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Interview Interview mit Jens Weidmann: "Wir sind nicht Ausputzer für Politikerversagen"

von Roland Tichy, Anne Kunz und Henning Krumrey

Der Bundesbank-Präsident Jens Weidmann fordert eine kompromisslose Geldpolitik. Wenn die Preisstabilität in Gefahr sei, müsse die Notenbank die Zügel anziehen, auch wenn es einigen Ländern nicht gefällt.

Jens Weidmann, Präsident der Bundesbank, im Interview mit der WirtschaftsWoche Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche
Jens Weidmann, Präsident der Bundesbank, im Interview mit der WirtschaftsWoche Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Herr Weidmann, Bundeskanzlerin Angela Merkel verbreitet gedämpften Optimismus, dass wir in der Euro-Krise das Schlimmste hinter uns haben. Sie auch?

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Jens Weidmann: Wir sind ein gutes Stück vorangekommen, aber wir dürfen die vor uns liegende Wegstrecke nicht unterschätzen. Der Anpassungsprozess in den von der Krise betroffenen Ländern ist noch lange nicht abgeschlossen, und die Arbeiten am institutionellen Rahmen der Währungsunion müssen entschieden weitergehen. Vor allem muss sich erst noch zeigen, ob neue Vereinbarungen, wie der Fiskalpakt, auch mit Leben erfüllt werden.

Sehen Sie eine Erholung der problematischen Volkswirtschaften?

Es gibt Lichtblicke. Der Ansatz „Hilfe gegen Auflagen“ zeigt Erfolge: Die Wettbewerbsfähigkeit hat sich in vielen Ländern verbessert, die Defizite in den Leistungsbilanzen und Staatshaushalten gehen zurück. Dies vollzieht sich in einem rezessiven Umfeld, was aber nicht bedeutet, dass dahinter nicht auch strukturelle Verbesserungen stecken. Natürlich gibt es große Unterschiede zwischen den Ländern. An einem Ende des Spektrums steht Irland, am anderen Griechenland. Gerade weil noch ein langer Weg vor uns liegt, dürfen wir die Anreize, vereinbarte Auflagen einzuhalten, nicht weiter schwächen.

Nicht noch weiter schwächen?

Die finanziellen Hilfsmaßnahmen sind mit der Zeit immer großzügiger ausgestaltet worden. Das mindert den Druck, die Haushalts- und Wettbewerbsprobleme entschlossen anzugehen.

Griechenlands neues Sparprogramm

  • Damit will Griechenland 13,5 Milliarden Euro sparen

    Griechenland will mit dem neuen Sparprogramm die Staatshaushalte um 13,5 Milliarden Euro bis Ende 2014 entlasten. Weitere 3,4 Milliarden Euro sollen anschließend bis 2016 eingespart werden. Renten und Löhne werden drastisch gekürzt, das Rentenalter wird angehoben und Staatsbedienstete sollen entlassen werden. Das Paket ist eine der Voraussetzungen für die Zahlung weiterer Hilfen an das pleitebedrohte Land. Die wichtigsten Maßnahmen im Einzelnen:

    (Quelle: dpa)

  • Kürzungen bei den Rentnern

    Die Rentner müssen mit Kürzungen um fast 4,8 Milliarden Euro rechnen. Alle Renten von 1.000 Euro aufwärts werden um fünf bis 15 Prozent gesenkt. Das Weihnachtsgeld für Rentner wird abgeschafft; es war bereits von einer Monatsrente auf 400 Euro gekürzt worden. Die Gewerkschaften rechneten aus, dass damit die Rentner im Durchschnitt 2.000 Euro im Jahr verlieren werden.

  • Abfindungen

    Die Abfindungen für entlassene Arbeitnehmer werden drastisch gesenkt. Arbeitgeber dürfen Verträge mit jedem einzelnen Arbeitnehmer schließen. Damit werden praktisch Tarifverhandlungen umgangen.

  • Staatsbedienstete

    Auch den Staatsbediensteten werden die jeweils verbliebenen 400 Euro vom Weihnachtsgeld sowie vom Urlaubsgeld gestrichen. Viele Löhne und Gehälter sollen um sechs bis 20 Prozent verringert werden. Bis Ende 2012 sollen 2.000 Staatsbedienstete in die Frühpensionierung gehen oder entlassen werden. Bis zum Eintritt des Rentenalters erhalten sie dann 60 Prozent ihres letzten Gehalts.

  • Gesundheitswesen

    Im Gesundheitswesen sollen 1,5 Milliarden Euro eingespart werden. Unter anderem sollen die Versicherten sich mit höheren Eigenbeiträgen beim Kauf von Medikamenten beteiligen. Zahlreiche Krankenhäuser sollen schließen. Andere sollen sich zusammenschließen.

