Mit einer Drohne ins Büro
Heinrich Bülthoff
Autos bewegen sich in drei Richtungen: vorwärts, schräg seitwärts oder rückwärts. Wenn Stau ist, fahren sie überhaupt nicht. Dabei stünde ihnen eine weitere Richtung offen: aufwärts. In eben diese Dimension will ein internationales Forschungsteam mit dem EU-Projekt Mycopter nun vordringen. Das Ziel: Luftautobahnen, auf denen computergesteuerte Flugautos ihre Passagiere ins Büro fliegen – ohne Umwege und den entsprechenden unnötigen Energieverbrauch. Ganz utopisch ist die Idee nicht: Erste Hybride zwischen Flugzeug und Auto sind bereits unterwegs, etwa das Modell Transition des US-Startups Terrafugia. Das Karlsruher Unternehmen e-Volo arbeitet sogar an einem elektrischen Helikopter, der sich ohne viel Übung fliegen lassen soll.
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Higgs-Boson entdeckt
Auch wenn Physiker den Begriff "Gottesteilchen" nicht gerne hören, das Elementarteilchen Higgs-Boson ist von derart fundamentaler Bedeutung für die Physik, dass sich der Spitzname letztlich durchgesetzt hat. Der Nachweis dieses lange vorhergesagten Grundbausteins im Standardmodell der Teilchenphysik gelang Wissenschaftlern des europäischen Kernforschungszentrums CERN.
Die Redaktion von "Science" sieht in dieser Entdeckung den wichtigsten Forschungsdurchbruch des Jahres 2012 - auch wenn die beteiligten Forscher noch nicht hundertprozentig sicher sind, dass ihr Fund tatsächlich das lang gesuchte Gottesteilchen ist.
Mehr zur Entdeckung des Higgs-Bosons finden Sie hier.
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Genom des Denisova-Menschen entschlüsselt
Viel ist es nicht, was Wissenschaftler bislang vom Denisova-Menschen gefunden haben, der nach dieser Höhle in Sibirien benannt wurde: Ein Stück Finger, ein Stück Zeh, ein Backenzahn - mehr ist von dieser vor 40.000 Jahren lebenden Urmenschen-Spezies bislang nicht entdeckt worden. Immerhin genug Material, um Forschern des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig eine umfassende Erbgutanalyse zu ermöglichen.
Sie belegt, dass sich die Entwicklungslinien von Denisova- und modernem Menschen vor spätestens 780.000 Jahren getrennt haben müssen - viel früher als etwa beim Neandertaler, dessen Entwicklungslinie sich spätestens vor 320.000 Jahren von der unseren abspaltete.
Mehr zum Denisova-Menschen finden Sie hier.
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Fruchtbare Eizellen aus Stammzellen gewonnen
Dieser Schnappschuss einer Maus mit Nachwuchs markiert ein weiteres Forschungs-Highlight 2012. Japanischen Wissenschaftlern ist es gelungen, bestimmte Gene in Mäuse-Stammzellen so zu aktivieren, dass sie sich zu Vorstufen von Eizellen verwandelten. Mäuse, denen diese künstlichen Geschlechtszellen eingepflanzt wurden, brachten gesunden Nachwuchs zur Welt.
Mehr zu dieser Entdeckung finden Sie hier.
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Der "Himmelskran" des Marsrovers Curiosity
Dank der gut geölten PR-Maschine der US-Weltraumbehörde Nasa ist die Mission des Marsrovers Curiosity weit über die Grenzen der Wissenschaft hinaus bekannt geworden. Auch den "Science"-Redakteuren war die erfolgreiche Landung auf dem Roten Planeten eine Auszeichnung wert: Sie kürten Curiositys Landeshilfe, den "SkyCrane" zu einem Forschungs-Highlight 2012.
An den Seilen dieses Himmelskrans wurde Curiosity in der letzten Phase der Landung langsam auf den Marsboden niedergelassen. Die aufwendige Technik war nötig, weil der Rover zu schwer gewesen wäre, um einen Aufprall mit dem sonst üblichen Schutz durch Airbags heil zu überstehen.
Mehr über die Mission Curiosity finden Sie hier.
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Röntgenlaser liefert Waffe gegen die Schlafkrankheit
60 Millionen Menschen sind - vor allem im südlichen Afrika - von der gefährlichen Schlafkrankheit bedroht. Ein Protein des Erregers Trypanosoma brucei könnte als Waffe zu einer erfolgreichen Bekämpfung der Krankheit dienen. Doch dazu musste zunächst die molekulare Struktur des Proteins mit hoher Genauigkeit entschlüsselt werden. Mit dem stärksten Röntgenlaser der Welt am US-Forschungszentrum SLAC in Kalifornien ist deutschen Forschern dies gelungen.
