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Schuldenkrise: Spaniens tiefer Fall

von Anne Grüttner

Standard & Poor's hat die Kreditwürdigkeit des Landes um zwei Stufen abgesenkt. Damit steht Spanien nur noch eine Stufe über Ramsch-Niveau. Dabei hielt sich das Land noch 2008 für krisenresistent.

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Man schrieb das Jahr 2008, die US-Investmentbank Lehman Brothers hatte kurz zuvor die Insolvenz beantragt und damit den Höhepunkt der internationalen Finanzkrise markiert. Banken in den USA, in Großbritannien, Deutschland oder Frankreich taumelten und brauchten milliardenschwere Kapitalinjektionen von ihren Staaten. Nur Spaniens damaliger Premier José Luis Rodríguez Zapatero war guter Dinge. „Spanien“, so Zapatero damals, „hat vielleicht das solideste Finanzsystem der Welt.“ Das sei vor allem der spanischen Bankenaufsicht zu verdanken, deren „Aufsicht und Regulation international anerkannt ist.“ 

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Heute wird Zapatero mit dieser gewagten Äußerung, die mittlerweile von der Realität Lügen gestraft wurde, immer mal wieder gern zitiert und natürlich mit einigem Hohn bedacht.

Damals aber hatten die - wenn auch übertriebenen - Lobeshymnen auf das spanische Bankensystem durchaus eine gewisse Basis. Spanische Banken hatten nicht wie ihre Kollegen in Großbritannien oder Deutschland in US-Ramschpapiere investiert, mussten entsprechend kaum Abschreibungen leisten. Ihr Geschäftsmodell beschränkt sich bis heute im wesentlichen auf die klassische Vergabe von Krediten und die Annahme von Kundeneinlagen. Mit diesem System hatten sie in den Jahren des kreditfinanzieren Immobilienbooms prächtig verdient. Sie brauchten kein Investment-Banking und keine US-Subprime-Papiere, um hohe Gewinne einzufahren.

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Zwar nahm damals, im Herbst 2008, auch in Spanien schon das Unheil seinen Lauf, in Form der heimischen Immobilienkrise. Die Immobilienpreise hatten 2007 ihren Höhepunkt erreicht, nachdem sie in den fünf Jahren zuvor jährlich im Schnitt um 30 Prozent in die Höhe geklettert waren. Nun begannen sie zu fallen. Die Vertrauenskrise im gesamten internationalen Bankensystem, die auch für spanische Banken den Zugang zu Liquidität auf dem Interbankenmarkt oder dem Kapitalmarkt sehr erschwerte und verteuerte, heizte die spanische Immobilienkrise zusätzlich an. Weil der Kredit plötzlich eingeschränkt wurde, kam die Nachfrage nach Immobilien ebenso zu einem abrupten Stopp wie die Bautätigkeit. Vor allem letzteres ließ Arbeitslosigkeit in Spanien innerhalb kürzester Zeit in die Höhe schnellen.

Platz 10: Bulgarien

16 von 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bekommen mehr Geld aus Brüssel, als sie in die Gemeinschaftstöpfe einzahlen. Der zehntgrößte Nettoempfänger der EU ist Bulgarien. Das Land kann die Hilfe gut gebrauchen. Das osteuropäische Land weist das niedrigste BIP je Einwohner auf und hat eine der höchsten Armutsquoten. 2010 erhielt die Regierung in Sofia 895 Millionen Euro mehr als es nach Brüssel überwies, um die Lebensbedingungen an den EU-Durchschnitt anzupassen. Es ist ein langer Weg.

Quelle: „Die Finanzierung der Europäischen Union“, Bertold Busch.

Bild: dpa/dpaweb

Ende 2008 fiel die spanische Wirtschaft in die Rezession, 2009 schrumpfte das BIP um insgesamt 3,7 Prozent. Die hochverschuldeten Bau- und Immobilienunternehmen konnten ihre Kredite nicht mehr bezahlen, der Anteil fauler Kredite nahm schnell zu – allerdings ausgehend von einem extrem niedrigen Niveau (0,6 Prozent Ende 2007).

Das alles stellte für das Bankensystem insgesamt zunächst keine ernsthafte Bedrohung dar. Denn die Banken verfügten dank der vielen fetten Jahre und dank der vorsorglichen Aufsicht der Banco de Espana über ein großes Kissen aus „antizyklischen Rückstellungen“. Das sind Reserven, welche die spanischen Banken während der Boomjahre von den Gewinnen abzweigen mussten, um sich für magere Zeiten zu wappnen. Das hätte auch funktioniert, sofern es bei ein oder zwei Jahren Krise mit dem entsprechenden Anstieg der Arbeitslosigkeit, Verfall der Immobilienpreise und Anstieg der Firmenpleiten geblieben wäre.

5 KommentareAlle Kommentare lesen
  • 11.10.2012, 15:50 UhrEuroMonsterMann

    Man sollte ja auch einmal an die Ursprünge diese Währungsunion denken. Im Jahre 1990 soll es ja gewesen sein, alternativlos. Wenn Mauern fallen, kommt der Währungssozialismus! Wer hätte das gedacht.

  • 11.10.2012, 14:32 Uhrpivoine

    @berkmann:
    Die "Wahlalternative 2013" könnte eine brauchbare Bewegung sein: http://www.wa2013.de/index.php?id=198

  • 11.10.2012, 13:29 Uhrsteuermichl

    Diese aktuelle Abwertung der span. Papiere ist doch vom Markt längst eingepreist. Die EZB ist bei den 10-jährigen schon längst voll in die Preisbildung integriert, und wer weiß ob der Dax nicht auch schon an dieser Geldspritze hängt. Es interessiert doch momentan mehr, ob die EZB weiter interveniert und wenn ja, wie intensiv. Das das gesamteuropäische Wirtschaftsmodell gescheitert ist, sieht der Beobachter allein daran, daß Luxemburg 2,8 Billionen Euro verliehen hat und die privaten (Bank-) Schulden der spanischen Banken bei 9,2 Billionen liegen. Da fungiert ein ESM als Handfeuerlöscher für eine in Brand geratene Tankstelle.

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