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Vertrauensfrage: "Entweder das Ding fliegt oder ich fliege"

Erstmals stellt ein brandenburgischer Regierungschef die Vertrauensfrage im Landtag. Der Grund: das Debakel um den Hauptstadtflughafen. Matthias Platzeck aber kann mit einer Mehrheit rechnen.

Da kann man sich nur noch an den Kopf fassen: Die Hängepartie um den neuen Berliner Flughafen wird immer länger, die zuletzt für den 27. Oktober geplante Inbetriebnahme war am 6. Januar auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Und immer wieder gibt es neue Pannen-Meldungen rund um das einstige Prestige-Projekt. So berichtete die Zeitung "Die Welt" am Mittwoch (9. Januar), dass auf dem Flughafengelände 1036 Bäume falsch gepflanzt wurden und eigentlich wieder entfernt werden müssten. Dieses Detail sei auf einer der hinteren Seiten des jüngsten Controllingberichts festgehalten worden. Um einen neuerlichen Image-Schaden in der Öffentlichkeit zumindest zu begrenzen, beschloss die Geschäftsführung laut dem Blatt, nicht alle der "ca. 1000 zumeist gut angewachsenen Bäumen" herauszureißen. Wegen der "nicht vertragskonformen Pflanzung" sollen aber zumindest 600 Bäume ausgetauscht werden, "da ein Belassen dieser Bäume auf Grundlage der Bewertungskriterien nicht begründbar ist", zitiert die "Welt" aus dem Bericht.

Bild: dpa

Wegen des Debakels um den Hauptstadtflughafen stellt Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) am Montag im Potsdamer Landtag die Vertrauensfrage. Er will sich damit nach eigenen Worten die größtmögliche Legitimation verschaffen, bevor er an diesem Mittwoch den Vorsitz im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) übernimmt. Eine Mehrheit ist Platzeck angesichts des großen Stimmenvorsprungs seiner rot-roten Koalition so gut wie sicher. Zudem wird namentlich abgestimmt. Es ist das erste Mal in der Geschichte Brandenburgs, dass ein Regierungschef die Vertrauensfrage stellt.

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„Ich stehe zu meiner Mitverantwortung - deshalb sitze ich hier“, sagte Platzeck am Sonntagabend bei „Günther Jauch“ in der ARD. „Es ist dramatisch, überhaupt keine Frage. Es ist ein Desaster. So etwas darf nicht passieren.“ Zu den Rücktrittsforderungen an ihn und Wowereit sagte er: „Man kann mit so einem Fall unterschiedlich umgehen. Nach 23 Jahren im Amt überlegt man auch dieses und jenes in einer schlaflosen Stunde.“

Der brandenburgische Ministerpräsident räumte gleichzeitig gravierende Mängel am BER ein: "Es ist dramatisch. Es ist ein Desaster." Der SPD-Politiker rechnet daher mit massiven Umbauten. "Wir müssen wahrscheinlich nicht abreißen, aber umbauen. Das wird an manchen Stellen nötig sein", sagte er bei "Günther Jauch".

Der steinige Weg zum Hauptstadtflughafen

  • Dezember 1991

    Gründung der Berlin Brandenburg Flughafen Holding (BBF). Gesellschafter sind die Länder Berlin und Brandenburg.

  • Januar 1992

    Beginn der Planungen für den Flughafen mit dem Projektnamen Berlin Brandenburg International, BBI.

  • Juni 1996

    Der Ausbau des Flughafens Schönefeld sowie die Schließung der Flughäfen Tegel und Tempelhof werden beschlossen.

  • August 2004

    Das Genehmigungsverfahren für den BBI wird mit dem Planfeststellungsbeschluss abgeschlossen.

  • August 2005

    Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhängt im Eilverfahren einen weitgehenden Baustopp. Bis zum Urteil sind nur Bauvorbereitungen gestattet.

  • März 2006

    Das Gericht genehmigt in letzter Instanz den Bau des BBI unter verschärften Lärmschutzauflagen.

  • Juli 2008

    Erster Spatenstich für das Flughafen-Terminal.

  • Oktober 2008

    Nach 85 Jahren schließt der Flughafen Tempelhof.

  • Oktober 2009

    Das Brandenburger Verkehrsministerium erlässt eine neue Nachtflugregelung: Keine Starts und Landungen von Mitternacht bis 5.00 Uhr, Ausnahme Post- und Regierungsmaschinen, Notfälle. In den Randzeiten davor und danach ist die Zahl begrenzt.

  • Juni 2010

    Unter anderem wegen der Pleite einer Planungsfirma wird die Eröffnung von November 2011 auf den 3. Juni 2012 verschoben.

  • September 2010

    Die Deutsche Flugsicherung legt einen ersten Flugrouten-Vorschlag vor. Tausende Betroffene gehen dagegen auf die Straße. Es gibt neue Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss.

  • Oktober 2011

    Das Bundesverwaltungsgericht gibt grünes Licht für nächtliche Flüge in den Randzeiten. Der Airport kann ohne weitere Einschränkungen an den Start gehen.

