Das Blutbad von Glen Coe







Blick in Glen Coe
Glen Coe, das Tal des Flusses Coe, ist leicht zu erreichen. Auf dem Weg von Fort William nach Crianlarich Richtung Süden fährt man in der Regel auf der A82 durch dieses Tal. Die Straße zu verlassen sollte das Ziel sein, denn die A82 ist eine sehr stark befahrene Straße, die wegen ihrer Streckenführung außerdem die ganze Aufmerksamkeit verlangt. Bürgersteige oder Ähnliches gibt es nicht.

Aonach Dubh Es gibt einige Parkplätze, die von Wanderen benutzt werden. Von diesen lassen sich herrliche Touren unternehmen. Wer allerdings in die Berge will, sollte sich bei den Rangern anmelden (und natürlich auch wieder abmelden). Ordentliche Ausrüstung ist - wie in der gesamten schottischen Bergwelt - unerlässlich. Schottische Berge sehen immer ein wenig sanft aus (finde ich), was vermutlich daran liegt, dass sie so grün sind. Aber dieser Eindruck täuscht und besonders das Wetter ist ja berühmt berüchtigt.



Einleitung

Die Geschichte von Glen Coe beschränkt sich natürlich nicht nur auf das Massaker von Glen Coe, obwohl sie oft gerade auf dieses reduziert wird. Schwerpunkt wird zwar auch bei mir dieser kleine, zeitlich sehr begrenzte Ausschnitt sein, aber ich möchte in diesem Abschnitt wenigstens kurz einen Abriss liefern, der zu diesem Blutbad führte.
Ungefähr im 11. Jahrhundert gehörte das Tal dem mächtigen Clan der MacDougall's, die von den Wikingern abstammten. 1308 wurden die MacDougall's jedoch in der Schlacht am Pass von Brander von den Armeen des Robert the Bruce geschlagen. Dazu gehörten auch die Clans der MacDonalds und Campbells. Bruce übergab dem Clan der MacDonalds das Glen Coe nach der Schlacht als "Beute", und den MacDonalds gehörte es die nächsten Jahrhunderte.
Das Glen Coe hatte selten mehr als 500 Bewohner. Das Tal war relativ fruchtbar, das Leben einfach. Schafe waren die Hauptlebensgrundlage, außerdem einige wenige Rinder. Der Loch Leven war reich an Fisch. Um 1500 versuchten die Highland Clans, ihre Lebensqualität durch gelegentlichen Viehdiebstahl bei den reicheren Lowland Clans zu steigern. Andererseits trachteten die Lowland Clans wie die Campbells danach, ihr Territorium um das ihrer Nachbarn zu erweitern, was die Regierung in Edinburgh erlaubte.
Nach und nach kristallisierte sich eine Rivalität zwischen den MacDonalds des Glen Coe und den Campbells des Glen Lyon heraus. Die Lowland Clans waren den englischen Königen eher zugetan und über die Dreistigkeit und unerhörte Geschicklichkeit der Glen Coe MacDonalds bei ihren Beutezügen waren die Könige not amused.
In den Anfängen dieses Zwists ließ der Clanchef Mad Colin Campbell von Glen Lyon 36 MacDonalds' hinrichten, nachdem sie bei einem Beutezug gefasst worden waren. Später, 1646, überfielen die MacDonalds die Menzies und Campbells nach einer Hochzeit, töteten 36 im folgenden Handgemenge und kehrten mit reicher Beute nach Glen Coe zurück.
1685 nutzten die MacDonalds eine Schwächephase der Campbells und plünderten weite Teile des Campbell- Imperiums. Dabei wurden etliche Campbell-Familien ruiniert, so auch die von Robert Campbell von Glen Lyon, dem Enkel des Mad Colin (siehe oben).

