Wenn Wolfgang Prock-Schauer seinen Ruf als etwas farbloser, aber am Ende doch hochentschlossener Manager festigen will, dann hat er heute den richtigen Schritt getan. Kaum eine Woche im Amt präsentierte der 56-Jährige erste Details zum neuen Sparprogramm Turbine. Das Paket unter dem Motto „Lean & Smart“ ist ein komplett schnörkelloses Unterfangen und mit das radikalste Programm, dass sich derzeit eine Fluglinie verordnet.
Im 'leanen' Schlankheitsteil sollen die Kosten bis 2014 um 400 Millionen Euro oder fast zehn Prozent vom Umsatz sinken. Dafür sollen 900 der gut 4.300 Mitarbeiter gehen und die Flotte von heute 158 auf 136 aktive Flugzeuge schrumpfen. Im 'smarten' Teil verspricht die Linie eine neue Ausrichtung und Service mit mehr Selbstbedienung und neue Angebote „dem gewissen Extra.“
Die wichtigsten Stationen von Wolfgang Prock-Schauer
Austrian Airlines
Wolfgang Prock-Schauer, 56, startete seine Karriere in den frühen 1980er Jahren bei der heutigen Lufthansa-Tochter Austrian Airlines.
Jet Airways
2003 wurde er Chef der indischen Fluggesellschaft Jet Airways und brachte sie zwei Jahre später an die Börse.
British Midland (BMI)
Bei der Lufthansa versuchte Prock-Schauer ab 2009 vergeblich, deren damalige Tochter British Midland (BMI) in die schwarzen Zahlen zu hieven. Anfang 2012 wurde BMI an die British-Airways-Mutter International Airlines Group (IAG) verkauft.
Air Berlin
Im Oktober 2012 wechselte Prock-Schauer zu Air Berlin. Er sieht das Unternehmen vor „großen Herausforderungen“. Für die anstehenden Veränderungen kündigte er ein hohes Tempo an.
Das ist angesichts der dramatischen Finanzen auch bitter nötig. Auch wenn die Linie dank einer weiteren Geldspritze der Mutter Etihad das vergangene Jahr mit einem Gewinn abschloss: Die Verluste aus dem reinen Fluggeschäft liegen in diesem Jahr wahrscheinlich bei geschätzten 140 Millionen Euro.
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Air Berlin
Ex-Air-Berlin-Chef Hartmut Mehdorn hat das Sparprogramm "Turbine 2013" als Ergänzung zum bereits laufenden Paket "Shape & Size" noch aufgelegt. Sein Nachfolger Wolfgang Prock-Schauer nannte jetzt Details. Bis 2014 sollen die Kosten um 400 Millionen Euro oder fast zehn Prozent vom Umsatz sinken. Dafür sollen 900 der gut 4.300 Mitarbeiter gehen und die Flotte von heute 158 auf 136 aktive Flugzeuge schrumpfen.
Allein 2012 wollte Mehdorn mit "Shape & Size" schon 230 Millionen Euro einsparen. Erreichen wollte der Ex-Bahn-Manager das unter anderem über höhere Ticketpreise und die Verkleinerung der Flugzeugflotte von 170 auf 152 Flieger. Dazu wurden bereits einige Routen gestrichen. Einsparungen sieht die Airline auch in Sachen Selbstbedienung: Durch eine verstärkte Nutzung des E-Check-in an Automaten oder das Online-Check-in soll die Selbstbedienung der Kunden auf mehr als 60 Prozent erhöht werden.
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Thyssen-Krupp
Der Ruhkonzern will seine Ausgaben in den nächsten drei Jahren um zwei Milliarden Euro senken. In der Summe eingerechnet sind laufende Sparmaßnahmen in Höher von 400 Millionen Euro. Das berichten "Handelsblatt" und "Süddeutsche Zeitung". Ein großer Arbeitsplatz-Abbau ist nicht vorgesehen. Einiges ändern soll sich aber für die 600 Mitarbeiter in der Zentrale in Essen. Dort könnte ein Drittel der Stellen überflüssig werden, berichtet das Handelsblatt. Das neue Programm heißt "Act - Achieve change Thyssen-Krupp" und ist Teil der Neuausrichtung, die Vorstandschef Heinrich Hiesinger anstrebt. Thyssen-Krupp soll unabhängiger vom Stahlgeschäft werden und sich stärker auf Technologien wie Aufzüge und Anlagen konzentrieren.
