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Jeroen Dijsselbloem: Niederländischer Neuling soll den Euro retten

von Tim Rahmann

Jeroen Dijsselbloem wird am Montag aller Voraussicht nach zum Chef der Euro-Gruppe ernannt. Wie glaubwürdig ist ein Finanzminister, der kaum Erfahrung hat und dessen Land die Maastricht-Kriterien auch 2013 verfehlen wird?

Reiche Königin

Königin Beatrix gilt als eine der reichsten Niederländerinnen. Es wird immer wieder behauptet, dass sie ein großes Aktienpaket an dem Konzern britisch-niederländische Öl-Konzern Royal Dutch Shell hält. Offizielle Angaben über die Vermögenswerte der Königsfamilie gibt es nicht.

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Das Anforderungsprofil ist überschaubar: Der Vorsitzende der Euro-Gruppe müsse aus einem Land mit Triple-A-Rating kommen, findet Österreichs Finanzministerin Maria Fekter. Und er müsse gut zuhören können, sagt der bisherige "Mr. Euro" Jean-Claude Juncker. Beide Eigenschaften erfüllt der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem. Trotz Reformstau und wachsender Verschuldung sind die Niederlande laut Ratingagenturen noch uneingeschränkt kreditwürdig. Bekannt sei auch, so Juncker, dass Politiker aus kleineren Staaten die „größeren Ohren“ hätten. Folglich läuft alles auf den 46-jährigen Sozialdemokraten aus Eindhoven hinaus. Bereits am Montag, beim Treffen der Euro-Finanzminister, soll Vollzug vermeldet werden. "Ich werde mit meinem Nachfolger wahrscheinlich in einer Benelux-Sprache darüber sprechen, was er meiner Meinung nach tun sollte", sagt Juncker.

Ernst, tüchtig und etwas spießig

Dijsselbloem ist studierter Agrarökonom, der lange im Bildungsministerium arbeitete und erst seit November 2012 Finanzminister ist. Er gilt als zurückhaltend, tüchtig, ernst – und etwas spießig. 2007 nannte er Musiksender wie MTV frauenfeindlich und sexistisch. Als Parteifreunde ihn rieten, bei TV-Interviews nicht immer so grimmig zu gucken, erwiderte er: „Wenn ich über ein ernstes Thema rede, gucke ich auch ernst.“

Das ist Jeroen Dijsselbloem

  • Langer Name

    Der niederländische Finanzminister heißt mit vollem Namen: Jeroen René Victor Anton Dijsselbloem. Er wurde am 29. März 1966 in Eindhoven geboren.

  • Mister Normen und Werte

    Dijsselbloem ist in einer katholischen Lehrerfamilie aufgewachsen. Er gilt als werte-konservativ. Seit seiner Attacke auf die Musiksender, die seiner Meinung nach sexistisch sind, wird er in den Niederlanden „Mister Normen und Werte“ genannt.

  • Mit 26 Jahren nach Brüssen

    1992 wurde Jeroen Dijsselbloem Mitglied der Delegation der Partei der Arbeit (PvdA) im Europäischen Parlament in Brüssel. Ab 1992 war er drei Jahre lang Referent für Raumordnungspolitik (Umwelt, Landwirtschaft, Natur) der PvdAFraktion im niederländischen Abgeordnetenhaus. Später kümmerte er sich um die Themen Bildung und Jugendhilfe.

  • Wahlsieg 2012 verpasst

    Bei den Neuwahlen des niederländischen Parlaments im Herbst 2012 wurden die Sozialdemokraten die zweitstärkste Kraft. Im Wahlkampf sah es lange so aus, als könnte die PvdA gar stärkste Fraktion werden und den Ministerpräsidenten stellen. Doch am Ende reicht es mit 24,84 Prozent der Stimmen nur zum zweiten Rang. 

  • Die Iren freuen sich

    Irland freut sich auf die wahrscheinliche Ernennung von Jeroen Dijsselbloem zum neuen Chef der Eurogruppe. „Unser niederländischer Kollege scheint bereit, willens und fähig zu sein, das Amt zu führen“, sagte Irlands Finanzminister Michael Noonan. „Wir haben einige Verbindungen mit dem niederländischen Finanzminister“, meinte Noonan augenzwinkernd, „er hat seinen Universitätsabschluss in Cork gemacht“.

Als Chef der Euro-Gruppe muss er sich öffnen. Der zweifache Familienvater wird nicht nur die Spitzentreffen der Finanzminister koordinieren und inhaltlich vorbereiten, sondern auch zwischen den Mitgliedsländern vermitteln müssen. Sparbefürworter und Spargegner stehen sich seit Monaten gegenüber. Kann ausgerecht Dijsselbloem mit seiner Unerfahrenheit in politischen Spitzenämtern hier helfen?

