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Nach de Jagers Abgang: Die Nord-CDU stürzt in die Führungskrise

von dpa Quelle: Handelsblatt Online

Wenige Monate nach dem Verlust der Regierungsmacht in Kiel stehen die Christdemokraten erneut vor einem Scherbenhaufen. Der Vormann der Nord-CDU geht von Bord. Wer de Jager an der Parteispitze beerbt, ist völlig offen.

Jost de Jager, Ex-Landesvorsitzender der schleswig-holsteinischen CDU. Quelle: dpa
Jost de Jager, Ex-Landesvorsitzender der schleswig-holsteinischen CDU. Quelle: dpa

KielSchock, Verblüffung, Enttäuschung - Schleswig-Holsteins CDU steckt wieder einmal im Schlamassel. Der Rücktritt des Landesvorsitzenden Jost de Jager lässt die Partei in eine veritable Führungskrise stürzen. Zermürbt gibt der 47-Jährige die Politik völlig auf. Mit seiner Entscheidung zu diesem Zeitpunkt hat er die ganze CDU-Führungsriege kalt erwischt, und das gut vier Monate vor der Kommunalwahl und acht vor der Bundestagswahl.

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„Es war ein Schock“, gestand Landtagsfraktionschef Johannes Callsen am Dienstag. Erst am Vortag hatte de Jager sich Parteifreunden anvertraut. Wer ihm als Vorsitzender folgt, ist noch ganz ungewiss. Politische und persönliche Motive nannte de Jager, als er am Dienstagmittag gefasst, aber emotional berührt vor die Presse trat.

Was er empfinde, wurde er eine Stunde nach dem Rücktritt gefragt. „Sentimentalität“, sagte der 47-Jährige kurz. An der Tür der CDU-Geschäftsstelle im Kieler Landtag hängt noch ein verblichenes Wahlplakat zur verlorenen Landtagswahl vom Mai: „Jost de Jager - Mensch. Macher. Ministerpräsident“. Hintergrund seines Rücktritts sind die enttäuschende Landtagswahl 2012 und mangelnder Rückhalt für ihn in der Partei.

Das Gesamtbild des vorigen Jahres veranlasste den Ex-Wirtschaftsminister, über Weihnachten und den Jahreswechsel mit seiner Familie über seine Zukunft zu beraten. Diese soll außerhalb der Politik liegen - de Jager steigt richtig aus. Er war 2011 eher zufällig an die Parteispitze gekommen, nachdem Christian von Boetticher wegen einer früheren Beziehung zu einer Minderjährigen alle Ämter aufgeben musste. „Ich gehe nicht, weil ich einen besseren Job habe“, versicherte de Jager.

Mit der Landtagswahl im Mai, mit der die CDU nach zweieinhalb Jahren schwarz-gelber Koalition in die Opposition verbannt wurde, begann auch der Abstieg de Jagers. Damals bekam die CDU unter seiner Führung nur 0,4 Prozent mehr Stimmen als die SPD – zu wenig für eine Regierungsbeteiligung.

Als persönliche Niederlage wertete de Jager dies zwar nicht. Doch nun musste er ohne Wahlkreis und Landtagsmandat eine Alternative suchen und bewarb sich um die Bundestags-Direktkandidatur im Wahlkreis Flensburg-Schleswig. Nur hauchdünn mit fünf Stimmen Vorsprung bezwang er seine unbekannte regionale Rivalin. Aufatmen in der Nord-CDU.


Kein „Knuddeltyp“

Die Basis ließ ihn den Unmut über sein „Hereindrängen“ spüren. Und die kaum 80 Prozent für ihn bei seiner Wiederwahl zum Landesvorsitzenden Ende November waren auch kein überragender Vertrauensbeweis. Es war der untere Rand dessen, was de Jager selbst erhofft hatte. 2011 kam er noch auf ein Spitzenergebnis von 94 Prozent. Auch das zeigt: De Jager ist kein Mann, dem Herzen zufliegen. Kein „Knuddeltyp“ wie der frühere Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU), dessen Nachfolger de Jager werden wollte.

„So einen großen Besen haben wir gar nicht, um diesen Scherbenhaufen wieder zusammenzufegen“, sagte ein altgedienter Christdemokrat der Nachrichtenagentur dpa. „Das ist kein GAU, aber es ist eine schwierige Situation, die bewältigt werden muss“, meinte Ex-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, der ebenfalls völlig überrascht war.

Die Nord-CDU musste sich in den letzten Jahren schon öfter einen neuen Vorsitzenden suchen, aber im Gegensatz zu früheren Fällen steht diesmal kein geborener Nachfolger bereit. Als Carstensen 2010 den Landesvorsitz aufgab, rückte sein „Kronprinz“ von Boetticher nach. Als dieser ein Jahr später stürzte, übernahm ganz selbstverständlich de Jager das Zepter. Aber nun?

Besonders einem Bundestagsabgeordneten werden Ambitionen nachgesagt: Ingbert Liebing (49), Chef der CDU-Kommunalpolitiker im Norden und Landesparteivize. Er äußerte sich dazu nicht. In der Bundestagsfraktion sitzen mit dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesinnenministerium, Ole Schröder (41) sowie dem früheren Landes- und Fraktionsvorsitzenden Johann Wadephul (49) noch weitere wichtige Leute.

Den Hut hat zunächst aber der dienstälteste Parteivize auf - der Europaabgeordnete Reimer Böge (61). Mitte März soll der neue Vorsitzende gewählt werden - die Nord-CDU steuert mal wieder spannende Wochen an.


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