WirtschaftsWoche: Herr Lindner, gerade wieder beklagen Studien und linke Politiker die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich. Die Idee der Leistungsgesellschaft scheint nicht mehr viele Anhänger zu haben.
Lindner: Die Hälfte der Einkommensteuer-Zahler erbringt fast deren ganzes Aufkommen – wenn das keine funktionierende Umverteilung ist! Nach meiner Wahrnehmung lehnt die Mehrheit der Deutschen Neiddebatten oder klassenkämpferische Parolen ab. Viele akzeptieren Unterschiede, wenn sich die Erfolgreichen anständig verhalten.
Also lehnen Sie höhere Steuern grundsätzlich ab?
Ich bin nicht orthodox, aber angesichts von Rekordeinnahmen des Staates erschließt sich mir die Notwendigkeit nicht. Keiner sollte mehr abgeben müssen, als er behalten darf. Genau darauf laufen die rot-grünen Steuerpläne aber hinaus. Zur sozialen Sensibilität gehört auch die Anerkennung für Leistungsträger.
Ist die Angst vor dem Vorwurf der Klientelpolitik daran schuld, dass die FDP dies zurzeit nicht deutlicher artikuliert?
Absurde Vorwürfe unserer politischen Gegner dürften nicht zur Selbstzensur führen. Auch mangelnde Courage kann zu niedrigen Umfragewerten führen. Jedenfalls dürfen ökonomische Fakten durchaus mit einem gewissen Selbstbewusstsein vorgetragen werden.
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Risikoreich gezockt und verloren
Vermögensverluste von rund 150 Millionen Euro musste die Bayerische Landesstiftung, die gemeinnützige Zwecke auf kulturellem und sozialem Gebiet verfolgt, von 2007 bis jetzt hinnehmen - als Folgen der Finanzkrise. Trotz entsprechender Warnungen des Bayerischen Obersten Rechnungshofs in seinen Jahresberichten 1996 und 2005, das Vermögen wegen des hohen Verlustrisikos nicht konzentriert in Aktien eines einzigen Unternehmens (UniCredit) anzulegen, hatte man die UniCredit-Aktien nicht rechtzeitig verkauft. Das Ergebnis: Eine Wertminderung in Millionenhöhe. „Angesichts eines Stiftungsvermögens von rund 800 Millionen Euro sollte man entsprechende Lehren aus den erlittenen Verlusten ziehen und Anlagemanagement und Vermögensverwaltung künftig professioneller gestalten“, plädiert der Bund deutscher Steuerzahler (BdSt) im aktuellen Schwarzbuch.
Quelle: Schwarzbuch 2012 des Bunds deutscher Steuerzahler (BdSt)
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Teurer Alleingang
Auch die Stadt Landsberg am Lech verzockte Steuergelder bei äußerst riskanten finanziellen Transaktionen – ohne Wissen der Verantwortlichen. Das Geld ging bei Finanzderivatgeschäften verloren, die der örtliche Kämmerer eigenmächtig im Auftrag seiner Stadt getätigt hatte. Das Jonglieren mit den hoch risikobehafteten Finanzprodukten blieb nicht ohne Folgen: Die Stadt Landsberg am Lech verlor bisher rund 3,3 Millionen Euro. Der Landsberger Stadtrat hatte den Derivatgeschäften, die gegen Kommunalrecht verstoßen, nicht zugestimmt, weil sie ihm ebenso wenig vorgelegt wurden wie dem Oberbürgermeister. Gegen den Kämmerer, der sich damit über gewisse Regeln hinweggesetzte, wird strafrechtlich ermittelt. Der Stadt bleibt das finanzielle Desaster. „Gespannt dürfen die Steuerzahler jedenfalls sein, ob es ihrer Stadt gelingen wird, die verlorenen Millionen von dem beratenden Bankhaus im Rahmen eines Zivilprozesses zurückzuholen“, so der BdSt.
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Die selbstspülende Toilette
Wie ein unentdeckter Defekt an einer Elektronik Unkosten auslösen kann, zeigte sich bei der Stadt Schwentinental in Schleswig-Holstein. Die öffentliche Toilettenanlage des Raisdorfer Bahnhofs wird seit 1990 von den Stadtwerken betreut. Bislang eine gute Sache. Eine öffentliche Toilettenanlage für die Bahnfahrer und veranschlagte monatliche Kosten von 300 bis 400 Euro. Jahrelang lief alles gut bis unter anderem durch Vandalismus die Verantwortlichen den Überblick über die Kosten verloren. 2009 schnellte plötzlich der Wasserverbrauch in die Höhe: Statt - wie in den Vorjahren – einen Verbrauch von 400.000 Litern gab es 2009 eine Rechnung über eine Millionen Liter, was aber niemandem zunächst auffiel. Erst die unglaubliche Rechnung von 3,7 Millionen Litern Wasserverbrauch im Jahr 2010 ließ die Alarmglocken im Rathaus schrillen. Einen Fehler an der Anlage selbst konnte eine Fachfirma aber nicht finden, bis sich schließlich herausstellte, dass ein kaputter Bewegungsmelder verantwortlich war für die unfassbare Rechnung: Er löste auch dann die Spülung aus, wenn niemand im Raum war.
