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Analyse & Strategie: Branchen


31.03.2010 15:18
Von Medikamenten, Phasen und Börsenerfolgen
von Angela Göpfert
Der Forschungserfolg entscheidet maßgeblich über den Börsenerfolg von Pharma- und Biotechfirmen. Doch was bedeutet es eigentlich genau, wenn ein Medikamentenkandidat in eine neue Phase der klinischen Forschung eintritt? Und ist das gleich ein Kaufgrund?
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Aktien von Pharma- und Biotechfirmen gelten gemeinhin als defensive Titel, die sich in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und volatiler Börsen dem negativen Trend häufig entziehen und steigen können. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Im Gegenzug holen sich Anleger dafür nämlich ganz andere Risiken ins Depot. Denn die Entwicklung von Medikamenten ist ein äußerst teures und schwieriges Unterfangen, das an ganz vielen Stellen einfach scheitern kann. Häufig vergehen mehr als zehn Jahre und werden nicht selten mehrere hundert Millionen Dollar verbraucht, bis ein Mittel tatsächlich auf dem Markt erhältlich ist.

Laboraffe (Quelle: colourbox) vergrößernAm Anfang steht der Tierversuch 

Halte es mit Buffett!
Privatinvestoren, die in Pharma- und Biotechfirmen investieren wollen, sollten es daher mit Warren Buffett halten und nur in ein Unternehmen investieren, dessen Geschäftsmodell sie auch verstehen. Das bedeutet in diesem Fall: Privatinvestoren sollten wissen, was der Eintritt in bestimmte Phasen der klinischen Forschung für das Unternehmen und damit die Aktienkursentwicklung bedeutet. Denn bevor ein neues Medikament auf den Markt kommen und Umsätze generieren kann, muss erst ein Nachweis über seine Wirksamkeit und Verträglichkeit erbracht werden.

Präklinische Forschung: Alles auf Start
Hat ein Unternehmen einen viel versprechenden Wirkstoff identifiziert, beginnt die Phase der präklinischen Forschung: Zunächst wird das Mittel "in-vitro" getestet, also im Labor, anschließend "in-vivo", das heißt an Versuchstieren. Absolviert das Präparat die präklinischen Studien mit Erfolg, beginnt nun der Prozess der klinischen Studien am Menschen. Diese gliedern sich in der Regel in vier Phasen. Jede dieser Phasen muss von den Behörden genehmigt werden. In Deutschland ist dafür das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zuständig (siehe Box).

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Phase I: Die erste Hürde
In einer klinischen Phase-I-Studie wird die Substanz erstmals am Menschen angewendet – und zwar am gesunden Menschen. Die Probandenzahl beläuft sich in der Regel auf 20 bis 80 Personen. Der Wirkstoff wird nur in kleinen Mengen verabreicht. In dieser Phase steht noch gar nicht die Wirksamkeit des neuen Mittels im Vordergrund, sondern vielmehr die Verträglichkeit.

"Das Unternehmen X hat einen Antrag auf Zulassung einer klinischen Phase-I-Studie mit dem Wirkstoff Y beim BfArM gestellt und die Eingangsbestätigung erhalten." Nach einer solchen Ad-hoc-Mitteilung zieht häufig die Aktie des betreffenden Unternehmens rasant an, doch verfrühter Jubel ist ebenso häufig fehl am Platz: Denn die starken Kursgewinne sind selten von Dauer. Nach und nach setzt sich bei vielen Anlegern nämlich die Meinung durch, dass der Weg bis zur Zulassung ein steiniger und riskanter ist.

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Phase II: Und weiter geht's
Allerdings fließt manchmal schon mit Eintritt in die Phase I, II oder III Geld: Gerade Biotechunternehmen, die häufig Forschungskooperationen mit großen Pharmafirmen eingehen, erhalten je nach Vertragsgestaltung mit dem Eintritt oder Abschluss einer klinischen Phase eine Meilensteinzahlung von ihrem Partner. Diese kann durchaus beträchtlich ausfallen und sich entsprechend positiv in der Jahresbilanz niederschlagen.

In der klinischen Phase II wird der neue Wirkstoff erstmals an Patienten angewandt, die an genau jener Krankheit leiden, gegen die das Mittel wirken soll. Dabei wird eine höhere Dosis gewählt, um die Wirksamkeit und die Nebenwirkungen genauer zu erforschen und Anhaltspunkte über die beste Dosierung und Verabreichungsform (z.B. als Tablette, Dragee, Fusion) zu erhalten.

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Phase III: Fast geschafft
Richtig teuer und aufwändig wird es dann in der dritten klinischen Phase, wenn das Medikament in seiner endgültigen Verabreichungsform und Dosierung erstmals in einem größeren Rahmen getestet wird. Das Medikament muss unter Beweis stellen, wirksamer und/oder verträglicher zu sein als die Standardtherapie. Gibt es keine Standardtherapie, erfolgt der Vergleich mit einem Placebo (Scheinmedikament). Die Phase III kann sich über mehrere Jahre erstrecken und mehrere tausend Patienten einschließen.

Nach Abschluss der Phase III beantragt das forschende Unternehmen bei der zuständigen Arzneimittelbehörde die Marktzulassung. Für den mit Abstand größten Pharmamarkt der Welt, den US-Markt, ist die FDA (siehe Box) zuständig, für Europa die EMEA. Diese können die Zulassung erteilen, den Antrag ablehnen oder zusätzliche Studien fordern. Erst der erfolgreiche Abschluss der Phase III kann Anleger auf höhere Umsätze und Gewinne ihres Unternehmens hoffen lassen und damit letzten Endes auch auf steigende Aktienkurse.

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Phase IV: Das war noch nicht alles!
Dabei ist der lange Weg eines Medikaments durch die klinische Forschung mit Abschluss der Phase III noch nicht zwingend vorbei. Nach der Marktzulassung finden oftmals noch Studien statt, sei es zur Erforschung seltener Nebenwirkungen oder der Wirkung auf besondere Patientengruppen wie etwa Kinder. Phase-IV-Studien können von den Zulassungsbehörden vorgeschrieben werden, manchmal dienen sie dem Unternehmen aber einfach auch nur zu Marketingzwecken. Auch hier lohnt es sich also für den Anleger, genauer hinzusehen.

Die Risiken für den Privatanleger
Als Fazit lässt sich für Privatanleger festhalten: Extremer Jubel und überbordende Euphorie nach dem Eintritt eines Medikaments in die Phasen I bis III sind sicherlich fehl am Platz. Anleger sollten bedenken, die marktreife Entwicklung neuer Wirkstoffe ist schlichtweg das Geschäftsmodell von Biotechfirmen, es ist ihr tägliches Brot. Zugleich schwebt in jeder Phase noch das Damoklesschwert des Scheiterns über dem neuen Medikament.

Hinzu kommt: Der Ruf von Pharma-Aktien als defensives Investment wankt. Zwar wächst der milliardenschwere weltweite Pharma-Markt nach wie vor mit einer Rate von vier bis sieben Prozent, rechnen Experten vor (siehe Box). Doch der Druck auf die Konzerne wächst von zwei Seiten: Die nationalen Regierungen versuchen, die Preise zu drücken; zusätzlich droht den Unternehmen bei Medikamenten, deren Patent abgelaufen ist, Konkurrenz durch billigere Generika ("Nachahmerprodukte"). Anteilseigner sollten sich also besser genau informieren, wann der Patentschutz für die großen Umsatzbringer ihres Unternehmens ausläuft und welche politischen Regulierungen dem Konzern künftig drohen.

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