im Jahr 2011 allein in Deutschland auf 90 Millionen Euro. Der Bekanntheitsgrad der Marke Zalando liegt in der werberelevanten Zielgruppe bei 95 Prozent. In Frankreich kennt den Online-Händler nach einem Jahr am Markt bereits jeder Zweie.

  • Die Umsatzentwicklung

    Laut Bundesanzeiger wies Zalando für 2009 einen Fehlbetrag von 1,6 Millionen aus. 2010 waren es 20,4 Millionen. Der Umsatz lag 2010 bei 150 Millionen Euro. 2011 bereits bei 510 Millionen, 2012 möchte Zalando die Milliarde knacken und Vorjahresumsatz verdoppeln.

  • Mitarbeiter und Logistik

    Zalando beschäftigt aktuell mehr als 1200 Mitarbeiter. In Berlin entsteht ein neuer Bürokomplex mit 20.000 Quadratmetern für mehrere hundert Mitarbeiter. Ab Sommer 2013 sollen weitere Büroflächen in Berlin Mitte angemietet werden. In Erfurt eröffnet Anfang Dezember das erste eigene Logistikzentrum, mit dem Bau eines weiteren hat der Online-Händler in Mönchengladbach begonnen.

Das Miniprogramm kann als gezielter Angriff auf die Offline-Konkurrenz in den Fußgängerzonen gewertet werden. Der Internet-Riese macht dem stationären Modehandel ohnehin schon das Leben immer schwerer. Laut der Fachzeitschrift „Textilwirtschaft“, die wöchentlich die Umsätze zahlreicher Bekleidungshändler in einem Panel erhebt, schloss die Branche das Gesamtjahr mit einem Minus von zwei Prozent ab. 60 Prozent der Modeläden schrieben demnach rote Zahlen.

Amazon, Mirapodo und Co.

Für die Umsatzschmelze im Textilgewerbe halten betroffene Unternehmer gleich mehrere Erklärungen parat: Das Wetter sei lange zu mild und die Verbraucher seien zu knauserig gewesen, murrt die Branche unisono. Trendige Billigheimer wie die irische Modekette Primark oder der Discounter TK Maxx aus den USA erobern deutsche Einkaufsstraßen und erschüttern das Preisgefüge. Vor allem aber fällt ein Name, wenn es um den mauen Geschäftsgang geht: Zalando.

Kein anderes Unternehmen schreckt die City-Platzhirsche so wie der Berliner Online-Player, der zuerst den Schuhhandel aufmischte und nun dem Modewesen eine neue Kleiderordnung verpassen will.

Zorn der Zunft

Im Grunde dienen die Berliner dabei als Chiffre für den digitalen Generalangriff, der die Branche derzeit umwälzt. Bei rund 15 Prozent verorten Experten bereits den Anteil des Online-Handels am deutschen Schuh- und Bekleidungsmarkt. Bis 2020 könnte die Quote auf mehr als 20 Prozent steigen – und den stationären Geschäften zunehmend die Kundschaft abgraben.

Nebst Zalando bedrängen Dutzende Internet-Firmen wie Amazon, Mirapodo oder Asos die arrivierten Bekleidungsfilialisten. Ausländische Modehäuser wie Debenhams versuchen in den deutschen Markt per Web-Shop vorzudringen. Shoppingclubs buhlen um die Kundengunst, und Markenhersteller verkaufen ihre Ware zunehmend über eigene Online-Shops.

Und dennoch zieht zuvorderst Zalando den Zorn der Zunft auf sich.

7 KommentareAlle Kommentare lesen
  • 22.01.2013, 10:13 UhrHuHa

    In den Fußgängerzonen hierzulande ist gefühlt jedes zweite Geschäft ein Schuhgeschäft; da scheint die Marge schon noch verdammt hoch zu sein, damit man sich solche Lagen leisten kann.

    Gut geführte Schuhgeschäfte mit kompetenter Beratung und ausgewogenem Angebot (d.h. nicht nur Saisonware für Teenies) finden sich dagegen nur noch selten; um die ist es schade, aber die wurden ja sowieso überwiegend schon längst von den unzähligen In-Schuhläden plattgemacht. Und die jammern jetzt gegen Zalando! Mangelhaftes Kurzzeitgedächtnis, würde ich sagen.

    Unseren Fußgängerzonen täte ein bißchen Abwechslung sehr gut. Wenn zwei von drei Schuhgeschäften dort verschwinden, gibt es immer noch mehr als genug.

  • 21.01.2013, 20:23 UhrWIeweilandKOhl

    Wer genügend Atem hat soll Zalando einfach aussitzen. Die geben zwar nicht auf - da müssten ja hochrangige "Manager" Fehler zugeben. Aber Zalando wird sich in 2 Jahren anders präsentieren als heute.

  • 21.01.2013, 19:48 UhrNaseVoll

    Fragt man im Laden, warum es das oder jenes nicht gibt, heißt es: „Darauf haben wir überhaupt keinen Einfluß.. Das wird von ganz oben entschieden.. Wir wissen, daß die Kunden danach schon ganz oft gefragt haben .. Was wir (Verkäuferinnen) vom Kunden weitergeben, interessiert keinen.“

    Jede Verkäuferin von Hamburg bis München bestätigt das.

    Der klassische Verkauf bekommt nun die Folgen seiner schon seit langem bekannten Arroganz gegenüber Kunden zu spüren: Der Kunde hat in deren Selbstverständnis nämlich zu kaufen, was diktiert wird. Wenn die Röcke kurz sind, hat er nicht nach mittellangen Röcken zu fragen. Basta. Wenn die Schuhabsätze in ganz Deutschland idiotischerweise zwischen 8 cm und 16 cm hoch sind, dann hat der Kunde nicht nach 4,5 cm hohen (also tragbaren) Absätzen zu fragen. Es wird das getragen, was im Laden steht und was sich der Modeschöpfer mit rosa-Hemd beim Koksen ausgedacht hat und was die Schnösel im Einkauf bestellen. Man geht lieber pleite, als die Verkäuferinnen oder gar den Kunden zu befragen. Zettelkästen mit Kundenmeinungen sind selten oder interessieren nicht. Es gilt die Devise „Gibs nich, ham wa nich, unmodern, füan wa nur bis 38“ (obwohl die Kundschaft überhaupt erst ab 38 aufwärts richtig Geld hat, nicht hingegen die gackernden 900g-Hühner)“.

    Kunden lassen sich nicht erziehen, wollen nicht auch noch beim Einkaufen (wie früher in China) mit politischen Nachrichten und mit irgendwelchem Musikgegröle beschallt werden, um dann noch an der Kasse ein politisches Projekt wie „Fair Play, Aufrunden bitte.. usw.“ mitzumachen.

    Nun kommt durch den Onlinehandel die verdiente Quittung. Online ist nahezu alles besser, billiger, ruhiger, einfacher, bequemer, vielfältiger, und niemand beschallt den Kunden mit Politik und primitivem Gegröle.

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