Regierungen neigen oft dazu, das Schenken davon abhängig zu machen, was sie selber (z.B. in Form von Wahlergebnissen) davon haben können. Vor diesem Hintergrund werden hier sieben Wünsche geäußert, die nicht in jedem Fall kurzfristig dem Schenkenden nutzen, die aber der Bevölkerung insgesamt (deren Wohl jede demokratisch gewählte Regierung in den Blick zu nehmen hat), nicht unbedingt aber in jedem Fall jeder Lobby, zum Wohle gereicht. Es fällt zudem auf, dass gerade die letzten drei Jahre von einer gewissen wirtschaftspolitischen Kurzatmigkeit gekennzeichnet gewesen sind, und zwar auf nahezu allen Feldern. Immer wenn eine schlechte Nachricht auftauchte, reagierte die Politik schnell und wenig effektiv (von effizient nicht zu reden). Drei Beispiele:
Erstens: Die Eurokrise hat sich so entwickelt, wie von den meisten Ökonomen vorausgesagt: Auf jede Rettungsaktion folgte die zu erwartende Reaktion der Geretteten und der Markteilnehmer, die am ehesten mit dem Begriff Moral Hazard beschreiben wird und die neue Rettungsmaßnahmen hervorrief. Ein Teufelskreis mit immer höheren Risiken setzte ein, dessen Ende nicht vorhersehbar ist, zumindest wenn die Rettungspolitik nicht wieder auf die Füße gestellt wird.
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Frankreich verliert Bonität
Frankreich verliert am 14. Januar seine Bestnote als Schuldner bei Standard & Poor's. Nun wird immer klarer, dass allein Deutschland unter den großen Eurozonen-Ländern als Stabilitätsanker zu sehen ist.
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Fiskalpakt
Beim EU-Gipfel in Brüssel unterzeichnen 25 der 27 EU-Länder am 2. März 2012 den von Deutschland und Frankreich durchgesetzten Fiskalpakt. Der sieht unter anderem eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild vor, die vom Europäischen Gerichtshof überprüft wird. In der Regel darf die Neuverschuldung demnach konjunkturbereinigt 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht überschreiten. Aber: Die Schuldengrenze ist weniger streng als die des Bundes. Für Berlin darf das jährliche Staatsdefizit in Normalzeiten ab 2016 nur noch bei 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen.
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Schuldenschnitt
Am 12. März 2012 wird der sogenannte Schuldenschnitt für Griechenland fällig. Über 96 Prozent der Unternehmen, meist Banken, die Griechenland-Anleihen halten, verzichten auf einen Großteil ihrer Forderungen – mehr oder weniger freiwillig. Griechenland ist damit noch längst nicht gerettet. Die Schuldenquote steigt schnell wieder und viele der Gläubiger klagen vor Gericht.
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Hollande gewählt
Am 6. Mai 2012 wählen die Franzosen Francois Hollande zu ihrem Staatspräsidenten. Das Duo "Merkozy" ist damit Geschichte. Hollande hatte sich offen gegen das Merkelsche "Spardiktat" ausgesprochen. Seine sozialistischen Versprechen erweisen sich bald als unhaltbar.
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Merkel erpresst
Eklat beim EU-Gipfel am 30. Juni 2012: Italien und Spanien ziehen alle Register, um Europa ihre Politik aufzuzwingen. Mit Erfolg. Künftig sollen Krisenländer den Euro-Rettungsschirm ohne verschärftes Anpassungsprogramm anzapfen dürfen.
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Unbegrenzter Anleihenkauf der EZB
Am 6. September gibt die EZB bekannt, dass sie im Notfall unbegrenzt Anleihen von finanziell angeschlagenen Euro-Staaten kaufen will, um die Zinsen für die Regierungen in Rom und Madrid drücken. Sie finanziert damit indirekt Staaten – was ihr eigentlich strikt verboten ist. Eine neue Ära der europäischen Geldpolitik beginnt. Der Bundesbankpräsident ist gescheitert.
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ESM in Kraft
Am 8. Oktober 2012 tritt der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) in Kraft. Er soll die Zahlungsfähigkeit der 17 Euro-Staaten dauerhaft sichern. Der dauerhafte Rettungsschirm wird mit 700 Milliarden Euro an Grundkapital ausgestattet. Damit soll Mitgliedsstaaten der Währungsunion, die an den Kapitalmärkten kein Geld mehr aufnehmen können, finanziell geholfen werden. Die Hilfe erfolgt über Bürgschaften und Notkredite (zu günstigen Zinsen).
