- Bild: dpa
Machtwechsel in der FDP?
Viele Parteimitglieder geben ihm die Schuld: Dem Parteivorsitzenden Philipp Rösler. Seit Wochen schon wird darüber diskutiert, ob Rösler nach einem niedersächsischen Wahldebakel zurücktritt. Noch am Freitag vor der Wahl bezweifelte dies FDP-Bundestagsfraktionsvorsitzender Rainer Brüderle. Allerdings fordert er, dass der kommende Parteitag vorgezogen wird – an dem auch die Wahl zum Parteivorsitzendem ansteht. Bisher ist der Parteitag für Mai 2013 geplant. Rainer Brüderle werden gute Chancen zugerechnet Rösler abzulösen.
- Bild: dpa
Rösler: Vom Hoffnungsträger zum Buhmann
Rösler kommt nach den Wahlniederlagen im Frühjahr 2011 zum Zug: Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg: Die FDP kassiert gleich drei krachende Wahlniederlagen. In Mainz fliegen die Liberalen nicht nur aus der Regierung, sondern auch aus dem Landtag. Sie bekommen nur noch 4,2 Prozent der Stimmen, 3,8 Prozent weniger als fünf Jahre zuvor. Auch in Sachsen-Anhalt ist für die FDP kein Platz im Parlament, die Partei scheiterte mit 3,8 Prozent klar an der Fünf-Prozent-Hürde. In Baden-Württemberg fällt die FDP von 10,7 auf 5,3 Prozent. Grün-Rot übernimmt die Macht.
Damaliger Buhmann ist Röslers Vorgänger Guido Westerwelle, der von seinem Amt zurücktritt.
- Bild: dapd
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler wird am 13. Mai in Rostock mit 95,1 Prozent der Stimmen zum neuen FDP-Vorsitzenden gewählt. „Ab heute wird die FDP liefern“, kündigt er in seiner Antrittsrede an.
- Bild: dpa
Trotz Führungswechsels verharren die Liberalen im Umfragetief. Die FDP startet einen Verzweiflungsversuch, um die Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern zu ihren Gunsten zu entscheiden: Sie macht auf Wahlplakaten Stimmung gegen die Einführung von Eurobonds. Der Erfolg bleibt aus, die FDP verliert 6,8 Prozent und fliegt aus dem Landtag.
- Bild: dapd
In Berlin folgt das nächste Fiasko. Die FDP holt gerade einmal 1,8 Prozent der Stimmen zum Berliner Abgeordnetenhaus und liegt damit hinter der NPD und nur knapp vor der Tierschutzpartei.
- Bild: dpa
Rösler beteuert anschließend, dass die FDP ihren europäischen Kurs nicht verlassen wolle und beharrt darauf, dass eine „geordnete Insolvenz“ Griechenlands eine Option bleiben müsse. Gehört wird der Parteivorsitzende nicht, die Euro-Rettung wird von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Brüssel gestaltet. Die FDP trägt ihre Rettungspläne mit, die Basis murrt.
Eine Gruppe um den FDP-Abgeordneten Frank Schäffler sammelt mehr als 3500 Unterschriften von Parteimitgliedern und erzwingt damit einen Mitgliederentscheid zum Europa-Kurs der Liberalen. Die Euro-Rebellen um Schäffler wollen die FDP in dem Entscheid gegen den Willen der FDP-Führung um Rösler auf ein Nein zum geplanten Euro-Rettungsfonds ESM festlegen.
- Bild: dpa
Der Entscheid stiftet Unruhe in der Partei. Die Initiatoren werfen der Parteispitze Behinderung vor. Rösler und Lindner ziehen heftige Kritik auf sich, als sie vor Ablauf des Entscheids öffentlich die Erwartung äußern, dass die nötige Mindestbeteiligung von einem Drittel der Mitglieder verfehlt werde.