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Bruchlandung in Berlin
Die Steuergeldverschwendung, die den Deutschen auch ohne Fertigstellung jetzt schon klar ist, taucht Schwarzbuch 2012 auf: „Auch wenn noch gar nicht sämtliche Kosten auf dem Tisch liegen, steht bereits fest, dass die Steuerzahler tief in die Tasche greifen müssen, um die Mehrkosten des Flughafenbaus zu finanzieren“, schreibt der BdSt. Das Flughafendebakel sei ein „Manifest von Fehlplanungen, Missmanagement, unvollständigen Bauunterlagen und Kostenüberschreitungen, umrahmt mit politischem Versagen seitens des Aufsichtsrats“. Der BdSt rechnet mit vermeidbaren Mehrkosten von mehr als einer Milliarde Euro, die zusätzlich finanziert werden müsse.
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Land unter in der Erlebniswelt
Einem anderen viel angepriesenen, wenn auch weniger bekannten, Projekt droht jetzt der finanzielle Untergang: Der Erlebnispark „Sturmflutenwelt Blanker Hans“ wurde 2006 eröffnet. Rund 7,7 Millionen Euro waren in die Idee geflossen, Touristen und Tagesgästen in einer Erlebniswelt die Urgewalten des Meeres näherzubringen. Gutachter waren in ihren Prognosen von jährlich 200.000 Besuchern ausgegangen. Diese Zahlen erwiesen sich als vollkommene Illusion, denn die Besucher wurden von Jahr zu Jahr weniger: Waren es 2006 noch 111.000 Besucher, kamen ein Jahr später nur noch 74.000 und 2011 75.000 Gäste. Das Ergebnis: erhebliche Betriebsverluste für die Betreiberin, die Kur- und Tourismus-Service Büsum. So wies deren Jahresabschluss 2010 einen Verlust von rund 1,7 Millionen Euro auf, für 2011 rund 1,5 Millionen. Jetzt soll als Sparmaßnahme ausgerechnet die Hauptattraktion, eine rund 1,5 Millionen Euro teure Sturmflutenbahn, verkauft werden. Dabei bleibt noch offen, ob die Europäische Union in diesem Fall Anteile der von ihr geleisteten 3,3 Millionen Euro Fördermittel zurückfordern wird. „Wieder einmal bestätigt sich, dass in Gutachten allzu gerne utopische Besucherzahlen vorhergesagt werden. Die Zeche zahlt am Ende der Steuerzahler“, so der Kommentar des BdSt.
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Instandsetzung läuft aus dem Ruder
Das Segelschulschiff „Gorch Fock“ gilt als Stolz der Marine. Neben der Ausbildung des Offiziersnachwuchses hat der weiße Dreimaster auch bei vielen Hafenbesuchen im In- und Ausland Deutschland prestigeträchtig vertreten. Neben tragischen Vorfällen erweist sich das Schiff nun auch finanziell als Problemfall: Anfang 2010 wurde es auf einer Werft in Elsfleth generalüberholt. Nach Rückkehr in den Heimathafen Kiel war dann Ende 2011 eine Instandsetzung des Unterwasseranstrichs vorgesehen. Dabei entdeckten Werftarbeiter mit bloßem Auge massive Rostschäden am Rumpf. Die notwendigen Reparaturarbeiten wurden vom Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung europaweit ausgeschrieben. Den Zuschlag erhielt erneut die Werft in Elsfleth. Die Marine rechnete mit Kosten von rund einer Million Euro. Diese Reparaturarbeiten sind nun wohl weitgehend abgeschlossen, ihre Kosten haben sich aber mittlerweile auf fast 10 Millionen Euro summiert. „Die entscheidende Frage, wie ein 2010 grundüberholtes Schiff bereits Ende 2011 so massive Rumpfschäden aufweisen kann, konnten die Verantwortlichen bis heute nicht überzeugend beantworten“, so der BdSt.
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Das nutzlose Parkdeck
Eine unnötige Investition kreidet der BdSt in Seligenstadt am Main an, wo man „unbedingt die Mittel aus dem Konjunkturprogramm II ausschöpfen wollte“, so der Schwarzbuch-Bericht. Um mehr Parkraum zu schaffen, baute man am Altstadtrand ein Parkdeck mit 150 Stellplätzen. Kosten: 285.000 Euro für das Grundstück, der Abriss des alten Gebäudes für 27.000 Euro und über 690.000 Euro an Baukosten. Wirklich Gewinn macht die Stadt jetzt allerdings nicht mit dem Projekt, denn das Parken kostet für einen ganzen Tag nur einen. Der Grund für die geringe Gebühr: Laut dem BdSt gibt es in der näheren Umgebung genug Parkplätze, die teilweise sogar kostenlos sind. Mit diesen geringen Einnahmen und laufenden Unterhaltskosten (2011 waren es über 17.500 Euro) ist das Parkdeck ein eindeutiges Verlustgeschäft für die Stadt.
