Der Steuerzahler wird 2012 erneut als Verlierer des Jahres in die Annalen eingehen. Denn seit vier Jahren sind Wirtschaftskrisen nach demselben Muster gestrickt: Am Ende begleichen jedes Mal die Steuerzahler die Rechnung der anderen. In der Bankenkrise waren und sind es die großen, systemrelevanten Banken, die dank ihres Erpressungspotentials ihre Verluste auf die Allgemeinheit abwälzen. Ähnlich liegt es in der Schuldenkrise: Unsolide Haushaltspolitik oder privater Konsumrausch führten zu einer Destabilisierung der Währungsunion. Das Risiko tragen heute jene Länder, die mit dem Geld ihrer Steuerzahler ein Rettungspaket nach dem anderen schnüren.
Unterm Strich haben die Krisenursachen der letzten Jahre eines gemeinsam – es gibt keine Regeln zum Schutz der Allgemeinheit. In der Bankenkrise fehlten Regeln, die eine Systemrelevanz präventiv vermeiden und reaktiv eine geregelte Abwicklung von Banken ermöglichen. Und in der Staatsschuldenkrise war das Problem eine unglaubwürdige no-bailout-Klausel in den europäischen Verträgen, ein zahnloses Sanktionsverfahren bei Verstößen gegen die Verschuldensregeln und fehlende Regeln zur Gläubigerbeteiligung im Insolvenzfall.
Niemand darf gegen das Gesamtinteresse handeln
Deshalb braucht Europa eine Kultur des ordnungspolitischen Denkens, die den Schutz der Allgemeinheit in den Mittelpunkt rückt und auf drei Säulen beruht: Der Freiheit des einzelnen als Treiber wirtschaftlichen Fortschritts; dem Anpassungsdruck der Märkte als Mittel zu Haushaltsdisziplin und Strukturreformen; und vor allem auf Spielregeln, die Schäden für die Allgemeinheit vermeiden. Nach Walter Eucken, einem der Gründerväter der sozialen Marktwirtschaft, durfte jeder solange tun und lassen was er will, solange er "nicht gegen das Gesamtinteresse" handelt und Schäden für die Gesellschaft verursacht.
Das bisher unvollständige Reformwerk muss deshalb ergänzt werden: Es muss eine gestufte Souveränitätsabgabe der Mitgliedsstaaten geben – je gravierender und dauerhafter eine Verletzung der Haushaltsregeln, umso mehr gehen Entscheidungsrechte über nationale Haushalte auf die EU über. Bei wiederholten Verstößen gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt sollte die EU ein Veto-Recht bei der Verabschiedung des Haushalts erhalten. Und bei der Vergabe von Hilfskrediten kann die EU umfassende Konsolidierungsvorgaben machen.
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