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Jon Baumhauer
Der 68-Jährige ist einer der beiden Sprecher der Eigentümerfamilie, die 70 Prozent an Merck hält. Die Sippe besteht aus 220 Mitgliedern und ist das eigentliche Machtzentrum des Darmstädter Pharma- und Chemiekonzerns. Baumhauer, der Philosophie, Psychologie und Geschichte studierte, hat lange in München als klinischer Psychologe praktiziert. Im November vergangenen Jahres wurde der Protestant von der Martin Luther Stiftung mit der „Luther-Rose“ als „verantwortungsvoller Familienunternehmer“ ausgezeichnet. In zwei, drei Jahren, so heißt es aus dem Unternehmen, könnte er sein Amt als Familiensprecher aufgeben.
Rolf Krebs
Der promovierte Mediziner führt den Aufsichtsrat von Merck. Im Unternehmen ist Krebs oft als eine Art Pendeldiplomat unterwegs. Er vermittelt häufig zwischen Familie und Unternehmensleitung. Zwischen 2001 und Ende 2003 hat Krebs den Pharmakonzern Boehringer Ingelheim geführt, der in vielerlei Hinsicht ein Vorbild für Merck ist: Boehringer, ebenfalls in Familienbesitz, brachte in den neunziger Jahren – wie Merck heute – kaum neue Medikamente zustande und gilt heute als erfolgrreiches Pharmaunternehmen. Krebs richtete bei Boehringer die Forschung und Entwicklung neu aus – von seinen Erfahrungen kann Merck heute profitieren. Offen ist, ob der 72-Jährige im Frühjahr noch einmal für den Aufsichtsratsvorsitz bei Merck kandidiert.
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Theo Siegert
Der 65-Jährige könnte Krebs auf dem Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden nachfolgen. Mit den Eigentümlichkeiten von Familienunternehmen kennt Siegert sich bereits aus: Er hat lange für den Duisburger Mischkonzern Haniel gearbeitet, zuletzt als Vorstandschef, wo er dann allerdings 2005 dem Daimler-Manager Eckhard Cordes weichen musste. Siegert ist gut vernetzt, sitzt in zahlreichen Aufsichtsräten – neben Merck auch bei Henkel, der Deutschen Bank und dem Energiekonzern E.On.
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Karl-Ludwig Kley
Der 61-Jährige führt Merck seit 2007 und hat früher als Bayer-Manager und als Lufthansa-Finanzvorstand gearbeitet. Kley stammt aus einer Managerfamilie: Der Großvater und der Vater waren Manager bei Siemens, Bruder Max Dietrich arbeitete als BASF-Finanzvorstand. Bruder Andreas war Bereichsleiter bei Siemens, bis er dort über die Korruptionsaffäre stolperte. Der jüngere Bruder Karl-Ludwig müht sich nun schon seit Jahren, das Pharmageschäft bei Merck wieder auf Vordermann zu bringen. Daneben bleibt dem Juristen noch Zeit für Nebenjobs: Kley führt den Branchenverband der Chemieindustrie, den VCI und ist Aufsichtsratsvorsitzender des Fußball-Zweitligisten 1. FC Köln. Zudem pflegt er ein außergewöhnliches Hobby: Japan-Kenner Kley besitzt eine Kollektion von kleinen, kunstvoll geschnitzten Sumoringern, sogenannten Netsuke.
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Matthias Zachert
Der 42-Jährige ist einer der Überflieger der deutschen Wirtschaft. Seit 2011 amtiert er als Finanzvorstand bei Merck; zuvor hat er in gleicher Funktion für den Brötchenbäcker Kamps und den Chemiekonzern Lanxess gearbeitet. Bei Merck hat Zachert dafür gesorgt, dass der Pharma- und Chemiekonzern ein besseres Rating erhielt und beim Schuldenabbau vorankam. Im Gegensatz zu seinem ruppigen, wenig klar kommunizierendem Vorgänger Michael Becker pflegt Zachert ein gutes Verhältnis zu Investoren und Analysten. Seine sportliche Leidenschaft gilt dem Laufen – gerne auch zusammen mit Mitarbeitern.
