Rainer Brüderle gilt als höchstwahrscheinlicher Nachfolger des amtierenden Liberalen-Vormanns. Öffentlich stützt Brüderle den angeschlagenen Rösler; bekannt ist aber auch, dass er die Führung übernehmen würde, wenn der derzeit hart kritisierte Amtsinhaber die Segel streicht.
Brüderle muss beim unfreiwilligen Sängerwettstreit zuerst ran. Sein Problem: Spricht er nur verhalten, um Rösler nicht in den Schatten zu stellen und damit zu schaden, könnten Zweifel an seiner Führungsstärke aufkommen. Zieht er aber alle Register und mischt den Saal so richtig auf, könnte leicht der „Mannheim-Effekt“ entstehen: Auf dem Mannheimer SPD-Parteitag hatte einst der Saarländer Oskar Lafontaine die Delegierten durch eine mitreißende Rede derart begeistert, dass sie tags darauf den integren, aber farb- und erfolglosen Rudolf Scharping als Vorsitzenden stürzten und durch Lafontaine ersetzten.
Königsmacher und Zwerge
Welche Koalitionen machbar sind - und welche nicht
Im nächsten Bundestag könnten bis zu sechs Parteien vertreten sein. Das macht es für Union und SPD schwierig, mit einem kleinen Partner die Mehrheit zu erreichen. Dann blieben eventuell nur Dreier-Bündnisse oder eine schwarz-rote Koalition.
Bernd Schlömer (Piraten)
Parteichef
Katja Kipping und Bernd Riexinger (Die Linke)
Parteivorsitzende
Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin (Grüne)
Spitzenduo für die Bundestagswahl, Bundesvizepräsidenten und Fraktionschef
Philipp Rösler (FDP)
Parteichef und Bundeswirtschaftsminister
Brüderle träumt - anders als vor sechs, acht Jahren - nicht mehr davon, Parteivorsitzender zu werden. Nicht nur, weil er mit seiner machtvollen Rolle als Fraktionschef ganz zufrieden ist. Er weiß auch: Steht er erstmal in der ersten Reihe, geht auch sofort die Kritik an seiner Person wieder los, die es in der Zeit seines bundespolitischen Engagements immer gegeben hatte, bis er sich mit seinem Nein zu Opel-Subventionen Respekt verschaffte. Aber der wird nicht halten, wenn er plötzlich die Nummer eins ist. Dann heißt es wieder: Dampfplauderer, Sprücheklopfer, Weinköniginnen-Küsser.
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Der Niedergang der FDP
Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg: Die FDP kassiert im Frühjahr drei krachende Wahlniederlagen. In Mainz fliegen die Liberalen nicht nur aus der Regierung, sondern auch aus dem Landtag. Sie bekommen nur noch 4,2 Prozent der Stimmen, 3,8 Prozent weniger als fünf Jahre zuvor. Auch in Sachsen-Anhalt ist für die FDP kein Platz im Parlament, die Partei scheiterte mit 3,8 Prozent klar an der Fünf-Prozent-Hürde. In Baden-Württemberg fällt die FDP von 10,7 auf 5,3 Prozent. Grün-Rot übernimmt die Macht. Das Ende von…
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… Guido Westerwelle als Parteichef ist damit besiegelt. Christian Lindner und Daniel Bahr besuchen den Außenminister am 3. April in seiner Berliner Dachgeschosswohnung. Sie geben ihm zu verstehen, dass es mit ihm nicht mehr geht. Westerwelle willigt ein und tritt von seinem Amt zurück, bleibt aber Außenminister.
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In Libyen lässt Diktator Muammar al-Gaddafi sein eigenes Volk bombardieren. Die Welt will das Morden beenden, der UN-Sicherheitsrat stimmt über ein Eingreifen des Westens ab. Franzosen, Briten, Engländer, die USA und Südafrika, Libanesen und Nigerianer stimmen zu. Deutschland enthält sich, gemeinsam mit Russland und China. Außenminister Westerwelle manövriert die Bundesrepublik ins Abseits.
Nach dem Sturz des Diktators behauptet Westerwelle allen Ernstes, deutsche Sanktionen hätten das Land befreit.
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Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler wird am 13. Mai in Rostock mit 95,1 Prozent der Stimmen zum neuen FDP-Vorsitzenden gewählt. „Ab heute wird die FDP liefern“, kündigt er in seiner Antrittsrede an.
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Trotz Führungswechsels verharren die Liberalen im Umfragetief. Die FDP startet einen Verzweiflungsversuch, um die Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern zu ihren Gunsten zu entscheiden: Sie macht auf Wahlplakaten Stimmung gegen die Einführung von Eurobonds. Der Erfolg bleibt aus, die FDP verliert 6,8 Prozent und fliegt aus dem Landtag.