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Griechenland "gerettet"
Am 27. November 2012 kann Griechenland mal wieder aufatmen. Denn die anderen Europäer wollen mal wieder zahlen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und seine Euro-Kollegen verabschieden in einer Nachtsitzung ein Maßnahmenpaket zur Verhinderung eines Athener Staatsbankrottes. Knapp 44 Milliarden Euro an aufgelaufenen Notkrediten sind damit grundsätzlich freigegeben, wenn die nationalen Parlamente zustimmen. Die klaffende Finanzierungslücke des griechischen Staates von 14 Milliarden Euro bis 2014 wird mit Zinssenkungen und Kreditstundungen über das Jahr 2020 hinaus gestopft.
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Bankenaufsicht
Nach 14-stündigen Marathonverhandlungen beschließen die EU-Finanzminister am 13. Dezember 2012 in Brüssel, dass die Eurozone 2014 eine gemeinsame Bankenaufsicht bekommt, die unter dem Dach der EZB angesiedelt sein soll. Damit wird ein seit Monaten schwelender Streit beigelegt. Deutschland hatte für seine Zustimmung zur direkten Hilfe für Krisenbanken durch den Hilfsfonds ESM eine Bankenunion mit gesamteuropäischer Aufsicht gefordert.
Zweitens: Die Energiewende erfuhr nach der verheerenden Nuklearkatastrophe von Fukushima im März 2011 eine enorme Beschleunigung, ohne dass dafür die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen unternommen wurden. Das Feld ist noch lange nicht bereitet, trotz erster Bemühungen. Die Debatte verläuft inzwischen sehr emotional und mit einer ganzen Reihe von übertriebenen Behauptungen und Befürchtungen.
Die Energiewende und der Sand im Getriebe
Wo liegen aktuell die drängendsten Probleme?
Der Netzausbau ist weit hinter dem Plan zurück. Die Betreiber der teuren Offshore-Windsparks in Nord- und Ostsee sind verärgert, dass es immer neue Verzögerungen gibt, beim Energiesparen gibt es kaum Fortschritte, die Debatte über die Ökostromförderung entwickelt sich zum Dauerbrenner - die Liste ließe sich fortsetzen. Die Regierung muss an zahlreichen Stellschrauben drehen, ein abgestimmtes Konzept ist in vielen Bereichen aber noch nicht erkennbar.
Welche Erfolge gibt es?
Der Ausbau der erneuerbaren Energie liegt nicht nur im Plan, er übertrifft sogar die Erwartungen. Im ersten Halbjahr 2012 machte Ökostrom erstmals mehr als 25 Prozent am deutschen Strommix aus, insgesamt wurden knapp 68 Milliarden Kilowattstunden ins Stromnetz eingespeist. Die Windkraft hat mit 9,2 Prozent den größten Anteil, vor der Bioenergie mit 5,7 Prozent. Der Anteil der Solarenergie hat sich binnen Jahresfrist fast verdoppelt und liegt nun mit 5,3 Prozent auf dem dritten Platz, vor der Wasserkraft mit vier Prozent.
Was bedeutet das für die Verbraucher?
Der Anstieg der erneuerbaren Energien kann für die Stromkunden teuer werden. Wenn mehr Ökostrom produziert wird, steigt auch die Umlage zur Förderung der Energie aus Sonne, Wind oder Wasserkraft, die über den Strompreis gezahlt wird. Diese ist im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegt und liegt aktuell bei 3,59 Cent pro Kilowattstunde. Das bedeutet für einen Durchschnittshaushalt rund 125 Euro Zusatzkosten pro Jahr. Der Aufschlag dürfte sich nun deutlich erhöhen. Spekuliert wird bereits über einen Anstieg auf 5,3 Cent zum Jahreswechsel, was die Kosten für einen Durchschnittshaushalt auf 185 Euro hochtreiben würde.
Wird der drohende Anstieg der EEG-Umlage Konsequenzen haben?
Das ist noch offen. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) warnt immer wieder, dass hohe Strompreise die Wettbewerbsfähigkeit gefährden könnten. Er fordert deshalb eine Reform der Förderung. Die Regierung hat jedoch erst 2011 eine Reform des EEG auf den Weg gebracht, die Anfang 2012 in Kraft trat und bei der Solarförderung nochmals verändert wurde. Außerdem ist der Strompreis viel stärker gestiegen als die Ökoenergieförderung. Umweltschützer halten mangelhaftes Energiesparen und pauschale Befreiungen für die stromintensive Industrie für die eigentlichen Preistreiber.