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Gene leichter abschalten
Um zu untersuchen, wie unser Erbgut funktioniert, nutzen Wissenschaftler Techniken, mit denen sich einzelne Gene gezielt abschalten lassen. Ein neues und deutlich einfacheres Verfahren für diesen "Gen-Knockout" haben Bonner Forscher entwickelt. TALENS (Transcription activator-like effector nucleases) heißt die Technik, die von der Science-Redaktion als ein Forschungs-Highlight 2012 gewürdigt wurde.
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Majorana-Fermion nachgewiesen
Nein, mit der bekannten Gewürzpflanze hat das Majorana-Fermion nichts zu tun. Seinen Namen verdankt dieses Elementarteilchen dem italienischen Physiker Ettore Majorana (1906-1938), der seine Existenz schon 1937 voraussagte. Doch erst 2012 veröffentlichten niederländische Wissenschaftler eine Untersuchung, welche die Existenz des Majorana-Fermions - dem eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung von Quantencomputern zukommen könnte - definitiv bestätigte.
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Kaum Müll im Erbgut
Lange ging die Wissenschaft davon aus, dass etwa 90 Prozent des menschlichen Erbguts gar keine Funktion habe. Erst die Arbeit des internationalen Forschungskonsortiums ENCODE machte deutlich, dass dieser vermeintliche DNA-Müll wichtige Aufgaben übernimmt, etwa bei der Steuerung der Gen-Aktivität. Daher gebührt auch den Erkenntnissen des ENCODE-Projekts ein Platz unter den zehn wichtigsten Forschungsergebnissen des Jahres 2012.
Mehr über die Arbeit des ENCODE-Projekts finden Sie hier.
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Prothesen steuern mit Gedanken
Über Mini-Elektroden im Gehirn steuern Patienten spezielle Prothesen, die von Wissenschaftlern des Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory entwickelt wurde. Dank des Einsatzes solcher Brain-Computer-Interfaces sollen Gelähmte einmal in der Lage sein, unabhängig von fremder Hilfe im Alltag zu agieren.
Mehr über diese Forschung finden Sie hier.
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Dem Geheimnis der Neutrinos auf der Spur
Tief im Inneren von Sternen wie unserer Sonne entstehen Neutrinos. Forscher erhoffen sich von der Untersuchung dieser rätselhaften Elementarteilchen Antworten auf fundamentale Fragen über unser Universum. Doch Neutrinos geben ihre Geheimnisse nur sehr zögerlich preis: Da sie kaum mit Materie wechselwirken, sind aufwendige Versuchsanordnungen nötig, um an Informationen über sie zu kommen.
Forschern des internationalen Daya Bay Reactor Neutrino Experiment ist dies in diesem Jahr gelungen, sie bestimmten den letzten sogenannten Neutrino-Mischwinkel. Ein Erfolg, der ihnen ihren Platz in der "Science"-Liste sicherte.
Unter Leitung von Heinrich Bülthoff, Professor am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen, wollen die Mycopter-Forscher nun klären, wie sich solche Fluggeräte zu Drohnen für Pendler weiterentwickeln lassen – und wie sich Städte und Behörden darauf einstellen müssen: Welchen Führerschein brauchen Selbstflieger in Zukunft? Wie lässt sich der individuelle Flugverkehr lenken, wie in Städte integrieren? Schon bis 2014 wollen die Forscher alle Fragen beantworten, damit Fliegen mindestens so einfach wird wie Autofahren.
Berge zu Batterien machen
Eduard Heindl
Für den Komplettumstieg auf erneuerbare Energien muss Deutschland Berge versetzen – und zwar buchstäblich. Das zumindest schlägt Eduard Heindl von der Hochschule Furtwangen vor. Der Physiker will einen Energiespeicher aus Granitgestein bauen, der fast so riesig in die Landschaft ragen soll wie der Ayers Rock in Australien. Der Plan: Mit Bohrtunneln und Gesteinssägen will Heindl einen Zylinder aus einem Granitfelsen lösen, mehr als 500 Meter hoch und einen Kilometer breit. Lücken und Wände werden abgedichtet. Gewaltige Pumpen, angetrieben von Überschussstrom aus Windrädern und Solarzellen, sollen dann riesige Wassermengen unter die Steinsäule drücken, um sie um Hunderte Meter anzuheben. Brauchen die Stromnetze Energie – etwa bei Windflaute –, fließt Wasser unter dem Druck des Granitzylinders ab und treibt Turbinen an. Ein solcher sogenannter Lageenergiespeicher soll im Bau eine Milliarde Euro kosten und 1.600 Gigawattstunden Strom bunkern – das 40-Fache aller deutschen Pumpspeicherkraftwerke und mehr, als ganz Deutschland an einem Tag verbraucht.
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