  • Gehälter

    Die Gehälter der Angestellten der öffentlich-rechtlichen Betriebe, wie beispielsweise der Elektrizitätsgesellschaft (DEI), sollen denen der Staatsbediensteten angeglichen werden. Dies bedeutet für die Betroffenen nach Berechnungen der Gewerkschaften bis zu 30 Prozent weniger Geld.

  • Kindergeld

    Familien, die mehr als 18.000 Euro im Jahr verdienen, haben keinen Anspruch auf Kindergeld mehr.

  • Rentenalter

    Das Rentenalter wird für alle von 65 Jahre auf 67 Jahre angehoben.

  • Weitere Maßnahmen

    Weitere Details des Sparprogramms sollen mit Gesetzen geregelt werden, die in den kommenden Monaten gebilligt werden sollen.

Kennen Sie ein Konzept, mit dem Griechenland wieder wettbewerbsfähig wird und auf die Beine kommt?

Genau dies soll durch das Anpassungsprogramm erreichen werden. Am Ende muss jede Volkswirtschaft finanziell auf eigenen Beinen stehen können, ohne Transfers von außen. Eine Volkswirtschaft kann nicht dauerhaft mehr verbrauchen, als sie produziert. Sollte die europäische Politik beschließen, dieses Prinzip zu verletzen und einen Mitgliedstaat dauerhaft zu alimentieren, dann muss sie sich über die Folgen im Klaren sein.

Das ist technokratisch richtig, aber geht das auch politisch? Die Ausbrüche im Berlusconi-Lager, Deutschland führe den Dritten Weltkrieg, zeigen, dass die Währung die Gemeinschaft eher spaltet.

Wer andere zum Sündenbock erklärt, will nur von seiner eigenen Verantwortung ablenken. Natürlich stellen die wirtschaftlichen Anpassungen große Herausforderungen für die Politik und vor allem für die betroffene Bevölkerung dar. Aber Grenzen der politischen Akzeptanz gibt es nicht nur in den Krisenländern.

Ihre Skala reicht von Irland bis Griechenland. Wo liegt Italien?

Italien leidet unter schwachem Wachstum, niedriger Produktivität und mangelnder Innovationskraft. Aber unter der Regierung Monti hat sich Italien ambitionierte Reformziele gesetzt, um das Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen, und hatte damit Erfolge. Es wäre fatal, wenn der Eindruck entstünde, dieser Kurs könnte je nach Ausgang der Wahl zur Disposition gestellt werden.

19 KommentareAlle Kommentare lesen
  • 28.12.2012, 18:13 Uhrmathias

    Allesverloren, wenn man das Geld auf der Bank läst.

    Wo NICHTS IST, KANN MAN AUCH NICHT PLÜNDERN !!

    DUMME DEUTSCHE HEBT ENDLICH EUER GELD VON DER BANK AB !!! SOFORT!!!

  • 28.12.2012, 16:49 Uhrallesverloren

    Solange es Volkswirtschaften gibt, die dauerhaft mehr produzieren als verbrauchen (Deutschland) gibt es andere, die mehr verbrauchen als produzieren (Griechenland). Mit einer Transfer-Union kann man das Problem leicht lösen, was man ja auch so macht, nur nennt man es anders (Kohäsions-Fond, Schuldenerlasse, Zinsmanipulationen zu lasten der Gläubiger, Anlagevorschriften für Lebensversicherungen, etc.).

    Traditionell wurden fast alle Länder regelmäßig von ihren sogenannten Eliten über ihre Kredit- und Geldsysteme ausgeplündert. Das ist nicht neu und wenig erwähnenswert. Neu ist, das sich ein Land wie Deutschland diesem Mechanismus mit Großmannssucht und Naivität unterwirft und seine gesamten Ersparnisse verschleudert.

    Nachdem zunehmend verstanden wurde, was Target 2 bedeutet wird die Banken-Union als Lösung aufgezeigt, am besten noch mit dem Wort Banken-Aufsicht verbunden.

    Wir wissen doch alle, es geht nicht um Aufsicht oder Kontrolle. Es geht um Ausplünderung.

  • 28.12.2012, 10:26 Uhrv6yz

    Vielen Dank für dieses sehr gute Interview. Die Antworten sind so klar, wie es die diplomatische Sprache gerade noch gestattet. Herr Weidmann ist realistisch und erwartet keine Annäherung der ökonomischen Strukturen der Euro-Länder. Er erwartet aber, dass die gegenwärtigen Anpassungsprozesse zu einer Situation führen, in der jedes Land ohne Hilfe der anderen auskommt. Aber bisher, und wohl auch bis dahin, steigen die Staatschulden der Krisen-Länder (und nicht nur dieser). In den Krisen-Ländern wird die Verbesserung ihrer preislichen Wettbewerbsfähigkeit mangels aureichendem Innovationspotential noch viele Jahre über Einkommenssenkungen gehen müssen. Womit sollen dann die mittlerweile aufgelaufenen gigantischen Schuldenberge abgetragen werden? Ich kann keine sanfte Landung für diese Währungsunion sehen.

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