- Bild: dpa
Fehlende Loyalität von den Parteigrößen Rösler, Brüderle und Westerwelle sowie der Ärger um den Mitgliederentscheid zum Euro-Kurs: FDP-Generalsekretär Christian Lindner tritt zurück. Auch Philipp Rösler gerät zunehmend in die Kritik.
- Bild: dpa
Patrick Döring folgt auf Lindner, doch auch zu Beginn des Jahres 2012 stolpert die FDP von einer Verlegenheit in die andere - auch weil der von FDP und CDU/CSU gewählte Bundespräsident Christian Wulff im Zuge seiner Kredit-Affäre dem Ansehen des Amtes schadet. Philipp Rösler holt zum Paukenschlag aus: Er prescht...
- Bild: dapd
... bei der Suche nach einem neuen Bundespräsidenten vor und schlägt - wie auch SPD und Grüne - Joachim Gauck für das höchste Amt im Staate vor. Die Kanzlerin ist düpiert, doch in der Wählergunst macht die FDP keinen Sprung. Rösler hat sich verzockt. Denn das Verhältnis zur CDU ist nun beschädigt, für die Liberalen dürfte es in der Regierung fortan noch schwerer werden, Gehör zu finden.
Am Samstagmorgen, wenige Stunden vor Beginn des FDP-Parteitags, flatterten drei verirrte Tauben durch die Halle in Karlsruhe. Weiße Tauben, Friedenstauben also. Das ging natürlich nicht. Fachkräfte rückten an, um die Vögel mit elektromagnetischen Strahlen ins Freie zu geleiten. Kaum waren die Symbole des Friedens vertrieben, konnten die Beratungen beginnen.
Die laufenden Wahlkämpfe in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen erforderten, dass die dortigen Spitzenkandidaten längere Grußworte sprechen durften. Das war insofern pikant, als beide in den vergangenen Monaten heftige Probleme mit dem Parteichef Philipp Rösler hatten. Der erfahrene Wolfgang Kubicki hatte dessen programmatische Idee, die FDP als Partei des Wachstums zu definieren, flott verspottet: Er könne sich nichts darunter vorstellen und frage sich, was das heißen solle – „Kinderwachstum, Haarwachstum“. Und Christian Lindner war vor einigen Monaten als Generalsekretär Röslers zurückgetreten, weil er wegen Patzern des Chefs und wachsender atmosphärischer Störungen das Vertrauen verloren hatte. Warum die Parteitagsregie die beiden direkt vor die Rede des Chefs platzierte, wird ihr Geheimnis bleiben, denn so entstand genau jener Dreikampf, der zwar für die Medien fein, für den gebeutelten Rösler aber äußerst misslich war.
Den Auftakt machte Kubicki, der nach einer anfänglichen Solidaritätsadresse an Rösler und dem Bekenntnis neuer Freundschaft – „seit gestern Abend sagen wir Wolfgang und Philipp zueinander“ – das Bild einer sozialliberalen FDP zeichnete, das sich deutlich von den Vorstellungen des Bundeswirtschaftsministers unterschied. Er forderte nichts weniger, als dass sich die FDP „als Partei neu besinnt, neu findet und neu ordnet“. Und er machte deutlich, in welche Richtung das gehen sollte: Für das bislang nicht eingelöste Versprechen eines einfachen, niedrigen und gerechten Steuersystems genüge es doch, bei der Mehrwertsteuer alle Ausnahmen zu streichen und dafür einen einheitlichen Satz von nur noch 16 Prozent zu beschließen. Und um in der Einkommensteuer die Glättung des Mittelstandsbauches und die Milderung der kalten Progression zu erreichen, sollte der Spitzensteuersatz für Einkommen ab 250 000 Euro (und 500 000 für Verheiratete) heraufgesetzt werden. Das verlangt nicht nur die SPD, sondern auch Teile der CDU hätten dafür Sympathie.
- Seite 1: Rösler und die Freiheit der Andersdenkenden
- Seite 2: Drei Richtungsentscheidungen für NRW
- Seite 3: Umsetzung der Pläne bleibt im Dunkeln