Italien-Wahl verunsichert die Wirtschaft
Auf dem Papier lesen sich die Prognosen für Italien gar nicht einmal so schlecht. Nach heutigem Stand wird die Arbeitslosigkeit im nächsten Jahr zwar erneut steigen, soll mit gut elf Prozent aber unter dem EU-Durchschnitt bleiben. Auch 2013 wird die Wirtschaft wohl erneut schrumpfen, mit 1,2 Prozent jedoch weniger kräftig als im laufenden Jahr (minus 2,0 Prozent). Der Haushalt könnte sogar zum ersten Mal seit Langem ein Primärsaldo aufweisen, also nur aufgrund des Schuldendienstes ins Minus rutschen. Bloß: Seitdem Silvio Berlusconi eine erneute Kandidatur angekündigt hat, ist völlig ungewiss, wie viel Betrachtungen vom Stand heute wert sind.
Italiens Lage
Schuldenstand 2013
127,8
Angaben in Prozent des BIP
Quelle: IWF
Neuverschuldung 2013
-1,8
Angaben in Prozent des BIP
Quelle: IWF
Leistungsbilanzsaldo 2013
-1,4
Angaben in Prozent des BIP
Quelle: IWF
Denn mehr noch als in Deutschland dürfte die Wahl in Italien eine echte Richtungsentscheidung werden: Weiter auf dem entbehrungsreichen Reformkurs oder zurück zum alten Schlendrian? Was Interimspräsident Mario Monti in den vergangenen 13 Monaten an Reformen auf die Beine gestellt hat, brachte ihm zumindest im Ausland viel Respekt ein. Die Zinskosten sind bereits deutlich gesunken, zuletzt notierten die zehnjährigen Staatsanleihen auf einem Zwei-Jahres-Tief. Zumindest die Finanzmärkte schenken dem Land noch Vertrauen.
- Bild: AP
Griechen, Römer, katholische Kirche und die Renaissance: Italien ist das Land mit den meisten Denkmälern, die unter dem Schutz der Unesco stehen. 47 nationale Monumente listet die Unesco derzeit auf. Mit dabei: der griechische Juno-Tempel von Agrigent, Sizilien.
- Bild: dapd
Italien hat mehrere aktive Vulkane. Der Ätna (im Bild), der Vesuv und der Stromboli sind in den vergangenen 100 Jahren mehrmals ausgebrochen. Das Naturschauspiel wandelt sich schnell zur Naturkatastrophe - Erdbeben und Vulkane fordern stets zahlreiche Menschenleben.
Italien - ein Land mit den Gebirgsketten Alpen und Apenninen und 60 Millionen Einwohnern. Da bleibt nicht viel übrig für die Landwirtschaft. Lediglich ein Drittel der Landesfläche kann dafür genutzt werden. Trotzdem gehört das Mittelmeerland zu einem der weltweit größten Exporteure für Kiwifrüchte. Außerdem baut das Land erfolgreich Wein und Olivenöl an - weitere Exportschlager.
"Liebe geht durch den Magen." Wenn das stimmt, dann kann man Italien einfach nur lieben. Olivenöl und Rotwein bilden die Basis der mediterranen Küche. In Neapel wurde im 18. Jahrhundert die Pizza populär. Und die Liebe zur Pasta ist keine Erfindung der Werbebranche: Pasta verspeisen Italiener in rauen Mengen - bis zu 25 Kilogramm pro Jahr und Kopf.
Weil die Italiener ihr Essen lieben, mögen sie es gar nicht, wenn ihre kulinarischen Errungenschaften verhunzt werden. Hähnchen und Barbacue-Sauce auf der Pizza oder sogar die Variante Hawaii gelten in Italien als "deutsche Unsitte".
- Bild: dpa
Der Hang, hierzulande italienische Dinge zu übernehmen, hat Tradition. 1861 wurde Italien als Nationalstaat gegründet, Deutschland unternahm den gleichen Schritt zehn Jahre später 1871. Die Faschisten marschierten unter Mussolini 1922 auf Rom, 1933 kamen die Nazis in Berlin an die Macht. Anfang der 1990er Jahre schaffte sich die bis dann am längsten regierende Partei Democrazia Cristiana ab. Ein Vorzeichen für die Union?
Auch das Marschieren hat Tradition. Als Rom noch eine Weltmacht war: Die Legionen aus der iberischen Stiefelhalbinsel marschierten auf der Höhe des römischen Imperiums im Jahr 117 von Portugal bis nach Syrien. 120 Millionen Menschen lebten in den Grenzen des Imperiums.
- Bild: AP
Italien hat einige bedeutende Entdecker und Abenteurer hervorgebracht. Marco Polo ging zu Fuß nach China und brachte Gewürze zurück. Im Dienste der spanischen Krone überquerte Christoph Kolumbus mit drei kleinen Karavellen den Atlantik - und entdeckte Amerika und die Neue Welt.
Im Bild: Touristen betrachten Christoph Kolumbus' Grabmahl, in dem sich die sterblichen Überreste des Abenteurers befinden sollen, in Kathedrale von Sevilla, Spanien.