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Stefan Oschmann
Der 55-Jährige gebürtige Würzburger hat die schwerste Aufgabe bei Merck. Er muss das Pharmageschäft- seit über zwei Jahrzehnten haben die Merck-Forscher kein eigenes Medikament mehr entwickelt – wieder nach vorn bringen. Oschmann kann 2011 als Pharma-Boss nach Darmstadt und löste seinen erfolg- und glücklosen Vorgänger Elmar Schnee ab. Seither baut Oschmann die Pharma-Organisation radikal um, schasst zahlreiche Manager und ersetzt diese vorwiegend durch externe Kräfte. Dennoch wird Oschmann im Unternehmen als durchaus verträglicher Manager beschrieben. In der Medikamenten-Branche gilt der promovierte Tiermediziner als Schwergewicht: Über ein Jahrzehnt lang bekleidete er Top-Positionen beim US-Namensvetter Merck & Co.. Falls Oschmann die Pharma-Wende packt, darf er sich Hoffnungen machen, in einigen Jahren Konzernchef Kley abzulösen. Als einer seiner Konkurrenten gilt Finanzvorstand Zachert.
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Bernd Reckmann
Auch der 57-Jährige Leiter des erfolgreichen Chemie-Geschäfts von Merck darf sich Hoffnungen auf die Konzernspitze machen. Reckmann blickt auf eine lange Betriebszugehörigkeit bei Merck zurück, kennt das Unternehmen aus dem Eff-eff. Der promovierte Biochemiker ist seit zwei Jahrzehnten dabei – das sichert ihm durchaus Pluspunkte bei der Eigentümerfamilie.
Nein, Karl-Ludwig Kley, Chef des Darmstädter Pharma- und Chemiekonzerns Merck, mag sein Büro nicht. Die grauen Säulen mitten im Raum, die pastellfarbenen Wände, der runde Besprechungstisch aus hellblauem brasilianischen Marmor. Der Chef von weltweit fast 40 000 Mitarbeitern macht kaum einen Hehl aus seiner Abneigung. „Nicht mein Stil“, sagt der 61-Jährige.
Das pompöse Mobiliar stammt noch von Vorvorgänger Bernhard Scheuble. Eine Renovierung kommt für Kley nicht infrage – zu teuer, zu nervig, zu nebensächlich.
Der Merck-Chef muss sich um Wichtigeres kümmern. Der sonst eher Feinsinnige, ein Freund der Literatur (aktuell: Fjodor Dostojewski), legt brutal Hand an das älteste chemisch-pharmazeutische Unternehmen der Welt, dessen Wurzeln zurückreichen bis ins Jahr 1668. Der Jurist, der früher für Bayer und Lufthansa arbeitete, baut allein in Deutschland ein Zehntel der etwa 11 000 Arbeitsplätze ab und schasst reihenweise Manager. Insbesondere zielt Kleys Radikalkur auf das kriselnde Pharmageschäft, das mehr als die Hälfte zum Konzernumsatz beiträgt. Im Jahr 2011 nahm Merck insgesamt 10,3 Milliarden Euro ein.
Luftschlösser in Darmstadt
Wohl kaum ein anderes globales Unternehmen aus Deutschland leidet so offenkundig an fortgeschrittener Sklerose und Innovationsschwäche. Konzernchef Kley kämpft mit den Altlasten seiner Vorgänger, die überfällige Restrukturierung wurde immer wieder aufgeschoben. Das im Deutschen Aktienindex (Dax) notierte Unternehmen, das sich zu 70 Prozent in Familienbesitz befindet, ist Deutschlands erfolglosestes Pharmaunternehmen.
Während die größeren Konkurrenten Bayer und Boehringer in den vergangenen Jahren etliche neue Medikamente auf den Markt brachten wie etwa die Schlaganfallpräparate Pradaxa (Boehringer) und Xarelto (Bayer), droht bei Merck der Nachschub zum Erliegen zu kommen. Das letzte Medikament, das komplett in Merck-Labors entwickelt wurde – ein Blutdrucksenker namens Concor – stammt aus dem Jahr 1988. Damals stand die Mauer noch. Bis heute zählt Concor, trotz Generikakonkurrenz, immer noch zu den meistverkauften Merck-Mitteln.
Hoffnungsträger erweisen sich regelmäßig als Luftschlösser; die Flop-Rate steigt und steigt. Zuerst lehnte 2009 die europäische Zulassungsbehörde das Mittel Erbitux gegen Lungenkrebs ab. Der Nutzen, ein Monat längere Überlebenszeit, erschien den Prüfern zu gering. Dann votierten die Kontrolleure ein Jahr später auch gegen das Multiple-Sklerose-Präparat Cladribin: Das Risiko einer Krebserkrankung war in ihren Augen zu hoch. Ende vergangenen Jahres mussten die Merck-Forscher nun auch ihre Hoffnungen auf den Krebs-Impfstoff Stimuvax weitgehend begraben. Das Mittel, das über viele Jahre entwickelt worden war, erwies sich in letzten Tests als nahezu wirkungslos.
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