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Europäische Kommission: Vom Freiheitskämpfer zur Übermutter

von Silke Wettach

Einst war sie der Vorreiter für Liberalisierung in den Mitgliedstaaten, doch das ist vorbei: Die Rolle der Europäischen Kommission hat sich in den vergangenen Jahren gewaltig geändert – zum Nachteil der EU-Bürger.

Mario Monti

Super-Mario nannten sie ihn während seiner Amtszeit in Brüssel von 1995 bis 2004. Den Beinamen verdankt der Ökonomieprofessor seinem resoluten Auftreten - im Zweifel immer für den Markt. Zunächst als Kommissar für den Binnenmarkt, dann zuständig für Wettbewerb, prägte er die damals liberale Wirtschaftspolitik der EU.

Bild: dapd

Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments, verfügt über eine seltene Gabe. Er kann das Brüsseler Geschehen anschaulich und amüsant schildern. Die politischen Konflikte in der europäischen Hauptstadt illustriert er gerne mit einem plastischen Beispiel: Es gebe Menschen, die kommunale Friedhöfe privatisieren möchten – und andere, die der Gedanke erschrecke.

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Die Lacher sind ihm bei dieser Anekdote sicher, doch hat sie einen Schönheitsfehler: Furchtbar viele Privatisierer und Liberalisierer sind in Brüssel nicht mehr unterwegs. Und es werden immer weniger.

Vom Vorreiter für freie Märkte hat sich die EU in den vergangenen Jahren immer mehr zum Befürworter staatlicher Interventionen gewandelt. Waren insbesondere die Neunzigerjahre geprägt von der Liberalisierung des Flugverkehrs und des Telekommunikationssektors, propagiert die EU-Kommission nun Frauenquote und Beschäftigungsgarantien für Jugendliche. Von mehr Wettbewerbsfähigkeit ist zwar ab und zu die Rede, aber auch die soll durch Koordinierung entstehen und nicht durch das freie Spiel marktwirtschaftlicher Kräfte.

Die Geschenke des EU-Kommissionspräsidenten Barosso an EU-Bürger

  • Jobs

    Jobgarantie für Jugendliche bis 25

  • Gleichberechtigung

    Sicherung der Frauenquote

  • Soziales

    Soziale Kriterien bei öffentlichen Ausschreibungen

  • Armutsbekämpfung

    Abschaffung der Armut (20 Millionen weniger armutsgefährdete Menschen bis 2020)

  • Krisenhilfe

    Transfer zwischen Mitgliedsstaaten in Krisenzeiten

  • Starthilfe

    Umschulungen und Hilfen zur Unternehmensgründung (bis zu 500 Millionen Euro im Jahr)

Bestes Beispiel war gerade erst die Diskussion über den Umbau der Währungsunion beim EU-Gipfel am vergangenen Donnerstag und Freitag. Sowohl die EU-Kommission als auch EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy haben in ihrer Blaupause einen eigenen Haushalt für die Euro-Zone vorgesehen, die sie nebulös „Fiskalkapazität“ nennen. Der neue Topf soll Mitgliedstaaten der Euro-Zone helfen, externe Schocks besser zu verkraften.

Plan für eine neue Wunderwaffe

Nach den Brüsseler Plänen soll etwas ganz Großes entstehen. Van Rompuy spricht in seinem Papier von einem „versicherungsartigen Mechanismus zwischen Euro-Ländern, um große, länderspezifische Schocks abzufedern“. Mitautoren des Konzepts sind EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker und der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi. Van Rompuy schwärmt davon, wie das Instrument „eine Art von fiskalischer Solidarität durch die Konjunkturzyklen hindurch sicherstellt, die Widerstandsfähigkeit der Euro-Zone als Ganzes erhöht und die Kosten im Zusammenhang mit makroökonomischen Anpassungen senkt“.

Die neue Wunderwaffe ist allerdings etwas ganz anderes als das vorübergehende Finanzinstrument, für das die Bundesregierung ursprünglich Zustimmung signalisiert hat. Im Oktober noch betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel, sie könnte sich vorstellen, für eine bestimmte Zeit finanzielle Anreize für Reformen zu schaffen. Damit würden Länder belohnt, die in einem schwierigen Moment schmerzhafte Änderungen anstoßen müssen. Doch dieses Programm sollte nach Berliner Vorstellungen streng begrenzt werden.