  • Januar 2012

    Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung legt die Flugrouten fest und folgt im wesentlichen einem Vorschlag der Fluglärmkommission aus Gemeinde- und Airline-Vertretern.

  • Mai 2012

    Vier Wochen vor dem Termin wird wegen Problemen mit der Brandschutzanlage die Eröffnung des Flughafens erneut abgesagt. Später wird Chef-Planer Manfred Körtgen entlassen.

  • Juni 2012

    Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg spricht den Anwohnern das Recht auf besseren Schallschutz zu.

  • 22. Juni 2012

    Der Aufsichtsrat entscheidet, den neuen Starttermin 17. März erneut zu überprüfen und am 16. August darüber zu entscheiden.

  • 31. Juli 2012

    Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig weist die Klage von Anwohnern ab, das Genehmigungsverfahren für den neuen Hauptstadtflughafen neu aufzurollen. Jetzt steht der Eröffnung des Airports zumindest juristisch nichts mehr im Weg.

  • 16. August 2012

    Sitzung des Aufsichtsrats der Flughafengesellschaft. Der Aufsichtsrat lässt den Eröffnungstermin weiter offen. Damit sind auch die Mehrkosten und deren Finanzierung noch nicht abschließend geklärt. Fest steht, dass Bund und Länder Gelder zuschießen müssen. Beim Schallschutz für Anwohner wird nachgebessert.

  • 14. September 2012

    Der Aufsichtsrat will den Eröffnungstermin endgültig festlegen. Der bisherige dritte Termin am 17. März 2013 steht seit langem wieder zur Disposition.

Als Nachfolger auf dem Aufsichtsratsvorsitz ist Platzeck umstritten, weil er schon bisher Vizevorsitzender war und von vielen für die Probleme mit verantwortlich gemacht wird. Einem „Focus“-Bericht zufolge soll er den Aufsichtsrat nur vorübergehend führen, bis ein erfahrener Experte gefunden ist. Brandenburgs Regierungssprecher wies diese Darstellung aber als „aus der Luft gegriffen“ zurück.
Wegen Baumängeln war der Eröffnungstermin für den Airport in Schönefeld vor kurzem ein viertes Mal verschoben worden und ist jetzt wieder völlig unklar. Der Bund, Berlin und Brandenburg sind Teilhaber der Betreibergesellschaft. Berlins Regierungschef Klaus Wowereit (SPD) hatte bereits am Samstag einen Misstrauensantrag der Opposition überstanden. Erwartungsgemäß scheiterte der Antrag der Opposition im Abgeordnetenhaus klar an der Mehrheit der rot-schwarzen Koalition.

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Der gekündigte Architekt Gerkan machte die Flughafengesellschaft für das Bauchaos verantwortlich. Deren Arbeit habe sich als „großangelegte Täuschung herausgestellt“, zitierte der „Spiegel“ aus der Klageschrift der Anwälte Gerkans. Die Manager hätten mit ständigen Umbauwünschen den Bauablauf „regelrecht zerschossen“.

3 KommentareAlle Kommentare lesen
  • 14.01.2013, 09:54 UhrLilly

    Erklärung ohne Aufklärung

    In der FAZ heißt es heute, Zitat: „Ich verbinde mein politisches Schicksal mit dem Flughafen“, sagte Matthias Platzeck und meinte damit, dass, wenn Brandenburg im Jahr 2014 wählt, die Bürger dann auch darüber entscheiden, ob sie das Projekt auf einem guten Weg sehen, was in Wahrheit nur heißt, dass Matthias Platzeck sein Schicksal nicht mit dem Flughafen sondern mit der nächsten Landtagswahl verbindet. ... Zitat Ende.

    Quelle: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/faz-net-fruehkritik-jauch-keiner-fuehlt-es-so-wie-du-12024407.html

    Richtige Einschätzung.

  • 14.01.2013, 09:47 UhrLilly

    Die Scharade ist durchsichtig. Platzeck muss ebenfalls Verantwortung tragen und es reicht nicht, wenn er - wie Wowereit - die "Verantwortung" so auslegt, dass er im Aufsichtsrat und im Landtag (resp. Senat) als Regierungschef weitermachen will.

    Es geht um hunderte Millionen ZUSÄTZLICHE EURO, die mangels Sachverstand in den märktischen Sand gesetzt werden.

    Was sagen die Steuerzahler aus Hessen und Bayern dazu, die über den Länderfinanzausgleich am meisten in den gemeinsamen Topf einzahlen?

    Sind wir alle Schildbürger?

  • 14.01.2013, 09:27 UhrErnst

    Eine lächerliche Aufführung, die sich Platzeck sparen kann. Das Resultat steht doch längst fest - es geht ja nur um Stimmenzählungen.

    Wowereit hat es ihm ja auch schon vorgemacht, wie solch Verfahren abläuft.

    Übrigens machen Fliegen das ähnlich bei der Bewertung von Kuhfladen...

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