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Rund um das Gemetzel

Innerhalb der letzten zehn Jahre (1681-1691) hatten sich die MacDonalds von Glen Coe mit ihren Streifzügen bei ihren Nachbarn nicht beliebt gemacht, besonders nicht bei den Campbells, die am meisten unter diesen Übergriffen zu leiden hatten. Alastair MacDonald, der 12. Chief, kann mit Fug und Recht als grausam und als Dieb bezeichnet werden. Auf der anderen Seite war er aber auch würdevoll und enorm loyal den Gesetzen des Clans gegenüber und der Familientradition.
Am 27. August 1691 versprach der König eine Amnestie all denen, die gegen ihn gekämpft oder ihre Nachbarn überfallen hatten, wenn sie denn einen Treueeid vor Beginn des nächsten Jahres ablegten. Ansonsten drohte der Tod. Weshalb Alastair so spät aufbrach, ist nicht gesichert, aber er begann seine Reise erst am 30. Dezember. Statt nach Inveraray wollte er den Eid in Maryburgh (heute Fort William) ablegen, musste dort aber doch weiter nach Inveraray. Auf dem Weg wurde er aufgehalten durch Truppenbewegungen und schließlich ließ man ihn auch noch warten, so dass er den Eid erst fünf Tage nach Ablauf der Frist ablegte. Er selbst glaubte, dass alles in Ordnung sei. Aber diese Überschreitung war die willkommene Entschuldigung, den abgelegten Eid für nichtig zu erklären.
Zwei Kompanien wurden am 1. Februar 1692 in Marsch gesetzt unter dem Befehl von oben erwähnten Robert Campbell, jetzt Captain. Man nimmt an, dass er zunächst nicht einmal wusste, was für einen Auftrag er zu erledigen hatte.
Campbell erbat für sich und seine Leute Unterkunft in Glen Coe und wurde, wie es üblich war, gastfreundlich aufgenommen, untergebracht und bewirtet. Am 12. Februar erhielt Robert Campbell den schriftlichen Befehl, alle MacDonalds unter 70 am nächsten Morgen zu töten. Es war völliger Zufall, dass er das Kommando über die Strafexpedition erhielt. Mit seinen etwa 130 Mann hatte er mehrere Hundert Leute zu töten, die über das ganze Tal verteilt lebten. Notwendige Verstärkung war zwar unterwegs, kam aber mit erheblicher Verspätung an. Ein Zufall?
Was dieses Blutbad vermutlich wirklich in die Geschichte eingehen ließ, ist wohl die Tatsache, dass ein nach allen Regeln der Gastfreundschaft aufgenommener Schotte unter seinen Gastgebern morden ließ und selbst die Nichte von Campbell, verheiratet mit dem jüngeren Sohn des Clan-Chiefs, nicht verschont werden sollte.
Objektiv betrachtet, wurde ein Auftrag ausgeführt, wie er früher oft gegeben und erledigt wurde. Nach heutigen Standards sicher eher ein Gesetzesverstoß als die Umsetzung von Recht und Ordnung. Aber die Zeiten waren damals andere und als Unschuldslämmer kann man die MacDonalds sicher auch nicht bezeichnen. Damit wäre dieses Massaker vielleicht nie so wichtig geworden, wenn nicht die ungeheure Inkompetenz bei der Durchführung so dramatisch gewesen wäre. Besonders auf die Tötung des "Chiefs und seiner Bengel" war im Befehl großen Wert gelegt worden. Aber gerade die Söhne und der Enkel entkamen. Insgesamt wurden 38 nachweislich getötet - aber über 300 entkamen in die Berge. Viele dieser Leute sind vermutlich durch Hunger und Kälte getötet worden.

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Gearr Aonach

Das Nachspiel

Zwei Wochen später sickerten die ersten Informationen nach London durch. Aber erst ein irischer Journalist machte aus Glen Coe einen politischen Skandal. In seinem Artikel wurde Vertrauensbruch propagiert, Vertuschung des Ganzen angedeutet. Das brachte die auf die Palme, die dem König und seinen Gefolgsleuten weniger zugetan waren. Große Konsequenzen zog dies aber nicht nach sich. Die Verantwortlichen starben in Schlachten, eines natürlichen Todes oder kamen nach einer kurzen Auszeit mit Glanz wieder zurück auf die politische Bühne (also ganz so wie es auch heute noch ist).
Am Ende durfte John, der Sohn Alastairs und jetzt Clan-Chief, den Eid ablegen, und gelangte in den Genuss der Amnestie. Er baute den Stammsitz wieder auf. Sein Bruder Alastair unterstützte die Jakobiter und kämpfte Seite an Seite mit John Campbell, dem Sohn des Robert Campbell, der beim Massaker das Kommando hatte!
Der Enkel, der entkommen war, - wieder ein Alastair - kämpfte in der Schlacht von Culloden, was dem Clan das Heim kostete: die Häuser wurden niedergebrannt, das Vieh weggetrieben und der Chief ins Gefängnis geworfen.

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