Eröffnung und Segnung des "Jägerstätter-Parks" in Braunau - Bischof Scheuer: Nächstenliebe auch heute ein "Störfaktor" auf dem freien Markt - Bundespräsident Fischer: Lange Scheu in Österreich, den Widerstand gegen Hitler als ehrenhaft zu bezeichnen
Linz, 9.8.06 (KAP) In Braunau in Oberösterreich ist am Dienstag ein Park nach dem von den Nazis ermordeten Kriegsdienstverweigerer Franz Jägerstätter benannt worden. Der öffentlich zugängliche Park umgibt den Neubau eines Trakts des Braunauer St.-Josefs-Spitals der Vöcklabrucker Franziskanerinnen. Jägerstätter war am 9. August 1943 in Brandenburg an der Havel ermordet worden; Franziskanerinnen-Schwestern hatten noch am Todestag durch den Gefängnisseelsorger vom Schicksal ihres Landsmannes erfahren und brachten nach Kriegsende die Urne mit dessen Asche in die Heimat. An der feierlichen Eröffnung des Jägerstätter-Parks nahmen neben den Bischöfen Manfred Scheuer und Maximilian Aichern sowie der Familie Jägerstätter auch Bundespräsident Heinz Fischer und seine Gattin Margit sowie der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer teil.
Bundespräsident Fischer betonte in seiner Ansprache, dass das Nationalsozialistische System den Namen Jägerstätter auslöschen wollte. In Wirklichkeit habe man ihn damit ins Buch der Geschichte eingetragen. Es habe lange Zeit eine Scheu gegeben, so Fischer, den Widerstand gegen Hitler als ehrenhaft zu bezeichnen. Es sei für die Republik Österreich ein schmerzvoller Weg gewesen, bis man so weit gekommen sei, Schuld gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus zu benennen. Heute sei jedes Symbol, das die Menschen gegen den Terror von Bomben und Raketen setzten, wichtig. "Jägerstätter ist so ein Symbol geworden", so der Bundespräsident.
Der Innsbrucker Diözesanbischof Manfred Scheuer, der als Theologe den diözesanen Seligsprechungsprozess für Franz Jägerstätter geleitet hatte, bezeichnete den Park als Ausdruck der Verbundenheit der Franziskanerinnen mit Jägerstätter. Jägerstätter sei auch heute ein Vorbild für die Zeitgemäßheit des christlichen Glaubens, so Scheuer.
Scheuer sagte, heute wie damals seien Solidarität und Nächstenliebe eher "Störfaktoren". Der Mensch werde jedoch "eindimensional", wenn er zum Egoisten werde. Jägerstätter sei "Prophet, Wächter und Mahner" in einer Zeit, in der ethische Werte wieder auf den Kopf gestellt würden. Jägerstätter stehe auch "wie ein Leuchtturm gegen Resignation vor dem Schicksal". Er bezeuge, dass der Einzelne nicht einfach machtlos den Prozessen ausgeliefert sei.
Landeshauptmann Pühringer würdigte Franz Jägerstätter als großen Oberösterreicher, der mit seiner Heiligkeit auch ein Nachfolger des Landespatrons Florian sei. Eine Gedenkstätte wie diese solle dieser Stimme Jägerstätters Gehör verschaffen. Der Park solle ein sichtbares Zeichen und Mahnmahl sein. Jägerstätters Entscheidung gründe in einer tiefen religiösen Überzeugung. In keiner Weise habe er damit die Entscheidungen anderer angegriffen, so Pühringer.
Die Jägerstätter-Biographin Erna Putz ging in einem Referat auf die Berührungspunkte zwischen den Jägerstätters, der Stadt Braunau und den Franziskanerinnen von Vöcklabruck ein. St. Radegund und der Bezirk Braunau sei der Erfahrungshintergrund des jungen Bauern Franz Jägerstätter gewesen. Ein starker Druck sei auf den Gegnern des Nationalsozialismus gerade in Braunau gelegen. Die Zahl der Opfer sei sehr hoch gewesen. "Wenn heute ein Park nach Franz Jägerstätter benannt wird, dann ist das sehr schön. Ich wünsche mir, dass dieser Park ausstrahlt und wachrüttelt", so Putz.
Zwei Schwestern der Franziskanerinnen von Vöcklabruck hatten im Juli 1946 die Urne von Franz Jägerstätter nach Oberösterreich gebracht. "Gegen den Strom schwimmen ist gefährlich. Franz Jägerstätter hat es getan. Unsere Schwestern waren bereits kurz nach dessen Tod überzeugt von seiner Heiligkeit", sagte die Generaloberin der Franziskanerinnen von Vöcklabruck, Sr. Kunigunde Fürst. Der Park verstehe sich als Aufforderung, immer wieder sensibel für die Gräuel des Nationalsozialismus und für die Zeichen der Zeit zu sein.
"Einsamer Zeuge des Gewissens"
Auch in einem Beitrag für die Wochenzeitung "Die Furche" bezeichnet der Bischof Scheuer Jägerstätter als eine wichtige Symbolgestalt für die vom Christentum vertretene "ganzheitliche" Sicht des Menschen. Die Nationalsozialisten hätten "Millionen Menschen das Lebensrecht und den Lebenswert aberkannt", betonte Scheuer in der Wochenzeitung "Die Furche".
Als "lebenswürdig" habe unter den Nationalsozialisten der starke Mensch gegolten, Schwache und Behinderte seien als "Parasiten" angesehen und in eine wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung eingeordnet worden, so Bischof Scheuer. Auch heute - so Scheuer - erscheine rasch "überflüssig", wer "in der Arbeitsgesellschaft nicht mehr arbeitet, in der Konsumgesellschaft nicht mehr kauft, in der Eventgesellschaft nicht mehr erlebt, in der Wissensgesellschaft zu wenig weiß oder auch wer behindert, alt oder krank ist".
"Zeugen des Glaubens" wie Franz Jägerstätter würden auf eine "andere Dimension des Menschen" verweisen. Sie stünden - so Bischof Scheuer - für ein "ganzheitliches, nicht nur an intellektueller Leistung oder an der wirtschaftlichen Verwertbarkeit orientiertes Verständnis des Menschen".
Wie Scheuer betonte, stehe Jägerstätter auch für die Würde und den Wert des "menschlichen Gewissens". Er sei keiner gewesen, der "der Mehrheit nach dem Mund geredet" habe, er wollte sich nicht auf Vorschriften und Regeln ausreden. Eigennutz und Eigeninteresse seien für ihn nicht die letzten und einzigen Prinzipien gewesen. Jägerstätter sei - so Scheuer - vielmehr ein "einsamer Zeuge des Gewissens", das sich nicht durch die Autorität der Obrigkeit suspendieren lasse.
Jägerstätter, der während des Krieges nicht für einen "Sieg", sondern für den "Frieden" gebetet habe, stehe auch für das biblische Prinzip der Gewaltlosigkeit, so Scheuer. In seinen Aufzeichnungen habe der Bauer aus Oberösterreich unterstrichen, dass Jesus nicht Böses mit Bösem vergelten wollte. Franz Jägerstätter habe, so Bischof Scheuer, "das Gebot der Feindesliebe gelebt".