Das Stahlgeschäft leidet besonders unter der Wirtschaftsflaute und hat bereits Kurzarbeit angemeldet. Noch stärker machen dem Konzern die Verluste der neuen Werke in Brasilien und den USA zu schaffen, für die er händeringend Käufer sucht. Hiesinger will durch den Verkauf der zwölf Milliarden Euro teuren Werke mindestens den noch übrigen Buchwert von sieben Milliarden erzielen. Analysten haben den Wert allerdings nur auf drei bis vier Milliarden Euro beziffert. Intern habe das Unternehmen verschiedene Szenarien mit Erlösen bis zu vier Milliarden Euro durchrechnen lassen, berichtet die SZ. Das bedeute, dass ThyssenKrupp im abgelaufenen Geschäftsjahr voraussichtlich eine Wertberichtigung bis zu drei Milliarden Euro verkraften müsse.
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Siemens
Vorstandsvorsitzender Peter Löscher hat Details zum neuen Sparprogramm genannt - und das wird härter, als erwartet. In den kommenden zwei Jahren will der Konzern seine Kosten um mindestens sechs Milliarden Euro senken; Analysten von J.P. Morgan hatten mit vier Milliarden Euro gerechnet. Ein Teil der Ersparnis soll aus der Aufgabe unprofitabler Geschäftsfelder kommen. Neben der Solarsparte und werde auch das Geschäft mit der Abwasserreinigung aufgegeben, kündigte Löscher an. Weitere schwächelnde Bereiche sind auf dem Prüfstand.
Zum Thema Stellenabbau hielt Löscher sich weiterhin bedeckt. Er sagte nur, dass dieser nicht "das erste Ziel" sei, dass es aber Auswirkungen des Sparprogramms auf die Arbeitsplätze geben werde. Die 130.000 Siemens-Mitarbeiter in Deutschland sind aber per Betriebsvereinbarung weitgehend vor Entlassungen geschützt.
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Commerzbank
Deutschlands Bank Nummer zwei stellt sich mit einem Mix aus Investitionen und Sparmaßnahmen gegen den anhaltenden Abwärtstrend und feilt unter anderem an einem neuen Programm für Stellenstreichungen. Insgesamt will die Commerzbank bis 2016 mehr als zwei Milliarden Euro ausgeben, „um ihr Geschäftsmodell in den kommenden Jahren an die veränderten Rahmenbedingungen in der Finanzbranche“ anzupassen.
Aus Betriebsratskreisen erfuhr die WirtschaftsWoche bereits im Oktober: "Wir rechnen Anfang 2013 fest mit einem weiteren Abbauprogramm". Es kursieren aber bereits Gerüchte, dass 5000 bis 6000 Jobs auf der Kippe stehen. Die Commerzbank hat bereits nach der Fusion mit der Dresdner Bank 2008 den Wegfall von 9000 Stellen beschlossen. Details zum Jobabbau hat die Commerzbank auch bei der Vorlage der Zahlen für das dritte Quartal zunächst nicht bekannt gegeben.
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Lufthansa
Konzernchef Christof Franz setzt derzeit das "Score"-Programm um, mit dem er die Kosten um 1,5 Milliarden Euro pro Jahr drücken will. Doppelte Verwaltungsstrukturen werden abgebaut. Dem fallen in Deutschland 2500 Jobs zum Opfer, 1100 Jobs werden ins Ausland verlagert; weltweit werden 3500 der knapp 17.000 Stellen in dem Bereich wegfallen. Der Chef will außerdem den Einkauf von Waren und Dienstleistungen konzernweit zentralisieren und den Unternehmenstöchtern weniger Eigenständigkeit zugestehen. Im Zuge des Sparpakets hat die Lufthansa im Oktober 2012 ihrem Regionalpartner Augsburg Airways zum Ende des Sommerflugplans 2013 gekündigt. Die Kooperation lief seit 1996. Die Flotte umfasst 15 Regionaljets, 500 Mitarbeiter sind betroffen. Um mit Billigfliegern oder den Fluglinien vom Golf mithalten zu können, soll die Lufthansa den Vorsteuergewinn von rund 500 Millionen Euro in 2011 bis Ende 2013 auf zwei Milliarden Euro steigern.