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Auch nach 20 Jahren bleibt der europäische Binnenmarkt unvollendet – den Schaden haben Unternehmen und Verbraucher.

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Die Bundesregierung hatte ihre Überlegungen aber ohne die EU-Kommission angestellt. Die hat in der Zwischenzeit bei ihren Finanzmechanismen längst eine Lücke ausgemacht, die sie nun füllen will. Der Sozialfonds sei nicht auf Stresssituationen ausgerichtet, wie sie in der Euro-Zone vorkämen, heißt es im Umfeld von Kommissionspräsident Barroso. Der Globalisierungsfonds beschränke sich auf bestimmte Branchen im Umbruch, und mit einem Volumen von bis zu 500 Millionen Euro im Jahr fehle es Letzterem ohnehin an Masse, um ganze Volkswirtschaften zu stabilisieren. Schon war die Idee für die Fiskalkapazität geboren, die binnen fünf Jahren Realität werden soll, wenn es nach der Kommission geht.

8 KommentareAlle Kommentare lesen
  • 27.12.2012, 07:29 UhrB.Giertz

    Ich weiß nicht in was für einer Welt die Autorin lebt,
    aber der vorherige Kurs der Marktliberalisierung hat nicht mehr Freiheit gebracht !

    Erinnern wir uns bitte daran dass die Vorschläge der Kommission oft genug zurechtgestutzt wurden.
    So sollte mit Hilfe des Ausschreibungswahns z.B. Gemeinden defacto verboten werden eigen städtische Betriebe zu haben.

    Die Ausschreibungsrichtlinien der EU zwingen dazu immer den günstigsten Anbieter zu nehmen, ohne die Wertschöpfung zu berücksichtigen, die entsteht wenn ein lokales Unternehmen beauftragt wird.
    Ohne das ganze durch ausreichende europäische Mindeststandarts bei Löhnen, Arbeitszeiten und Freizeitregelung zu flankieren müssen auch dauernde Dienstleistungen immer wieder ausgeschrieben werden.
    Mit dem Ergebnis dass für die Mitarbeiter der Dienstleistungsunternehmen eine Lebensplanung praktisch unmöglich ist.

  • 23.12.2012, 10:17 UhrNachdenker

    Der Entzug der Bürger- und Freiheitsrechte war spätestens seit dem Amtsantritt von Barroso Ziel der EU-Kommission unter seiner Führung. Es gibt NGO´s, die im Hintergrund eben andere Ziele verfolgen als es sich die Völker Europas vorstellen und wünschen können. Man behaupte später nicht "das haben wir nicht gewusst".

  • 20.12.2012, 13:00 UhrHaafJohannes

    Im Verteilen von nicht vorhandenen Resourcen sind die Eu-kommisare Spitze, sie bedienen sich auch selbst großzügig. Die Erwerbslosen und Armen in Europa werden dabei ganz vergessen. Woher die Steuern und das Wachstum in Europa kommen soll, da kennen Eu-Kommisare nur Wachstum auf Pump, auf Kosten der kommenden Generationen, deshalb:Europapolitik führt in eine soziale und demokratische Katastrophe
    Die Erwerbslosigkeit in Europa steigt. Die Wettbewerbsfähigkeit vieler Volkswirtschaften in Europa bleibt über Jahre hinweg schlecht. Die Staatsschulden steigen, weil von Banken und Investoren Schulden hin zum Steuerzahler verschoben werden. Politik wird durch Verschuldung auf Kosten kommender Generationen gemacht. Die Verarmung breiter Massen nimmt zu. Wenige Reiche profitieren von dieser Politik. Kapital fließt unter den Augen der Politik in Steueroasen. Die sogenannten europäischen Eliten bauen systematisch die Demokratie ab, schaffen europäische Institutionen, die weder demokratisch noch gerichtlich kontrolliert werden. Rechtsfreie Räume entstehen, wo man sich selbstherrlich finanziell bedient. Sozialstandart´s werden geschliffen. Übrig bleibt Armut und Feindschaft der europäischen Völker. Deshalb braucht es dringend die Wahlalternative 2013. Dazu finden Sie Informationen im Internet. Unterstützen Sie bitte: http://www.wa2013.de/index.php?id=198 nnnnnnnn

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