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Schuldenkrise: Euro-Finanzminister verlieren sich im Geschacher

von Tim Rahmann

Nach der erneuten Griechen-Rettung forderten beim Treffen der Euro-Finanzminister wenig überraschend auch Portugal und Irland einen Rabatt. Es zeigt sich: Jeder in Euro-Land denkt nur noch an sich. Eine spannende Personalie ging in dem Gefeilsche fast unter.

„Die Rettungsschirme laufen aus. Das haben wir klar vereinbart“

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble versicherte in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im Juli 2010, dass die Rettungsschirme nicht von Dauer sein werden. Inzwischen ist klar: Der Euro-Rettungsschirm EFSF wird zwar abgelöst, aber ersetzt durch den permanenten Rettungsschirm ESM.

Bild: dpa

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Was für seine Bürger gilt, gilt längst nicht für die Mitgliedsländer der Europäischen Staatengemeinschaft. „Die Union achtet (…) den Grundsatz der Gleichheit ihrer Bürgerinnen und Bürger, denen ein gleiches Maß an Aufmerksamkeit seitens der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union zuteil wird“, heißt es in Artikel 9 im „Vertrag von Lissabon“, dem EU-Grundlagenvertrag, den alle 27 EU-Staaten unterzeichneten. Gut, dass Staaten ausdrücklich nicht im Verfassungstext erwähnt werden, sonst würden sich die Euro-Retter noch juristischen Ärger einhandeln. Denn nicht erst seit vergangenem Dienstag – jenem Tag, an dem die Euro-Finanzminister und der Internationale Währungsfonds (IWF) dem maroden Griechenland mit einem Bündel an Maßnahmen und geldpolitischen Tricks weitere Milliardenhilfen zusagten – weiß ein jeder Europäer: Gleichbehandlung unter den Mitgliedsstaaten gibt es seit dem Ausbruch der Schuldenkrise nicht mehr.

Deutschland darf zwar als größter Finanzier der Rettungsschirme zahlen, doch Widerspruch in Rettungsfragen ist unerwünscht. Griechenland bekommt Zinserlass auf Zinserlass, Irland und Portugal hingegen nicht. Der Regierung in Lissabon und Dublin stößt das Übel auf. Portugals Finanzminister Vítor Gaspar forderte beim Treffen der Euro-Finanzminister am Montagabend wenig überraschend, die gleichen Rechte und Pflichten bei der Rückzahlung der Kredite zu bekommen, sprich: ebenfalls bessere Kreditkonditionen zu erhalten.

Griechenlands neues Sparprogramm

  • Damit will Griechenland 13,5 Milliarden Euro sparen

    Griechenland will mit dem neuen Sparprogramm die Staatshaushalte um 13,5 Milliarden Euro bis Ende 2014 entlasten. Weitere 3,4 Milliarden Euro sollen anschließend bis 2016 eingespart werden. Renten und Löhne werden drastisch gekürzt, das Rentenalter wird angehoben und Staatsbedienstete sollen entlassen werden. Das Paket ist eine der Voraussetzungen für die Zahlung weiterer Hilfen an das pleitebedrohte Land. Die wichtigsten Maßnahmen im Einzelnen:

    (Quelle: dpa)

  • Kürzungen bei den Rentnern

    Die Rentner müssen mit Kürzungen um fast 4,8 Milliarden Euro rechnen. Alle Renten von 1.000 Euro aufwärts werden um fünf bis 15 Prozent gesenkt. Das Weihnachtsgeld für Rentner wird abgeschafft; es war bereits von einer Monatsrente auf 400 Euro gekürzt worden. Die Gewerkschaften rechneten aus, dass damit die Rentner im Durchschnitt 2.000 Euro im Jahr verlieren werden.

  • Abfindungen

    Die Abfindungen für entlassene Arbeitnehmer werden drastisch gesenkt. Arbeitgeber dürfen Verträge mit jedem einzelnen Arbeitnehmer schließen. Damit werden praktisch Tarifverhandlungen umgangen.

  • Staatsbedienstete

    Auch den Staatsbediensteten werden die jeweils verbliebenen 400 Euro vom Weihnachtsgeld sowie vom Urlaubsgeld gestrichen. Viele Löhne und Gehälter sollen um sechs bis 20 Prozent verringert werden. Bis Ende 2012 sollen 2.000 Staatsbedienstete in die Frühpensionierung gehen oder entlassen werden. Bis zum Eintritt des Rentenalters erhalten sie dann 60 Prozent ihres letzten Gehalts.

  • Gesundheitswesen

    Im Gesundheitswesen sollen 1,5 Milliarden Euro eingespart werden. Unter anderem sollen die Versicherten sich mit höheren Eigenbeiträgen beim Kauf von Medikamenten beteiligen. Zahlreiche Krankenhäuser sollen schließen. Andere sollen sich zusammenschließen.

  • Gehälter

    Die Gehälter der Angestellten der öffentlich-rechtlichen Betriebe, wie beispielsweise der Elektrizitätsgesellschaft (DEI), sollen denen der Staatsbediensteten angeglichen werden. Dies bedeutet für die Betroffenen nach Berechnungen der Gewerkschaften bis zu 30 Prozent weniger Geld.

  • Kindergeld

    Familien, die mehr als 18.000 Euro im Jahr verdienen, haben keinen Anspruch auf Kindergeld mehr.

  • Rentenalter

    Das Rentenalter wird für alle von 65 Jahre auf 67 Jahre angehoben.

  • Weitere Maßnahmen

    Weitere Details des Sparprogramms sollen mit Gesetzen geregelt werden, die in den kommenden Monaten gebilligt werden sollen.