„Es kann durchaus von Vorteil sein, frisch und unverbraucht an diese Aufgabe heranzugehen“, sagt Axel Gerberding, Geschäftsführer der Deutsch-Niederländischen Handelskammer in Den Haag. "In den Niederlanden traut man ihm viel zu. Nun muss er zeigen, was er kann." Daheim sorge man sich nicht um die fehlende Erfahrung, fürchtet aber, dass die Doppelbelastung aus Euro-Gruppenchef und niederländischem Finanzminister zu Lasten der Niederlande geht, berichtet Gerberding. Denn Dijsselbloem wird in Den Haag gebraucht, wo er dringend die Haushaltsprobleme in den Griff bekommen muss.

Der Sozialdemokrat gibt sich zwar als Sparfuchs und Verfechter des Sparprogramms, das im Winter beschlossen wurde und Einsparungen von 16 Milliarden Euro in den nächsten vier Jahren vorsieht. Allerdings bleiben die Niederlande dennoch weiter tief im Minus – und weit entfernt von einer Vorbildfunktion.

4 KommentareAlle Kommentare lesen
  • 16.01.2013, 13:26 UhrSam

    Die Hoffnung auf Jeroen Dijsselbloem ist leider vergeblich.
    Mit Wim Duisenberg als EZB Präsident hat die Euro-Währungsunion in der Anfangszeit eine außerordentlich solide Geldpolitik erlebt.
    Jeroen Dijsselbloem mag eine ähnlich geradlinige integre Persönlichkeit sein die alles in ihrer Macht stehende zum Besten Europas unternimmt.
    Aber wie im Artikel beschrieben stehen sich innerhalb der EU Sparbefürworter und Spargegner gegenüber, Haushaltsdisziplin gegen Keynesianismus.

    Seit Trichets Präsidentschaft ist die EZB nicht mehr das unabhängige Stabilität-Organ das es sein sollte.
    Unter Trichet und auf druck Frankreichs begann die Staatsfinanzierung durch die Notenpresse.
    Mit der Bankenunion deren Regeln Wachs-Weich formuliert sind (siehe Stellungnahme im 'Plenum der Ökonomen') erschließt sich eine weitere Möglichkeit Geld um zu verteilen und Deutschland zu 'Melken'.
    Es war auch Frankreich das die Aufnahme der Südländer in die Währungsunion forcierte um seine Position gegenüber Deutschland zu stärken.
    Nicht zuletzt bestand Frankreichs Ambition darin mit der Euroeinführung die Vormacht der Bundesbank innerhalb Europas zu brechen.
    Zusammen mit den französisch dominierten IWF hat Frankreich alle Hebel in der Hand um solide Geldpolitik zu unterminieren.

    So lange in Frankreich kein fundamentales Umdenken statt findet, weg von sozialistischen Vorstellungen zur Wirtschaft, ist innerhalb der gegenwärtigen Grenzen der Währungsunion kein solides Wirtschaften möglich.
    Doch anstatt Wirtschaftsreformen an zu gehen konzentriert sich Hollande erst mal auf billigen Populismus und Krieg führen.
    Das mindeste wäre das sich Deutschland effektiv zu wehren beginnt. Doch auch mit der Bankenunion hat sich Merkel über den Tisch ziehen lassen.

  • 16.01.2013, 08:15 UhrHaafJohannes

    Treffend beobachtet. Der Euro verhindert eine gute Entwicklung in Europa, er treibt einzelne Länder zur Massenarbeitslosigkeit, fördert Verarmung breiter Massen und bringt Kaufkraftverlust auch für erfolgreiche Länder im Euro, vom Abbau sozialer Errungenschaften und der Demokratie in Europa brauche ich nicht zu reden.
    Es braucht deshalb dringend eine veränderte Europolitik, mit der Möglichkeit, dass einzelne Länder austreten und einen Schuldenschnitt machen, aber nicht auf Kosten der Steuerzahler, sondern der Investoren, die bewusst ein Risiko eingegangen sind. Die Schuldenspirale weiter nach oben zu drehen durch Vergemeinschaftung der Schulden in Europa, dies ist kein Weg zu Frieden und Gerechtigkeit, sondern im Gegenteil, diese Politik wird zu Unfrieden in Europa führen. Deshalb braucht es in Deutschland eine Wahlalternative: www.wa2013.de - Nur eine Veränderte Politik kann den jetzt schon entstandenen Schaden begrenzen.

  • 16.01.2013, 07:53 UhrMatthes

    Die Interessen sind zu unterschiedlich, die Differenzen zu groß. Und ein Neuling wird Goldman Sachs hörig bleiben, das heisst, der Euro wird weiter auf Schulden am Leben gehalten! Unter "Retten" stelle ich mir etwas anderes vor. Aber die Chancen sind in dieser Organisation vorbei!

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