Wie weit ist der Ausbau der Windenergie?
Neben dem Ausbau der Windkraftanlagen an Land gilt der Ausbau der Offshore-Windenergie, also der Windkraftanlagen im Meer, als wichtiger Pfeiler der Energiewende. Bis zum Jahr 2020 sollen vor den Küsten Windenergieanlagen mit einer Kapazität von 10 000 Megawatt zur deutschen Stromerzeugung beitragen. Das sind ungefähr 2000 Windkraftwerke. Gegenwärtig arbeiten in der Nordsee aber erst 28 Anlagen mit 140 Megawatt Leistung. Dazu kommen noch 21 kleinere Windkraftwerke in der Ostsee - macht zusammen gerade einmal 180 bis 190 Megawatt.
Woran hakt es?
Das größte Problem ist nach wie vor die Anbindung der Anlagen in Nord- und Ostsee an das Festlands-Stromnetz. Zudem reichen die Leitungen an Land nicht für den Weitertransport des Windstroms in den Süden Deutschlands. Die Stromerzeuger sehen wegen der Verzögerungen beim Netzanschluss inzwischen die ganze Energiewende in Gefahr. Sie verlangen dringend Klarheit, wer dafür haftet, wenn die Windparks stehen, aber nicht ans Netz gehen können. Wirtschaftsminister Rösler und Umweltminister Peter Altmaier (CDU) haben vorgeschlagen, dass die Verbraucher die Kosten für Verzögerungen über den Strompreis mittragen sollen. Rösler hofft auf eine endgültige Regelung noch im Sommer.
Wie weit ist der Netzausbau insgesamt?
Für die Energiewende werden laut Bundesregierung 3800 Kilometer an neuen Stromautobahnen benötigt. Weitere 4400 Kilometer des bestehenden Netzes sollen fit gemacht werden für die schwankende Einspeisung von Wind- und Sonnenenergie. Die Netzbetreiber haben einen Entwurf für einen Netzentwicklungsplan vorgelegt, bis Mitte August soll eine zweite Version fertig sein. Die Bundesnetzagentur verlangt nun, der Ausbau müsse viel schneller gehen. Rösler fordert deshalb bereits, vorübergehend Umweltstandards außer Kraft zu setzen, so dass zum Beispiel bei Klagen gegen den Bau von Leitungen eine Gerichtsinstanz ausreicht.
Drittens: Meldungen von steigender Armut und drohender Altersarmut haben zu einer ganzen Palette neuer sozialpolitischer Initiativen der Bundesregierung geführt, die für sich genommen und auf den ersten Blick (aber leider meist nur dann) sinnvoll aussehen. Was wie ein ernsthafter Versuch wirkt, langfristige Probleme zu lösen, ist auf den zweiten Blick vor allem Getöse und zudem, glaubt man den Freiburger Forschern zur Generationenbilanzierung, ein recht teures Unterfangen. Das demographische Problem wird aber durch Verlagerung der Rentenzahlungen in die Steuer- und Sozialpolitik nicht gelöst, das benötigte Geld muss auch in Zukunft verdient werden.
Die Gründe für solch kurzfristig ausgerichteten Aktionismus mögen im politischen System und dem nahezu permanenten Wahlkampf liegen, in dem sich die politischen Parteien befinden. Dahinter steht vermutlich auch die Vorstellung in der Politik, dass das Publikum Wahrheiten nicht erträgt und die Boten schlechter Nachrichten abstraft. Man kann aber auch eine andere Wahrnehmung haben: Die Menschen verstehen die Risiken und haben Verständnis dafür, dass Lösungen von langfristigen Problem auch erst in der langen Frist greifen. Dafür nimmt man möglicherweise kurzfristig sogar Kosten in Kauf. Die Politik scheint die Bürger zu unterschätzen. Deshalb folgt an dieser Stelle eine Weihnachtswunschliste für das Jahr 2013 an die Politik (gemeint sind Regierung und Opposition gleichermaßen). Dabei wird den Bürgern Weitsicht und Verständnis für langfristige Zusammenhänge unterstellt und beides von Politikern erwartet.
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