Teure Korrekturen am Eingangsbereich
„Erst gründlich nachdenken, dann handeln – das kann viel Geld sparen“, kommentiert der Bund deutscher Steuerzahler ein Bauprojekt der Stadt Gütersloh. Dort sorgte bei der Erweiterung des Rathauses der Bau des neuen Eingangsbereichs für vermeidbare Mehrkosten. Geplant wurde ein Podest vor der Tür, das über eine Rampe und über eine Treppe erreicht werden konnte. Während die Rampe in enger Absprache mit Rollstuhlfahrern und Sehbehinderten gestaltet wurde und ganz deren Anforderungen entsprach, erwies sich die Treppe bald als Gefahrenquelle – insbesondere für ältere Menschen. Das Ergebnis: Das vorhandene Pflaster wurde vollständig aufgenommen und der Boden rund um die Eingangstür aufgeschüttet, sodass nun weder eine Rampe noch eine Treppe erforderlich waren. „Schade, dass die ‚intensiven Überlegungen‘ nicht von Anfang an gemacht worden waren“, kommentiert der BdST. Die Zusatzkosten für die Nachbesserungen lagen am Ende bei 29.000 Euro.
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Der teure Fahrradzähler
Die Auszeichnung „Fahrradfreundliche Kommune“ rückt im Schwarzbuch 2012 ebenfalls in den Fokus des BdSts. Mit dieser Auszeichnung werden Städte und Kommunen geehrt, die sich um eine vorbildliche Radverkehrsförderung verdient gemacht haben. Zuletzt waren das Freiburg, Karlsruhe und Offenburg. Neben der öffentlichen Erwähnung gab es auch einen „hochwertigen Preis“, wie der BdSt das Ministerium zitiert. Für etwa 20.000 Euro gab es für alle drei Preisträger einen Fahrradzähler – eine 2,50 Meter hohe Säule, die die Zahl der Radler misst. Der Gewinn mag eine schöne Idee sein, hat aber einige Nachteile: Erstens noch etwa 6.000 Euro Kosten für die Stadt für die Installation und eine gewisse Nutzlosigkeit als Verkehrszähler, denn es werden nur die Fahrräder erfasst, die an der Säule vorbei fahren. „ Damit muss bezweifelt werden, ob diese Zählung wirklich notwendig ist“, so der BdSt und die Frage bleibt zu klären, ob eine Urkunde für das Bürgermeisterbüro nicht ausgereicht hätte.
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Das unattraktive Spielgerät
Spielgeräte für Kinder können in einer Fußgängerzone durchaus beliebt sein, wenn sie denn auch den Zweck als solche Erfüllen. In der Stadt Fulda wurde aber über die Anschaffung von fünf Holzhunden bereits im Voraus diskutiert. Ein Künstler hatte sie entworfen. Das Ergebnis laut des BdST: modern, abstrakt und unpraktisch, denn die „kantigen Holzklötze“ am Universitätsplatz, von denen mittlerweile zwei stehen, entsprechen nicht dem Kindergeschmack. Da sie nicht wackeln, sondern fest stehen, interessiert sich kaum ein Kind für die Kunstwerke, die 13.500 Euro gekostet haben. Trotzdem sollen die restlichen Hunde auch noch kommen, die „Spielgeräte“ sind nämlich bereits gekauft. Die Stadt Fulda meint, dass dann die Attraktivität des Hunderudels steigen würde. Der Bund deutscher Steuerzahler bezweifelt das.
Die mauen Umfragewerte haben ihre Ursache vielleicht auch in der liberalen Doppelzüngigkeit. Wie glaubwürdig lassen sich in NRW Einsparungen fordern, wenn die eigene Partei im Bund Milliardenschulden mitträgt?
Sind die Fakten denn so? In Düsseldorf wächst der Etat, in Berlin wird der Bundeshaushalt kleiner. Wenn Nordrhein-Westfalen so erfolgreich bei der Reduzierung der Neuverschuldung wäre wie der Bund, dann würde ich schweigen. Statt Initiativen zur Reduzierung landesgesetzlicher Standards oder zur Privatisierung von unrentablen Landesbetrieben zu ergreifen, werden in NRW Wohltaten wie die Abschaffung der Studienbeiträge beschlossen.
Auch die Koalition im Bund plant neue und teure Wohltaten. Die müsste Ihre Partei eigentlich alle blockieren.
In der Tat würde ich auf alle zusätzlichen staatlichen Aufgaben und Leistungen verzichten, solange der Bundeshaushalt noch nicht ausgeglichen ist. Bedauerlicherweise gibt es bei unserem Koalitionspartner im Moment mehr Ideen für zusätzliche Ausgaben als Ehrgeiz zur Haushaltskonsolidierung. Umso dringender wird die FDP als Korrektiv gebraucht.
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