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Daimler
Das Sparprogramm „Fit for Leadership (F4L)“ ist als eine Art Zwei-Stufen-Modell angelegt. Kurzfristig will der Autobauer dadurch in seiner Pkw-Sparte bis 2014 rund zwei Milliarden Euro sparen, die Hälfte davon bereits im kommenden Jahr. In den darauffolgenden Jahren möchte der Konzern dann weiter von den eingeleiteten Sparmaßnahmen profitieren. Entlassungen sind Daimler zufolge dabei vorerst kein Thema - freiwerdende Stellen werden aber möglicherweise nicht neu besetzt und ältere Mitarbeiter über Alterszeit früher aus dem Unternehmen ausscheiden.
Daimler will Entwicklung, Produktion und Vertrieb effizienter machen. Im für die Schwaben problematischen Markt China sollen die bisher zwei Vertriebsgesellschaften zu einer zusammenwachsen. - Bild: REUTERS
Deutsche Bank
Deutschlands größtes Geldhaus reagiert mit harten Einschnitten auf die Krise: 1900 Stellen sollen laut dem Institut gestrichen werden. Die Bank will drei Milliarden Euro einsparen, der Stellenabbau soll 350 Millionen Euro dazu beitragen. Allein im Investmentbanking fallen 1500 Arbeitsplätze weg. Zudem kürzen die Chefs Jürgen Fitschen und Anshu Jain die Boni im Investmentbanking außerhalb Deutschlands.
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Merck
Vorstandschef Karl-Ludwig Kley für den Dax-Konzern ein umfassendes Sparprogramm eingeleitet. In der Pharmasparte Merck Serono sollen ab 2014 pro Jahr 300 Millionen Euro eingespart werden. Dabei soll die Zentrale von Serono in Genf voraussichtlich Mitte 2013 geschlossen werden. Bis Ende 2015 will das Unternehmen außerdem rund 1.100 der aktuell 10.900 Arbeitsplätze in seinem Heimatmarkt streichen. Die Stellen sollen hauptsächlich über Freiwilligen- und Altersteilzeitprogramme abgebaut werden.
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RWE
Der Energieversorger plant mit Einsparungen von 1,5 Milliarden plus eine weitere Milliarde in 2013 und 2014. RWE-Chef Peter Terium setzt dazu den Rotstift auch bei der Mitarbeiterzahl an. Zunächst hieß es, die Zahl der Mitarbeiter solle um 8000 sinken. 3000 davon sollten durch Verkäufe von Unternehmensteilen wegfallen. Jetzt legte der neue Chef nach - weitere 2400 Stellen werden gestrichen. Bis Ende 2012 sind bei RWE betriebsbedingte Kündigungen vertraglich ausgeschlossen. Derzeit arbeiten 72.000 Menschen für RWE.
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E.On
Bis 2015 will Konzernchef Johannes Teyssen die beeinflussbaren Kosten auf 9,5 Milliarden senken. Das Sparprogramm trägt den Titel E.On 2.0. Weltweit sollen im Zuge dessen bis 2015 bis zu 11.000 seiner 80.000 Stellen fallen, allein 6000 davon in Deutschland. Die Gewerkschaften ver.di und IG BCE haben sich bereits mit E.On auf einen Tarifvertrag zur Umsetzung des Stellenabbaus in Deutschland geeinigt.
Schulden abbauen
Daran gemessen sind die geplanten Einsparungen von 400 Millionen fast schon bescheiden. Zum einen muss die Fluggesellschaft nicht nur den Verlust ausgleichen. Sie muss auch die Schulden von gut 800 Millionen abbauen und die gut 200 Millionen Kredit an den Hauptaktionär Etihad zurückzahlen. Dazu braucht die Linie ein Sparpolster, weil nach Lage der Dinge die Kosten weiter steigen. Die Ausgaben für den Sprit sind bereits gestiegen. Dazu warnten die deutschen Flughäfen heute vor höheren Gebühren. Und zu guter Letzt leidet Air Berlin unter der erneut verschobenen Eröffnung des Berliner Flughafens.
Doch so sehr die heutige Ankündigung beim Sparen in die richtige Richtung führt: das Programm muss deutlich mehr bieten. Denn Air Berlin hat nicht nur ein Problem mit den Kosten, sondern auch mit der Strategie. Und gerade im sogenannten Smart-Teil bleibt die Sache vage.
Das ist bei einem Teil - wie etwa neuen Service-Angeboten . mehr als verzeihlich. Schließlich muss die Linie erst mal Geld verdienenm bevor sie es in Dinge wie neue Sitze stecken kann.
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