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In Berlin folgt das nächste Fiasko. Die FDP holt gerade einmal 1,8 Prozent der Stimmen zum Berliner Abgeordnetenhaus und liegt damit hinter der NPD und nur knapp vor der Tierschutzpartei.
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Rösler beteuert anschließend, dass die FDP ihren europäischen Kurs nicht verlassen wolle und beharrt darauf, dass eine „geordnete Insolvenz“ Griechenlands eine Option bleiben müsse. Gehört wird der Parteivorsitzende nicht, die Euro-Rettung wird von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Brüssel gestaltet. Die FDP trägt ihre Rettungspläne mit, die Basis murrt.
Eine Gruppe um den FDP-Abgeordneten Frank Schäffler sammelt mehr als 3500 Unterschriften von Parteimitgliedern und erzwingt damit einen Mitgliederentscheid zum Europa-Kurs der Liberalen. Die Euro-Rebellen um Schäffler wollen die FDP in dem Entscheid gegen den Willen der FDP-Führung um Rösler auf ein Nein zum geplanten Euro-Rettungsfonds ESM festlegen.
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Der Entscheid stiftet Unruhe in der Partei. Die Initiatoren werfen der Parteispitze Behinderung vor. Rösler und Lindner ziehen heftige Kritik auf sich, als sie vor Ablauf des Entscheids öffentlich die Erwartung äußern, dass die nötige Mindestbeteiligung von einem Drittel der Mitglieder verfehlt werde.
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Fehlende Loyalität von den Parteigrößen Rösler, Brüderle und Westerwelle sowie der Ärger um den Mitgliederentscheid zum Euro-Kurs: FDP-Generalsekretär Christian Lindner tritt zurück. Auch Philipp Rösler gerät zunehmend in die Kritik.
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Patrick Döring folgt auf Lindner, doch auch zu Beginn des Jahres 2012 stolpert die FDP von einer Verlegenheit in die andere - auch weil der von FDP und CDU/CSU gewählte Bundespräsident Christian Wulff im Zuge seiner Kredit-Affäre dem Ansehen des Amtes schadet. Philipp Rösler holt zum Paukenschlag aus: Er prescht...
Noch größer ist der Druck auf Rösler. Er muss mit einem kraftvollen Auftritt und überzeugenden Inhalten die gerade in den vergangenen Tagen angeschwollene Kritik zurückschlagen. FDP-Präsidiums- und Bundeskabinettskollege Dirk Niebel hatte gleich mehrfach in Interviews Röslers Rolle an der Spitze in Frage gestellt und gefordert, den Wahlparteitag vom Mai vorzuziehen. Damit sollte Klarheit in der Führungsfrage geschaffen werden – was heißen sollte: Anstelle Röslers müsse Brüderle mindestens zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl ausgerufen werden.
Rösler will um sein Amt kämpfen. Er wird in seiner Rede nicht nur seine politischen Schwerpunkte für das Jahr 2013 nennen, sondern vor allem eine bessere Mannschaftsleistung einfordern. Denn zum Team – ob in der Parteiführung oder im Wahlkampf – gehören nicht nur mehrere Köpfe, sondern eben auch Teamgeist. Zwar sind Personalquerelen im Vorfeld des Dreikönigstreffens fast so traditionsreich wie die Kundgebung selbst. Aber diesmal sind die Attacken so heftig und von so hochrangigen Angreifern wie Niebel oder dem Bundestags-Vizepräsidenten Hermann Otto Solms vorgetragen, dass sie an die Auseinandersetzungen der Möllemann-Ära heranreichen. Der frühere nordrhein-westfälische Landesvorsitzende hatte regelmäßig – zusammen mit anderen – die jeweiligen Vorsitzenden Klaus Kinkel und Wolfgang Gerhardt waidwund geschossen.
Eine wichtige Vorentscheidung über Röslers Schicksal fällt schon in zwei Wochen. Dann sind die Niedersachsen aufgerufen, in seinem Heimatland einen neuen Landtag zu wählen. Scheitern die Liberalen an der Fünf-Prozent-Hürde, dann muss er zurücktreten. Das weiß auch Rösler selbst. Gelingt ihnen aber der Sprung ins Parlament, so sehen es der Vorsitzende und seine Getreuen, dann sind die Karten neu gemischt.
Deshalb will Rösler erstmal Zeit bis zum Wahltag gewinnen, auch mit einem Gegenangriff: Wer jetzt die Personaldiskussion weiterführe, der schmälere die Chancen der FDP bei der Landtagswahl in Niedersachsen. Allerdings gibt es etliche im Mittelbau und in der Führung der Partei, die genau darauf setzen: Weil sie selbst zu feige zum offenen Angriff auf den Vorsitzenden sind, hoffen sie, dass der Wähler ihnen die Arbeit abnimmt.