Herr Hendricks, es scheint für Top-Manager ein Vabanque-Spiel zu werden, wenn Ihre Unternehmen sie reihenweise auf Schadenersatz verklagen - auch wenn sie längst ausgeschieden sind. Die D&O-Versicherungen, die manche mit einer - eigenen - Versicherung zu ihrem Schutz verwechseln, sind tatsächlich Policen der Unternehmen - von denen sie selbst etwas haben wollen für ihre millionenschwere Prämienzahlungen. Erklären Sie uns, wie es jetzt bei dem wohl spektakulärsten Fall - Gerhard Cromme, Aufsichtsrat von ThyssenKrupp verklagt jetzt die Ex-Vorstände auf Schadensersatz von einigen Hundert Millionen Euro wegen Kartell- und Korruptionsvorwürfen. Geht es jetzt an deren Privatvermögen?
Hendricks: Davon ist auszugehen, so war es auch im Fall der Siemens-Ex-Vorstände. Mehrere haben Millionen Euro aus der Privatschulle an Siemens zahlen müssen. Die D&O-Versicherungssumme von 100 Millionen Euro bei ThyssenKrupp reicht kaum aus für die hohen Schäden.
Und Aufsichtsräte sind auch regelmässig selbst gezwungen, die Schadenersatzansprüche vor Gericht gegen die Ex-Vorstände geltend zu machen?
Hendricks: Ja, tun Sie`s nicht, machen sie sich durch dieses Unterlassen selbst schadenersatzpflichtig und auch wegen Untreue strafbar. Wenn sie klagen, verkünden die Ex-Manager dem Aufsichtsrat heute immer häufiger im Prozess den Streit und das bedeutet, dass die Aufsichtsräte ebenso in die Haftung genommen werden.
Aber Aufsichtsräte sind doch geschützt durch die D&O-Versicherung ihrer Firma?
Hendricks: Ja, aber die Deckungssumme ist schnell verbraucht, Anwalts- und Gerichtskosten sind hoch.
Welche Tendenzen beobachten sie in der Unternehmensrealität ansonsten in puncto D&O-Managerhaftpflichtversicherungen?
Hendricks: In den Unternehmen, die wir betreuen, wiederholen sich plötzlich ungeheuerliche Fälle. Da nimmt eine Firma - Aktiengesellschaften wie Privatunternehmen - ihre D&O-Versicherung in Anspruch - beläßt aber den Manager, der den Schaden verursacht hat, in seiner Funktion und in der Firma. Selbst wenn es um Millionenschäden geht. Diese sogenannten `freundlichen Inanspruchnahmen`mehren sich deutlich.
Und wie reagieren die Versicherer?
Hendricks: Sie treiben die Unternehmen vors Gericht, indem sie die Zahlung verweigern und behaupten einfach, die Schadenersatzforderung sei unbegründet. Diese Publizität ist weder dem Unternehmen noch dem betroffenen Manager recht und sie sind dann plötzlich bereit, Vergleichszahlungen zu akzeptieren, die weit unter der geforderten Summe liegen. Sie können oft froh sein, wenn die Versicherer 50 Prozent der Summe bieten.
In den Policen ist es keine Bedingung, dass der Manager, der den Schaden angerichtet hat, die Firma verlassen muss?
Hendricks: Solche verpflichtenden Trennungsklauseln werden vermutlich auch bald flächendeckend eingeführt.
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