- Bild: dpa
Toskana: Der bevorzugte Urlaubsort Links-Intellektueller und SPD-Politiker ist auch der Geburtsort der heutigen italienischen Sprache. Und so wie es in Deutschland viele verschiedene Dialekte gibt, ist dies auch auf der Stiefelhalbinsel am Mittelmeer der Fall. Süditaliener sollen demnach Verständnisprobleme mit ihren Landesleute im Norden haben. Im Vatikan, einer der beiden unabhängigen Staaten - neben San Marino, ist die offizielle Sprache Latein.
- Bild: AP
Einer der touristischen Bräuche in Rom: In den historischen Trevi Brunnen eine Geldmünze werfen und sich wünschen, einmal die ewige Stadt wieder zu besuchen. Der romantische Hollywoodfilm "Three Coins in the Fountain" begann mit dieser Tradition. Heute sollen so jeden Tag bis zu 3000 Euro zusammenkommen.
Die römische Stadtverwaltung hat mal Überlegungen angestellt, diesen Brauch zu verbieten. Ein aufgebrachter Obdachloser sagte darauf den örtlichen Medien: "Was wollen diese Politiker? Ich habe mit den Brunnen drei Kinder groß gezogen."
- Bild: dapd
Das Modehaus Giorgio Armani kleidet die Piloten der italienischen Luftwaffe ein.
Grund dafür sind vor allem die schnellen Reformen, die Monti ganz zu Anfang seiner Amtszeit durchgedrückt hat. Das Rentensystem hat seine Regierung grundlegend reformiert und damit den Staatshaushalt um einen entscheidenden Brocken entlastet. Sollte die Regionalreform noch umgesetzt werden, würde auch das Geld sparen, eine neue Immobiliensteuer bringt seit Dezember zusätzliches. Doch leider ist es damit allein nicht getan. Jüngsten Umfragen zufolge liegt der Wiedergänger Berlusconi mit seiner Partei bei kaum 15 Prozent der Stimmen, am wahrscheinlichsten scheint eine Koalition unter Führung der moderaten Linken um Pier Luigi Bersani, der sich grundsätzlich zu Montis Kurs bekannt hat.
Dass die Finanzmärkte Italien im Moment vertrauen, heißt zwar, dass sie das Land auf einem guten Weg sehen, keineswegs jedoch bereits am Ende desselben. Vor allem der rigide Arbeitsmarkt braucht dringend eine Anpassung, Monti hat auf diesem Feld zwar erste Schritte eingeleitet, ist dabei aber zu zaghaft geblieben. Anders als in den meisten anderen südeuropäischen Ländern steigen die Lohnstückkosten in Italien weiter, sogar im Vergleich zu Deutschland hat sich auch 2012 das Verhältnis kaum verbessert. Die momentane Ruhe ist damit vor allem eine Wette auf Reformen in der Zukunft. Sollten die ausbleiben, könnte sich die italienische Krise schnell wieder verschärfen.
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Alle Kommentare lesen03.01.2013, 20:32 UhrAnonymer Benutzer:Pequod
@Chlodwig
Was will man auch von einer Ansammlung von Politikern erwarten,
die ihre politischen Vorstellungen über jede ökonomische Ver-
nunft gestellt haben und bis heute, trotz der katastrophalen
Entwicklung in dieser Schuldenunion, nicht den Unterschied
zwischen einem planwirtschaftlich geführten Betrieb und einem
auf Erfolg und Gewinn angwiesenen Unternehmen erkannt haben.
Das führt zwangsläufig zu einer Treuhandabwicklung dieser
EU-Schuldenunion, geleitet von einer ''Animal Farm'' in
Brüssel, wie bereits mit der DDR gehabt!
03.01.2013, 18:10 UhrAnonymer Benutzer:Chlodwig
@Pequod
Die Politik glaubt halt an dieses Schneballsystem.
Sie glaubt auch, sie könne auf ewig, Schulden auf Schulden
häufen, ohne dass dies Konsequenzen hätte.
Die Staatsfinanzierung durch die Notenpresse hat ihren
Reiz und macht süchtig. Einmal begonnen damit, werden die Summen
höher und höher, bis dass Kartenhaus zusammenbricht.
Erst beginnt es schleichend, aber dann geht es immer schneller,
und es endet wie immer mit dem bankrott.
Fazit: Man darf Politikern niemals erlauben soviel
Schulden auf Kosten der Bürger zu machen.
03.01.2013, 17:45 UhrAnonymer Benutzer:Pequod
Was für eine ausführliche analytische Arbeit haben die Autoren
dieses Artikels geleistet!!
Der Prozeß könnte abgekürzt werden, wenn der monatliche Kapital-
bedarf der PIIGS+F+Z Staaten, welcher von der EZB über die Druk-
kerpresse abgedeckt wird mit der wirtschaftlichen Leistung die-
ser Schuldenunion verglichen wird.
So wird man sehr schnell zu dem Schluß kommen, daß nicht einmal
mehr der Deutsche Steuerzahler diese unbegrenzte Finanzakrobatik
der EZB aufzufangen mag, welche in absehbarer Zeit zwangsläufig
zum Sanierungsfall werden wird, weil die regulären Finanzmärkte
dieses Schneeballsystem auffliegen lassen werden.
Die jetzige Finanzsituation in dieser ''EU'' dürfte einem Blind-
flug ohne Instrumente gleichen, da die sparsam veröffentlichen
Zahlen der EZB, wenn überhaupt, der Öffenlichkeit vorenthalten
werden!