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Interview Sozialphilosoph Hans Joas: "Die Lust an genereller Kapitalismuskritik ist zurück"

von Dieter Schnaas

Der Sozialphilosoph Hans Joas spricht über die Entstehung von Werten, den universalen Erfolg der Menschenrechte - und über die Vor- und Nachteile freier Märkte.

Der Werte-Forscher - Sozialphilosoph Hans Joas im Interview mit der WirtschaftsWoche Quelle: Deniz Saylan für WirtschaftsWoche
Der Werte-Forscher - Sozialphilosoph Hans Joas im Interview mit der WirtschaftsWoche Quelle: Deniz Saylan für WirtschaftsWoche

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WirtschaftsWoche: Herr Professor Joas, es war in diesem Jahr viel von „europäischen Werten“ die Rede. Können Sie uns sagen, um welche Werte es dabei geht – und wenn ja: welchen Quellen sie entspringen? 

Hans Joas: Freiheit, Toleranz, Rationalität - mir ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass keiner dieser Werte exklusiv europäisch ist und alle diese Werte in Europa immer auch umstritten und ungesichert waren. Wenn man sich auf die Suche nach der historischen Entstehung von Werten begibt, stößt man auf Quellen, de ergiebiger sind als solche abstrakten Wertbezeichnungen. Ihre Entdeckung legt den Schluss nahe, dass es über alle kulturellen Besonderheiten hinaus einen moralischen Universalismus gibt. Ihm vor allem und seiner Geschichte gilt mein Interesse.

Von welchen Quellen sprechen Sie?

Zunächst von der Achsenzeit* und den in ihr entstandenen Religionen und Philosophien. In ihr treten uns Kulturen nicht als hermetisch abgeschlossene Universen vor Augen, sondern als vielfältig aufeinander bezogene und über sich selbst hinausweisende Gebilde. Sie zeichnen sich durch eine ungeheure Spannung aus zwischen den großartigen normativen Ideen, die sie hervorbringen – und der politischen und sozialen Wirklichkeit, die nicht auf der Höhe dieser Ideen ist.

Karl Jaspers hat die Achsenzeit als „tiefsten Einschnitt“ in der Geschichte der Menschheit bezeichnet.

Und ich bin bereit, ihm darin zu folgen. Die biblischen Propheten verkünden eine Moral, der unbedingt Folge zu leisten ist… Buddha verkörpert exemplarisch eine überlegene Lebensführung… Die Transzendenz wird als Ort des Guten erstmals gedacht… – kurzum: Es gibt nun eine Moral, der es nicht nur um das Gute für die Angehörigen einer Familie, eines Stammes oder eines Staates zu tun ist, sondern um das Gute für alle Menschen: eine Moral für die Menschheit.

Caritas

Der Deutsche Caritasverband besteht aus 900 lokalen Organisationen, dazu gehören auch der Malteser-Hilfsdienst und Bahnhofsmissionen.
Altenpflege und Krankenhäuser betreibt die Caritas an 5000 Standorten. Die Marktanteile sinken tendenziell.

Werkstätten für Behinderte gehören ebenso zu den klassischen Einrichtungen.

Flüchtlingshilfe ist ein relativ neuer Bereich, wegen des geringen kirchlichen Bezugs intern umstritten.

Bild: obs

Die Geburtsstunde des moralischen Universalismus wäre demnach zugleich die Geburtsstunde der globalen Moderne?

Naja, jedenfalls sind die politischen Folgen eminent: Wenn Gott transzendent ist, kann kein König mehr Gott sein. Der Absolutheitsanspruch des Herrschers ist dahin. Allenfalls ein Mandat Gottes oder des Himmels kann er noch besitzen. Das heißt erstens, dass künftig auch Könige an einer Moral gemessen werden, die als solche außerhalb ihres Machtbereiches liegt. Und das heißt zweitens, dass Untertanen eine Pflicht zum Ungehorsam haben, wenn Könige dieser Moral zuwider handeln.

Eine Idee, die vor allem im 17. und 18. Jahrhundert Karriere macht.

Das ist der zweite historische Schub für die Institutionalisierung des moralischen Universalismus. Aber auch dieser Schub findet nicht einfach im Sinne einer europäischen Aufklärung statt, die sich im Namen der Vernunft gegen die Religion wenden würde.

* Der Begriff Achsenzeit stammt von dem Philosophen Karl Jaspers (1949). Er bezeichnet die Zeit von 800 bis 200 v. Chr. – und meint das “Wunder” einer kulturellen Revolution, die gleichzeitig in China, Indien, Persien, Palästina und Griechenland stattfand: die Relativierung der Mythen durch die Entstehung von Vorstellungen über Transzendenz, die Teilung der Welt in ein Diesseits und ein Jenseits, das Aufkommen einer universalistischen Moral, an der sich irdische Autoritäten messen lassen müssen.

4 KommentareAlle Kommentare lesen
  • 30.12.2012, 13:37 Uhrubjay

    Die fehlende Moral liegt beim Wähler, der sich jetzt, wo die Rechnung für die vermeintlich sozialen Wohltaten und die Abermilliarden an Subventionen für Wirtschaft und EU auf dem Tisch liegt,
    aus der Verantwortung für sein Tun stehlen will.
    Wer immer die selben Betrüger wählt, in der Hoffnung, dass sie dieses Mal nicht lügen, hat es nicht anders verdient.
    Hätten die Banken nicht die Staatsschulden finanziert, wären sie schon vor Jahrzehnten zum Prügelknaben gemacht worden.
    Auch die Politik möchte die Verantwortung weiterreichen ohne zu wissen, welche Bedeutung das Wort Moral hat.
    Wenn sie nicht per Gesetz zur Verantwortung durch eine drohende Haftstrafe- siehe Ukraine-zum moralischen Handeln gezwungen werden, bleibt alles wie immer.

  • 30.12.2012, 12:52 UhrWegweiser

    www.dr-hankel.de (AKTUELLE THEMEN)
    www.kaschachtschneider.de

    Mehr braucht es nicht mehr!

  • 30.12.2012, 12:35 Uhrmathias

    Typisch "Papagei" können nur wiederholen, was irgendwo jemand anders
    bereits gesagt/geschrieben hat.

    Unfehig eigene Gedankengänge zu entwickeln oder ordnen.

    Amerika auf dem Weg ein "Gottesstaat" zu werden

    will aber den Islamisten den Weg in die Demokratie mit Waffengewalt
    aufzwingen.
    Unbekehrbaren werden nun öff. als Hexer verbrannt???

    Abgekürzt: wir sind auf dem Weg der SELBSTVERNICHTUNG !!!

    Und die größten IDIOTEN-MAchtbesessenen wollen uns das als
    EU verkaufen. Da hat den Mann recht.

    NUR DER EINZIG SCHULDIGE IST JEDER EINZELNER BÜRGER, DER ZU FETT
    UND FAUL GEWORDEN IST SEINEN DEMOKRATISCHEN FLICHTEN NACHZUGEHEN.

    Wenn heute ein Krieg mit Geld € durchgeführt wird, dan ist die
    Flicht jeden einzelnen Bürger - diesen WAHNSINNIGEN das Geld zu
    entziehen. ES IST KEINE STEUERHINTERZIEHUNG !!!

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