Gaspar verwies auf den Gipfel im Juli des vergangenen Jahres, auf dem die Euro-Länder explizit festgelegt hatten, Ländern mit Hilfsprogrammen dieselben Konditionen anzubieten. Das Prinzip der Gleichbehandlung bei Zinsen und Rückzahlungsfristen müsse auch für Portugal und Irland gelten, machte Gaspar bereits vor dem Treffen mit seinen Amtskollegen deutlich. Auch der irische Finanzminister Michael Noonan kündigte am Montag an, einzelne Erleichterungen für Griechenland darauf prüfen zu wollen, ob diese auch auf Irland übertragbar wären. Schäuble warnte eindringlich davor: Dublin versuche gerade schrittweise wieder an den Markt zurückzukehren. Sollte nun auch das Land sein Programm nachverhandeln wollen, wäre das ein "verheerendes Signal" für die Märkte.

Die Euro-Länder hatten vergangene Woche den Zins, den Griechenland auf den EFSF-Kredit zahlt, um 0,1 Prozentpunkte gesenkt. Zudem muss das Land zehn Jahre lang gar keine Zinsen zahlen. Der Zinssatz auf EFSF-Kredite liegt zurzeit beim üblichen Marktzins, also 1,5 bis 2,0 Prozent im Jahr. Seit Mai vergangenen Jahres erhält Portugal Geld aus dem EFSF-Rettungsschirm, insgesamt 78 Milliarden Euro. Irland wurden als ersten Hilfsempfänger im November 2010 gar 85 Milliarden Euro aus dem Notfallfonds zugesagt.

Grafik Staatschulden Portugals
Klicken Sie auf die Grafik, um eine vergrößerte Ansicht zu erhalten

Doch die Forderung der Atlantik-Anrainer nach einem niedrigeren Zinssatz für ihre Hilfskredite wurden von den Euro-Partnern abgebügelt. Niemand in der Währungsunion hat Lust, noch weitere Kosten zu schultern. Zumal auch die maroden spanischen Banken Finanzspritzen von 39,5 Milliarden Euro aus dem Euro-Rettungsschirm erhalten, wie das Ecofin-Treffen beschloss. Die Hilfen sollen Mitte kommender Woche fließen. Madrid hatte zuvor offiziell die Darlehen beantragt, die bereits im Juli pauschal in Aussicht gestellt wurden. Spanien hat damit gut gepokert und zunächst sein Ziel erreicht, nicht komplett unter den Rettungsschirm flüchten zu müssen - und harte Auflagen der Troika gestellt zu bekommen.

7 KommentareAlle Kommentare lesen
  • 04.12.2012, 13:47 UhrExmatrikulator

    Jeder Ökonomiestudent muss sich schon im Grundstudium mit dem Gefangenendilemma und dem Spannungsfeld innerhalb von Kartellen auseinandersetzen.
    Es läuft quasi IMMER auf das Gleiche hinaus: wenn ein Teilnehmer sich einen persönlichen Vorteil verschafft, steht er besser oder weniger schlecht als die anderen da. Unabhängig davon, ob die anderen Teilnehmer dies auch tun. Unabhängig davon, dass es für ALLE Teilnehmer eine bessere Lösung gäbe, wenn sich nicht jeder Teilnehmer individuell einen Vorteil verschafft.
    Es kommt in einer solchen Gemeinschaft also zwangsläufig zu einem suboptimalen Ergebnis. Dieses kann nur verhindert werden, indem intelligente, wirksame und von allen Teilnehmern befolgten Verträge dies verhindert. Auch, indem sie Fehlverhalten sanktionieren.
    Da unsere Regierenden jedoch überwiegend aus Lehrern, Theaterwissenschaftlern ohne Abschluss, Kindergärtnern, Juristen, Ärzten, Physikern besteht, ist es kein Wunder, dass dieses kaufmännische „Naturgesetz“ unbekannt ist.
    Es KANN also gar nicht überraschen, dass die EU derzeit so aus dem Ruder läuft. Natürlich werden es die Griechen weiter versuchen. Natürlich werden auch die anderen PIGS mindestens die gleichen Annehmlichkeiten einfordern. Völlig wurscht, dass die EU dabei insgesamt vor die Hunde geht. Das einzige, was dem hätte Einhalt gebieten können – Verträge, die eingehalten werden – ist nurmehr pure Makulatur.
    Und so ist Deutschland offensichtlich der einzige Teilnehmer, der noch immer an einen harmonischen und guten Ausgang aus der Misere glaubt – während die anderen Teilnehmer die EU ruinieren und damit auch unser Land beschädigen.

    EU, das war eine phantastische Idee. Aber ebenso unrealistisch wie „Weltfrieden“ im Allgemeinen. Nie hatte die EU besser funktioniert, als ein intelligentes Rahmenskonstrukt die EU-Länder koordinierte, jedes Land aber eigenverantwortlich mit eigener Währung und eigener Wirtschaftskultur eigenständig war.

    Lasst uns dahin zurückkehren, bevor es endgültig zu spät ist!

  • 04.12.2012, 12:54 Uhrsteuerhilfe.net

    Beim deutschen Steuerzahler/Sparer/Rentner sind noch um die 10 Billionen Baumwolleuros zu holen, die Südschiene um Frankreich wird nicht er ruhen, bis dieses Geld an sie verteilt wurde und der deutsche Michel wird dieses sicherlich nicht mal richtig mitbekommen wie er enteignet wird.

    Also vorwäts, auch du musst deinen Beitrag zur Gründung der EUDSSR leisten.

  • 04.12.2012, 12:43 UhrPequod

    Portugal und Irland und alle zukünfigen Kandidaten der
    ESM ( Euorpäischen Sozialistischen Machtergreifung ) be-
    kommen die Griechenlandbedingungen in abgewandelter Form,
    das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, womit der
    befürchtete Dominoeffekt komplettiert wäre!

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